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Terrorismus gestern und heute

Terrorismus ist kein neues Phänomen. Fachleute unterscheiden heute vier Gruppen von Terroristen:

  • geistig verwirrte Einzeltäter, die sich als Auserwählte sehen und ohne ein unterstützendes Netz-werk für ihre „Mission" tätig werden;

  • revolutionäre Gruppen, die politische oder soziale Veränderungen durch Gewalt herbeibomben möchten (Beispiel: die frühere Rote Armee Fraktion, RAF);

  • ethnische oder politische Minderheiten, die gewaltsam für ihre Auto­nomie in einem Staatswesen kämpfen (Beispiel: die kurdische PKK);

  • Gruppen mit religiösen oder pseudo-religiösen Motiven (Beispiele: die Aum-Shinrikyo-Sekte in Japan oder die Al-Qaida des Osama Bin La­den).

Am gefährlichsten sind dabei jene Gruppen, die aus vorgeblich religiö­sen Motiven Massen­morde verüben, weil kein Zweifel daran besteht, dass ihnen Menschenleben nichts bedeuten und sie auch Zivilisten nicht verschonen werden.

Terror und Terrorismus sind überall - die Medien sind voll davon. Da werden die Begriffe schnell unscharf. Die Alltagssprache ist mit dem Ter­ror schnell bei der Hand. Eine Rockerbande terrorisiert ein Viertel oder ein Mann seine Familie. [...]

Terror im eigentlichen Sinne meint jedoch systematische Gewalttätigkeit. Menschen werden bedroht, verletzt oder getötet - Sachwerte vernichtet. Gewalttätige Übergriffe und Anschläge von Rechtsextremisten auf Aus­länder bespielsweise sind Terror. Sie sind aber kein Terrorismus. Davon ist erst die Rede, wenn die Gewalt nicht nur vereinzelt und situationsbezogen von Einzeltätern und kleinen, spontan gebildeten Gruppen aus­geht, sondern politisch geplant und gelenkt ist.

Terroristen sind Fanatiker, aber nur selten Verrückte. Das fand auch das FBI heraus, das vor ein paar Jahren Persönlichkeitsprofile von 115 ideo­logisch motivierten Flugzeugentführern erstellte. Verglichen mit ande­ren Gewaltverbrechern und nicht weltanschaulich motivierten Flugzeugent­füh-rern fand man ungewöhnlich wenig geistige Störungen und Drogenmissbrauch. [...] Das terroristi­sche Gedankensystem ist die ex­treme Fortsetzung eines fehlgeleiteten Idealismus und des Gerech-tig­keitswahns. Der Terrorist meint, für die Humanität zu kämpfen - und richtet ein Blutbad an, in dem jede Humanität ertrinken muss.

Die grausamsten terroristischen Verbrechen geschehen heute im Namen von Religionsfüh­rern. 1995 begingen religiös motivierte Täter zwar „nur" ein Viertel der Terroranschläge in der Welt, schreibt der US-Terrorismusexperte Bruce Hoffman. Es waren aber die blutigsten: 60 Prozent aller Toten gingen auf ihr Konto. Bei Terrorakten, die mehr als acht Tote forderten, waren nur reli­giöse Fanatiker am Werk. „Während weltlich motivierte Terroristen selten die Auslöschung vieler Menschen anstre­ben, weil solche Exzesse ihren Zielen schaden, legen es die religiös moti­vierten oft auf solche Gemetzel an", meint Hoffman. [...]

Nicht nur die neuartige Motivation und die Maßlosigkeit der Gewalt bringen Fachleute dazu, von einer neuen Qualität des Terrorismus zu sprechen. Anders als die Gruppen der Vergangenheit arbeiten Terroris­ten heute in kleineren, nicht hierarchisch aufgebauten, schwer fassbaren Organisa-tionen.

Der Einzelne kennt so nur wenige andere Mitkämpfer. Er kann seiner Gruppierung nicht viel schaden, falls er gefangen genommen wird oder überläuft. Der neue Terrorismus ist auf straffe Or-ganisation gar nicht mehr angewiesen. Ein klares politisches oder nationalistisches Pro­gramm gibt es ohnehin nicht. Man ist sich einig über den Feind und da­rin, dass es ihn zu treffen gilt, wo immer möglich.

Der neue Terrorismus operiert international. Seine Finanzierung und Lo­gistiknetze über-schreiten alle Grenzen. Die Terroristen nutzen allgemein zugängliche Technologien wie das Inter­net, um schnell und sicher zu kommunizieren. Geld kommt aus politischen Massenorganisationen, aus weltweiten Wirtschaftsaktivitäten mit ganz legalen Unternehmen; aber auch die Grenzen zur organisierten Kriminalität sind fließend. „Solche lose verknüpften supranationalen Terrornetze sind schwer ein­zuschätzen, zu verfolgen und zu infiltrieren", heißt es im Bericht der „Nationalen Ter-rorismus-Kommission" des US-Kongresses aus dem Jahr 2000.

Sicherheitspakete“ – Wie lässt sich die „innere Sicherheit“ erhöhen?

Schon bald nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 wurden in der Bundesre­pub­lik wie auch in anderen Ländern Überlegungen ange­stellt, mit welchen Maßnahmen und Regelun-gen man im eigenen Lande die Sicherheit gegen terroristische Anschläge (innere Sicherheit) erhöh­en könne. Neben der Stärkung der Arbeit der Sicherheitsorgane wurden in einem ersten „Sicher­heitspaket" folgende Regelungen beschlossen:

Eine neue Verordnung zur Flughafensicherheit sieht schärfere Kontrollen im Flugverkehr und die Pflicht der Flughafenbehörden zur Überprüfung ihres Personals (auch unter Zuhilfenahme von Daten der Geheimdiens­te) vor. Der neue Paragraph 129 b des Strafgesetzbuches ermächtigt die Po­lizei dazu, auch gegen solche Mitglieder ausländischer Terrorgruppen zu ermitteln, die sich bis­her in Deutschland nichts haben zu Schulden kommen lassen. Die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz be­deutet, dass islamistische Organisationen, die auch in Deutschland ver­treten sind, nicht mehr wie Religionsgemeinschaften, sondern wie Vereine behandelt und somit auch ver­boten werden kön­nen, wenn sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgen.

Durch die Streichung des Religionsprivilegs ermöglicht, verbot das Bundesinnenministe­rium am 12.12.2001 die türkische islamistische Vereinigung „Kalifatstaat" und weitere 19 Teilorga­ni­sationen. Die von Köln aus geleitete Gruppierung ziele auf die Weltherrschaft des Islam auf der Grundlage der Scharia, des is­lamischen Rechts, und richte sich gegen die demokratische Ord­nung in Deutschland. Bereits am 15.11.2000 war der selbster­nannte Führer der Organisation, Metin Kap-lan („Kalif von Köln"), wegen eines Mordaufrufs zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Uber ein zweites, von Bundesinnenminister Schily vorgeschlagenes „Anti-Terror-Paket" entstand eine lebhafte Diskussion. Das vom Bun­destag am 14.12.2001 verabschiedete Artikelgesetz (Änderung von 17 Einzelgesetzen), dem der Bundesrat am 20.12.2001 zustimmte, sieht u.a. vor: Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes und der Geheimdienste (Möglichkeit der Datenerhebung bei Banken und ande­ren Dienstleistungsunternehmen), Verschärfung des Auslän-derrechts (u.a. Erweiterung der Gründe für die Versagung einer Aufenthaltsge­nehmigung und der Gründe für eine Ausweisung von Asylbewerbern), Möglichkeit, dass Personalausweise und Reise­pässe „neben Lichtbild und Unterschrift weitere biometrische Merkmale von Fingern oder Hän­den oder Gesicht des Inhabers enthalten".

Kritiker befürchten, dass durch die Art und die Fülle der Maßnahmen der Datenschutz er­heblich gefährdet werde, dass die Freiheitsrechte des Bürgers eingeschränkt würden und die Bun-desrepublik sich auf den Weg zu einem Uberwachungs- und Kontrollstaat begeben.

(aus: Politik, ein Arbeitsbuch 9/10, 2007; S. 234-246)

Texterläuterungen

  1. Warum kann man den Terroristen nicht den Geldhahn zudrehen?: Die Welt ist voll von Al Oaida-Sponsoren. Unmittelbar nach dem 11. September 2001 veröffentlichte die US-Regierung die Namen von 2500 Firmen und Einzelpersonen, die verdächtigt werden, Terroristen zu finanzieren. Darunter finden sich mehrere sudanesische Banken, palästinensische, ägyptische und jemeni­tische Wohlfahrtsorganisationen. Bisher sind etwa 200 Millio­nen Dollar eingefroren worden. - Eine Winzigkeit, verglichen mit den immensen Summen, die saudische Stiftungen ausgeben, um - so die offizielle Version - den puritanischen Wahabismus in alle Welt zu verbreiten. Das private Vermögen des Ex-Saudis bin Laden wird auf etwa 300 Millionen Dollar geschätzt. Zusätz­lich soll Al Oaida jährlich etwa 30 Millionen Dollar einnehmen. Eine reiche Kriegskasse. Die Vorbereitung und Ausführung des 11. September kostete laut dem Kongress­be­richt des 9/11-Untersuchungsausschusses zwischen 400 000 und 500 000 Dollar.

b) Wie kann der Terrorismus besiegt werden?: Auf lange Sicht muss es darum gehen, potenziel-­

len Terroristen ihre Motivation zu entziehen. Diese speist sich vor allem aus drei­erlei. Erstens aus dem Gefühl des Gedemütigtseins durch einen technisch und wirtschaftlich überlegenen Westen. Zweitens aus einer religiös unterstützten Selbststilisierung zum Opfer und ei­ner damit verbundenen moralischen Selbsterhöhung. Drittens aus dem Glauben, dass die ungläubigen Unterdrücker Rache ver­dient haben. Mit schuld an der Konjunktur des antiwestlichen Verschwörungsglaubens sind die eklatanten Bildungsdefizite in der arabischen Welt. Laut einer Studie der UN sind seit dem 9. Jahrhundert nur 100 000 Bücher ins Arabische übersetzt wor­den. Das sind knapp so viele, wie in Spanien pro Jahr übersetzt werden. Zudem mangele es insgesamt an Freiheit und guter Re­gierungsführung. Der Kampf gegen den Terrorismus ist also auch ein Kampf gegen ein dumpfes Weltbild. Aber lässt sich der Al Oaidaismus eindäm­men wie einst der Kommunismus? Für ein solches Containment müsste der Westen in einen ideellen Wettstreit mit einer rück­wärtsgewandten, selbstgerechten Islaminterpretation treten. Als „Gegenideologie" freilich hat er nur Pluralismus und Liberalismus zu bieten. Und das heißt eben: Ungewissheit.

Jochen Bittner, „Das weltweite Al Oaida-Netz", in: Die Zeit Nr. 29 vom 14. Juli 2005

Aufgaben

  1. Beschreiben Sie anhand der oben stehenden Materialien und aufgrund Ihres Vorwissens den Ab­­lauf des Terroranschlags vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das amerikanische Verteidigungsministerium in Washington. Worin lag das Neue und Furchtbare dieses Verbrechens für die Menschen in Amerika und in der ganzen Welt? Wie ha­ben Sie selber dieses Ereignis erlebt?

  2. Geben Sie einige Informationen zum Begriff und zur Entwicklung des Terrorismus. Machen Sie im Einzelnen deutlich,

  • was man unter dem viel gebrauchten Begriff Terror bzw. Terrorismus zu verstehen hat und worin die Motive der unterschiedlichen Gruppen von Terrorismus liegen;

  • welche Bedeutung der auf religiösem Fanatismus beruhende Terrorismus in den 1990er-Jahren gewonnen hat, und

  • was man unter „internationalem Netzwerk-Terrorismus“ versteht. Erläutern Sie dazu das Beispiel des Terrornetzwerks Al-Qaida, zu dem die Terroristen des 11. September 2001 ge­hören.

  1. Die Hintergründe und die Ursachen des Terroranschlags vom 11. September und einer Reihe weiterer schwerer, ebenfalls durch islamistische Terroristen verübter Anschläge im Jahre 2002 (u.a. auf der tunesischen Ferieninsel Djerba, wo am 11.4.2002 bei einer bewusst herbeigeführten Explosion eines Tanklastwagens vor einer jüdischen Synagoge 19 Menschen, darunter 14 Deut-sche, ums Leben kamen, und auf der Südseeinsel Bali, wo am 12.10.2002 bei einem Anschlag auf eine Diskothek ein ganzer Straßenzug in Schutt und Asche gelegt und fast 200 Menschen getötet wurden) sind außerordentlich vielfältig und werden z.T. auch unterschiedlich beurteilt. Wir haben im Text einige wichtige Aspekte ausgewählt, an denen Sie aufzeigen können,

  • welche Bedeutung religiöse Motive für die Terroristen des 11. September gehabt haben,

  • welche Rolle antisemitische und antiamerikanische Einstellungen spielen und inwiefern sich der islamistische Terrorismus gegen politische ud gesellschaftliche Wertvorstellungen und die Verbreitung der „westlichen Zivilisation“ richtet.

  1. Machen Sie deutlich, warum es so schwierig ist, den „Netzwerk-Terrorismus“ wirksam zu bekämpfen, und informieren Sie sich anhand der obigen Texte über die Maßnahmen, welche die deutsche Bundesregierung zum Schutz vor terroristischen Anschlägen ergriffen hat. Gehen Sie dazu auch auf das Spannungsverhältnis ein, das zwischen solchen Maßnahmen und den Freiheitsrechten der Bürger besteht.

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