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Religionen: Konfliktpotenzial oder kulturelle Bereicherung?

Ein Aspekt, der Konflikte im Integrationsprozess mit sich bringen kann, ist das Miteinander der verschiedenen Religionen in Deutschland. Die größte Gruppe der Migranten gehört mit fast drei Millionen Menschen dem Islam an. Im über 50 Jahre alten deutschen Grundgesetz ist festgelegt, dass jeder Mensch eine Religion haben und sich öffentlich zu ihr bekennen darf. Aufgrund der Aus­übung seiner Religion darf niemand benachteiligt oder bevorzugt werden. Eingeschränkt wird die Religionsfreiheit erst, wenn eine Religion oder extremistische Gruppen sich gegen andere im Grundgesetz garantierte Freiheiten richten.

Die Ausübung ihrer Religion wird Ausländern durch geringes Interesse und mangelnde Rücksichtnahme seitens der deutschen Bevölkerung allerdings oft erschwert. Eine positive Ausnah-me ist beispielsweise die Ford AG, deren Werkskantine im islamischen Fastenmonat Ramadan auch nach Einbruch der Dunkelheit geöffnet hat. Erstaunlich viel Rücksicht wurde bereits vor fast 40 Jahren auf muslimische "Gastarbeiter" in Köln genommen: Am 3. Februar 1965 stellte der damalige Erzbischof von Köln, Kardinal Frings, ihnen den Kölner Dom zur Verfügung, damit sie "ihren Fas-tenmonat Ramadan würdig feiern können". Heute stehen Muslimen in Deutschland rund 2.000 Mo­scheen zur Verfügung, von denen viele nur klein und nicht in repräsentativen Gebäuden unterge­bracht sind. Sie werden von Moscheevereinen getragen, die mit christlichen Kirchengemeinden ver­gleichbar sind und wie diese soziale Einrichtungen betreiben. Köln ist heute die Stadt, in der nach Berlin die meisten türkischstämmigen Einwohner leben. Über 75.000 Menschen waren es Ende des Jahres 2000. Fünf der insgesamt sechs wichtigsten religiösen Dachverbände der Muslime in Deutschland haben hier ihren Sitz. Den über 80.000 in Köln lebenden Muslimen stehen um die 30 Moscheen zur Verfügung, außerdem gibt es eine Medrese genannte islamische religiöse Lehran-stalt.

Streng religiöse Muslime sind aufgrund ihrer Kleidung äußerlich leicht zu erkennen und müssen deshalb bisweilen negative Erfahrungen machen. Die gesetzlich garantierte Religionsfrei­heit schützt nicht vor Diskriminierungen, etwa in der Schule oder im Beruf. Ein Beispiel für Miss­verständnisse, welche die Ausübung des Islam in Deutschland für viele Menschen erschweren, ist die Tatsache, dass viele muslimische Frauen Kopftücher tragen. Ihr Anblick ist für manche Nicht-Muslime ein Symbol des Fremden und der Unterdrückung der Frau im Islam. Obgleich es vor­kommt, dass Frauen zur Verschleierung gezwungen werden, trägt die überwiegende Mehrzahl von ihnen es jedoch als Teil der islamischen Bekleidungsvorschriftcn freiwillig. Praktizierende musli-mische Frauen wollen zeigen, dass sie sich dem Islam verbunden fühlen und nach den Regeln des Korans (in dem das Tragen einer Verschleierung nicht vorgeschrieben ist) und der Sunna (= Tradi-tion, Brauch) leben. So könnte man das Kopftuch mit dem Tragen des Kreuz-Symbols eines gläubi-gen Christen vergleichen.

Der Umgang mit der Verschleierung wird in muslimischen Ländern unterschiedlich gehand­habt. So ist sie in Saudi-Arabien und im Iran Gesetz, während es in der Türkei sogar ein Kopftuch-verbot in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Universitäten, Parlamenten oder Behörden gibt. Zudem wurde im September 2001 das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, vom türkischen Erziehungs­ministerium auf private Bildungseinrichtungen ausgedehnt. Im Fall der Verschleierung profitieren türkische Muslime von der deutschen Gesetzgebung, die liberaler ist als die in ihrem Herkunftsland. Das Recht, ein Kopftuch zu tragen, gilt allerdings nicht uneingeschränkt: 1998 wurde eine deutsche Lehrerin islamischen Glaubens nicht in den Schuldienst übernommen, weil sie auf das Tragen eines Kopftuches während des Unterrichtens nicht verzichten wollte. Dieses Urteil, das für viele im Wi-derspruch zur Religionsfreiheit steht, wurde in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Migranten anderer Religionen die Religionsfreiheit in Deutschland für sich nutzen können, ist der Bau des größten hinduistischen Tempels Europas im Ruhrgebiet, der im Juli des Jahres 2002 eröffnet war. Den ca. 60.000 in Deutschland lebenden Hin­dus, bei denen es sich zu einem großen Teil um tamilische Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, stehen schon heute mehrere kleinere Tempel zur Verfügung.

Die Existenz verschiedener Religionen kann eine Bereicherung für die deutsche Gesellschaft bedeuten. Dennoch ist es vielen Deutschen unangenehm, eine Moschee oder einen Tempel in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu haben. Auch nach Jahrzehnten des Zusammenlebens begegnet man dem Fremden noch oft mit Vorurteilen. Sie können nur abgebaut werden, wenn durch die gegensei-tige Kenntnis des "Anderen" Verständnis erwächst, das den Abbau von Vorurteilen fordert.

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