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Transnationaler Terrorismus

Terrorismus als eine Form politisch motivierter Gewaltanwendung reicht weit in der Ge­schichte zurück. Er hat jedoch verschiedene Ausprägungen erfahren. Seit Beginn der 1980er-Jahre trat neben den nationalen Ter­rorismus verstärkt der internationale. Die terroristischen Anschläge des 11. September 2001 bedeuten eine weitere Zäsur: Sie sind Ausdruck ei­nes „neuen" Terroris-mus, der eine Weiterentwicklung sowohl des natio­nalen wie auch des internationalen Terrorismus darstellt.

Texterläuterungen

  1. Terror, lat. terror = Schrecknis, Schreckensnachricht

  2. Die Angaben im Diagramm beziehen sich auf alle terroristischen Anschläge im genannten Zeit-raum.

Begriff und Typen des Terrorismus

Terrorismus ist eine selbstständige politisch-militärische Gewaltstra­tegie nichtstaatlicher Akteure. Sie zielt vorrangig darauf, Furcht und Schrecken bei der Zivilbevölkerung zu erzeugen, um einen Gegner empfindlich zu schwächen.

Terroristische Gewaltstrategie setzt auf psychische Effekte. Nicht die Einnahme eines Terri-toriums, son­dern die Einschüchterung einer Be­völkerung, bestimmter sozialer Gruppen oder Perso-nen wird ange­strebt. Ziele mit Symbolgehalt - z.B. religiöse Orte, Denkmäler, Re­gierungsgebäude - werden ange­griffen, um einen Gegner zu pro­vozieren oder zu demütigen.

Öffentliche Verkehrsmittel und Einrichtungen sind Anschlagsorte, um zu signalisieren, dass jeder erreicht werden kann. Attentate auf Personen, Entführungen und Erpressungen gehören dazu.

Terroristische Anschläge sind zugleich eine Übermittlungsform politi­scher Botschaften an Freund und Feind, denn Terroristen verstehen sich als Interessenvertreter von „Unterdrückten". Da­raus speist sich vielfach das Bewusstsein moralischer Überlegenheit. Religiös motivierter Terroris­mus, der seit den 1980er-Jahren deutlich zugenommen hat, ist lediglich außerweltlich legitimiert. Solche Anschläge sind mit wesentlich mehr Opfern verbunden.

In der Gegenwart sind drei Typen des Terrorismus präsent: der nati­onale Terrorismus, der internationale Terrorismus und der transnati­onale Terrorismus.

Die ersten beiden Typen sind notwendige Vor- oder Entwicklungsstufen des transnationalen Terrorismus.

nationaler Terrorismus

internationaler Terrorismus

transnationaler Terrorismus

Anwendung von Gewalt in­nerhalb eines Staates –Täter und Opfer unterliegen der gleichen staatlichen Autori­tät;

zielt auf die Veränderung ei­ner nationalen Ordnung

Anschläge auf Bürger oder das Territorium eines ande­ren Staa­tes – Täter und Op­fer gehören verschiedenen Staaten an;

zielt auf die Veränderung ei­ner nationalen Ordnung

Agieren in transnationalen Netz-werken und Räumen – ohne lo­kale Verortung; der Westen (bes. Weltmacht USA) ist erklärter Gegner; zielt auf Veränderung der in­ternationalen Ordnung

  • „Klassische" Form des Terrorismus, bildete sich im 19. und 20. Jh. heraus;

  • stand/steht im Zusam­men­­hang mit antikolonia­len Befreiungsbewegun­gen, sozialrevolutionären Ideologien, ethnonationa- lem Separatismus oder re­ligiösem Fundamentalis­mus;

  • ist weltweit vorherr­schend

  • Bilden von Außenstellen, ohne Stammsitz aufzuge­ben

  • Kooperation zwischen Ter­rorgruppen, z. B. bei OPEC-Attentat 1975 in Wien

  • Arbeitsteilung zwischen Kommandostrukturen und rekrutierten Attentä­tern

  • Internationalisierung der Finanzierung und Logistik

  • transnationale Ideologie

  • dezentrale netzwerkar­tige Organisationsformen global

  • Leitungsebene, „Opera­teure", Terrorzellen mit kooperieren-den Terror­gruppen verbunden

  • multinationales Unterneh­men mit zahlreichen Fi­nanzie­rungsformen

Typische Beispiele für die Zeit nach 1945:

  • baskische ETA

  • kurdische PKK

  • deutsche RAF

  • nordirische IRA

Beispiele:

  • palästinensische HAMAS

  • libanesische Hisbollah

jeweils mit weltweiten Verbin­dungen bis nach Lateinamerika und West­afrika

Prototyp:

transnationales Netzwerk Al-Qaida

■ Attentat auf das World Trade Center 2001

Definition und Abgrenzung

Der Begriff „Terrorismus" bezeichnet heute eine andauernde und geplante Gewaltan-wendung mit politischer Zielsetzung, um mit terroristischen Methoden das Verhalten des Gegners zu beein­flussen.

Diese Definition enthält fünf Komponenten, die der Abgrenzung dienen:

  • Es muss sich um eine über einen Zeitraum andauernde Gewalt­ausübung handeln, damit Einzel-

Ereignisse wie der Tyrannen­mord (Zeitpunktereignisse) nicht unter Terrorismus fallen.

  • Es muss sich um ein vorher geplantes Vorgehen handeln, damit spontane Gewalt, wie sie zum

Beispiel auf Demonstrationen ausbrechen kann, nicht unter Terrorismus fällt.

  • Es muss eine politische Zielsetzung wie etwa beim ethno-nationalen oder weltanschaulich-

ideologischen Terrorismus vorlie­gen, damit wirtschaftliche Beweggründe für Gewaltanwendung

(zum Beispiel Organisierte Kriminalität) nicht als „Terrorismus" zählen.

  • Die beiden letzten Komponenten dienen der Abgrenzung zum Freiheits-, Partisanen- oder Que-

rillakampf. Es muss sich um terroristische Methoden handeln und nicht um eine Guerilla-Kriegs-

­führung: das heißt Terroranschläge, bei denen eine Trenn­linie zwischen am Konflikt Beteiligten

(Kombattanten) und un­schuldigen Dritten (Nicht-Kombattanten) nicht existiert.

So wird beim islamistischen Terrorismus ohne Unterschied je­der zum Opfer, der sich zum Zeit-

­punkt des Anschlages am Ort aufhält, während Rebellen- und Partisanenbewegungen in der Re-

­gel differenziert gegen die Einheiten und Verbände des Geg­ners und damit nicht gegen alle am

Ort befindlichen Personen vorgehen. Zudem wollen sich Terroristen im Unterschied zu Freiheits-,

Partisanen- oder Guerillabewegungen überwiegend nicht an die Stelle des Gegners setzen, son-

dern diesen zu einer Änderung seines politischen Verhaltens nötigen. Der deutsche Terrorismus-

­forscher Franz Wördemann stellte hierzu 1977 fest: „Guerillas wollen den Raum, Terroristen das

Denken besetzen".

Von „Internationalem Terrorismus" wird dann gesprochen, wenn die Ziele, Begründungen und Aktionsräume der Terroristen sich nicht nur auf eine Region bzw. ein Land beziehen.

Sehr wichtig bei der Analyse des Phänomens „Internationaler Terrorismus" ist, dass nicht, wie es häufig geschieht, Methoden und Ziele der politischen Gewalt miteinander vermischt werden. Der Begriff „Terrorismus" bezeichnet ausschließlich eine illegale und menschenverachtende Hand­lungsmethode, trifft aber kei­nerlei Aussage über die Legitimität oder Verständlichkeit der an­ge­strebten Ziele.

Texterläuterungen

  1. Terrorismus ist nicht identisch mit staatlich organisiertem oder geduldetem Terror („Staatster­ror“). Er unterscheidet sich auch vom Terror als Kriegsphänomen oder als revolutionäres Kampfmittel.

  2. Nationaler Terrorismus wird auch als interner Terrorismus bezeichnet.

Neue Dimension des Terrors

Nationaler und internationaler Terrorismus unterscheiden sich nicht in ihrer Zielsetzung, aber in ihren Strategien, Taktiken und Methoden. Der transnationale Terrorismus hat eine eigene Zielsetzung und stellt eine Perfektionierung der Internationalisierung dar. Er verfügt über Organi­sationsstrukturen, eine Logistik und eine finanzielle Grundlage, die dem international agierenden Terrorismus weit überlegen sind.

  • Das Terrornetzwerk Al-Qaida verfügt z. B. über mehrere legale und illegale Finanzierungs­wege und wird zudem vorrangig von nicht­staatlichen Akteuren unterstützt. Es kann auf drei Einnahmequellen zugreifen: auf das Privatvermögen des Multimillionärs Bin Laden, auf Ein-nahmen aus legalen Geschäften und Spenden, auf zahlreiche ille­gale Quellen (kriminelle Ge­schäfte, Waffenhandel, Drogenschmug­gel usw.).

Die Erklärung des Westens als Gegner bzw. der Weltmacht USA als Haupt­feind entspricht einer von Al-Qaida und ihrem Anführer Bin Laden vertre­tenen globalen Konfliktlinie zwischen „Ungläubigen" und „Rechtgläubi­gen". Zu den „Ungläubigen" werden die USA, Israel, Europa, Russland und die Regime der meisten arabischen Staaten gerechnet, zu den „Recht­gläubigen" die islamistischen Bewegungen, mit Al-Qaida an der Spitze.

  • „Die Anweisung, Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und Militärs - zu töten, ist eine individuelle Pflicht für jeden Muslimen, der dies in jedem Land tun kann, in dem dies möglich ist..." (Bin Laden: Erklärung des Heiligen Krieges gegen Juden und Kreuz­fahrer vom 22.2. 1998; zitiert nach: Alexander/Swetnam, Usama bin Laden's al-Qaida, 2001, S. 2)

Mit der antiamerikanischen Ausrichtung hob der transnationale Terroris­mus die Unterschei­dung zwischen Zivilisten und Militärs, die bisher in den Terrorgruppen Berücksichtigung fand, auf. Der Kampf gegen die USA soll dabei von einer Internationalen Islamischen Front (World Isla-mic Front) geführt werden, der neben Al-Qaida verschiedene islamisti­sche Gruppierungen angehö­ren.

  • Al-Qaida unterhält nach Schätzungen zu Gruppen in etwa 55 Staaten Kontakte. Dazu zählen bereits seit Ende der 1980er-Jahre die beiden ägyptischen Organisationen Islamischer Dschihad und Islamische Gruppe. Sie hatten 1998 den Aufruf Bin Ladens zur Gründung einer World Islamic Front mitunterzeichnet und sind sowohl organisato­risch wie personell mit Al-Qaida weitgehend verschmolzen.

Im Unterschied zum internationalen Terrorismus, der über Koalitionen von eher heterogenen Gruppen agiert, bemüht sich der transnationale Terrorismus um eine möglichst homogene Anhän­gerschaft mit einheitli­cher Ideologie. Der Ideologie kommt dabei eine Doppelfunktion zu: Sie dient als Handlungsanleitung für den Einzelnen und sie ist verbindendes Element für die Mitglieder der transnationalen Gruppe.

  • Al-Qaida und Bin Laden vertreten eine globalisierte und besonders militante Version der Dschihad-Ideologie. Diese Ideologie lässt kei­nen Raum für Verhandlungen oder Kompromisse, die als Abwei­chung von der „reinen Lehre" betrachtet werden. Sie weist den Dschihad-Kämp­fern die „heilige Pflicht" zu, die bestehende „Ord­nung der Unwissenheit", die durch die Hege-monie der USA gekenn­zeichnet ist, zu zerstören und durch eine neue „islamische Ordnung" zu ersetzen - unabhängig davon, wie lange der dazu nötige Kampf dauert und welche Kosten er verursacht.

Der transnationale Terrorismus verfügt insgesamt über die Bereitschaft und die Fähigkeit, ein wesentlich höheres Zerstörungspotenzial einzu­setzen als der internationale Terrorismus. Er kal­kuliert auch wesentlich höhere Opferzahlen ein.

Texterläuterungen: Der Begriff Dschihad (= sich bemühen) hat im Islam eine doppelte Bedeu­-

tung: Er bezieht sich auf individuelle Anstrengungen um den Glauben („großer Dschihad“), und er bezeichnet die – auch gewaltsam geführte – Auseinandersetzung mit den „Ungläubigen“ („kleiner Dschihad“).

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