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11. September 2001

Der Anschlag auf das World Trade Center war Ausdruck des Terrors in neuer Dimension.

Dieser Anschlag - koordiniert mit einem Anschlag auf das Pentagon – unterscheidet sich von bisherigen Terrorakten in mehrfacher Hinsicht.

    • Der Terrorangriff erfolgte auf dem Territorium der USA. Das war der zweite Anschlag (nach dem Anschlag auf das World Trade Center 1993) überhaupt in diesem Land. In anderen Regio­nen der Welt finden seit Jahr­zehnten Terroranschläge statt.

    • Der Anschlag zeigte, über wel­ches ungeheuere Zerstörungs­potenzial Terroristen verfügen. Nie zuvor hat ein Terroranschlag so viele Tote gefordert und mehr ökonomische Schäden angerich­tet als dieser. Erstmals ging es offensichtlich nicht nur um ein Maxi­mum an zu erweckender weltweiter Aufmerksamkeit, sondern auch um ein Maximum an Opfern.

    • Umfang und Ausführung des Anschlags auf das World Trade Center si­multan mit dem Anschlag gegen das Pentagon waren nur auf der Grundlage einer langen Planungs- und Vorbereitungs­phase möglich (z. B. Flugpraxis). Das Risiko, durch Sicherheitsbehörden enttarnt zu werden oder die Aktion durch zu viele Mitwisser im Vorfeld zu gefähr­den, war deshalb extrem hoch. Es wurde beherrscht.

    • Erstmals wurden der Weltöffentlichkeit Live-Bilder von einem Terror­anschlag zugänglich ge­macht. Bis dahin wurden in den Medien nur die Folgen von Terrorakten dargestellt.

Der transnationale Terrorismus stellt die Terrorbekämpfung auf na­tionaler und internatio­naler Ebene vor neue Herausforderungen.

Strategien und Erfahrungen, die im Kampf gegen den Terror noch in den 1980er-Jahren angewendet wurden, sind infrage gestellt. Das transnati­onale Terrornetzwerk, die Vernetzung von Al-Qaida mit anderen lokalen Gruppen kann nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Viel­mehr ist eine internationale Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Ge­heimdiensten erforderlich. Eckpunkte stellen die Bekämpfung der Ter­rorfinanzierung, die Eindämmung des internationalen Waffenhandels und die Lösung von Regionalkonflikten, die den Aufbau terorristischer Strukturen begünstigen, dar.

Vor allem muss internationales Recht und damit die Rolle der Vereinten Nationen weiter-entwickelt und gestärkt werden.

Texterläuterung: Nach Schätzungen starben bei den Anschlägen auf das WTC und das Pentagon

am 11. September 2001 mehr als 3000 Menschen.

Die bis dahin höchsten Opferzahlen gab es, als fast zeitgleich Auto- und LKW-Bom­ben in Bombay detonierten (etwa 400 Tote, über 1000 Verletzte) und 1998 nach si-multanen Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania (257 Tote, über 5000 Verletzte).

(aus: Politik, Lehrbuch für die gymnasiale Oberstufe, 2009, S. 401-405)

Der islamistische Terrorismus

Islamistischer Terrorismus ist ein Terrorismus, der durch extremen religiösen Fanatis­mus vor dem Hintergrund islamistischer Ideologie motiviert ist. Islamistische Terro­risten berufen sich zur Rechtfertigung ihrer Aktionen auf die Grundlagen des Islams, auf den Koran und die Sunna, wobei diese dem Zweck entsprechend interpretiert werden.

Gewaltideologie „Dschihadismus"

Seit den 1980er-Jahren hat sich als neues ter­roristisches Phänomen die Gewaltideologie des „Dschihadismus" ausgebreitet, die ihre Wurzeln und Inspirationsquelle in der funda­mentalistischen Bewegung des Islamismus hat. Die Weltreligion Islam darf nicht mit Isla­mismus oder Dschihadis­mus gleichgesetzt werden, denn sie wird von diesen sektenarti­gen Minderheitenströmungen zur Le­gitimie­rung von Gewalt missbraucht. Der Islamis­mus entwickelte sich als totalitäre politische Ideo­logie im zeitgenössischen Islam. Muslimi­sche Rechtsgelehrte stellten sich die Frage nach der Ursa­che der seit dem Mittelalter zu­nehmenden westlichen Überlegenheit (auf politischem, wirtschaftli­chem, militärischem Gebiet) und nach den Ursachen des eigenen sozio-ökonomischen und politi­schen „Nie­dergangs".

Das neue islamistische Denken begann in den 1920er-Jahren in Ägypten und Indien. Das Fundament der heutigen Gewaltideolo­gie findet sich in den Schriften des ägypti­schen Grundschul-lehrers Sayyid Qutb (1906- 1966). Ihr zentraler Inhalt ist der Kampf gegen den Westen, die Ableh­nung seiner Werte und der kulturellen Moderne. Den Grund für den „Niedergang" der muslimi-schen Zivilisa­tion sieht Qutb darin, dass die muslimische Welt durch Übernahme westlicher Werte ihre religiöse Orientierung und damit ihre Entwicklungschancen verloren habe. Das aber könne ein rechtgläubiger Muslim nicht dulden. Daher müsse die (religiöse) „Wieder­erweckung" der islami­schen Länder in einem „Dschihad" durch eine Bewegung zurück zu den Wurzeln betrieben werden.

Der Glaubensbegriff des Dschihad geht auf koranische Suren zurück und wird oft falsch als „Heiliger Krieg" übersetzt. Vielmehr be­deutet er „Bemühung, Anstrengung, Streben". Traditionell wird zwischen dem „kleinen" und dem „großen Dschihad" unterschieden. Der große Dschihad be­zeichnet eine individuelle Anstrengung im Glauben, während der klei­ne Dschihad für eine gemein­same Anstren­gung zur Verteidigung des eigenen Glaubens steht. Qutb, der den Dschihad-Begriff selek­tiv und missbräuchlich verwendet, sieht eine derartige Verteidigung mit Gewalt als erfor­der­lich an. (...)

Das „3-2-1-Modell“

Die Ideologie des gewaltsamen Dschihad lässt sich zu einem „3-2-1-Modell" zusam­men­fassen, das heute fast allen Terroranschlä­gen dieser Richtung zugrunde liegt. Es geht von drei Fein­den, zwei Angriffsarten und dem „Dschihad" als Verteidigungsmaßnahme aus:

    • Die Feinde sind: „die Kreuzfahrer" (westlich-christliche Staaten), „die Juden" (der Staat Israel)

und „die Handlanger" (dieje­nigen muslimischen Regierungen, die Er­füllungsgehilfen westlicher

Unterdrückung seien). Diese drei Feinde hätten die Unter­legenheit und Unterdrückung der mus-

li­mischen Welt zu verantworten. Darüber hinaus würden sie auch eine Gegenbewe­gung der

„wahren Muslime" niemals zulas­sen, da dies ihren Interessen zuwiderlaufe.

    • Den Feinden werden zwei Angriffsarten unterstellt: Zum einen besetzten sie mit ihren Soldaten

muslimische Länder und unterdrückten die Bevölkerung (physi­scher Angriff). Zum anderen

übertrügen sie ihre Werte und Verhaltensmuster auf muslimische Staaten und unterdrückten da-

mit deren einheimische Kultur (psychi­scher Angriff).

    • Zur Verteidigung gegen die Feinde und ihre Angriffe sei eine gemeinsame An­strengung (Dschi-had) erforderlich: zum einen in den „besetzten Regionen" (Län­dern) durch Kampf, zum anderen im Her­zen der Feinde durch Anschläge („Nadel­stichtaktik").

Nach diesem Modell müssen aus dem ge­samten Bereich der muslimischen Welt (Umma) freiwillige Kämpfer zum Dschihad zusammengeführt werden, um als dschihadistische Elite ihrer vermeintlich religiösen Pflicht nachzukommen. Solche internationa­len Kämpfer werden als Mudschahedin be­zeichnet.

Der Dschihad-Kampf wird als Weg gesehen, an dessen Ende eine neue, fundamentalisti­sche Politik-, Wirtschafts- und Gesellschafts­ordnung stehen soll. Vorbilder einer derartigen Ordnung sind im religiösen Sinne die Ord­nung zu Zeiten des Propheten Mohammed sowie in der heutigen Zeit das Regime der Ta­liban („Studierende des Islam") in Afghanistan in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre. (...) Ihren Aufrufen zum Kampf folgten zudem Tausende aus den muslimischen Staaten und der Diaspora weltweit. Gemein­sam mit Ayman al-Zawahiri gründeten sie eine Dienst-leis­tungsorganisation (Provider), die für die Mudschahedin Aus­bildung, Logistik und Waffen anbot und Geld bereitstellte. Sie nannte sich „Al Qaida" und verstand sich als die kleine Elite (Avant­garde) im Sinne Azzams, die voranschreitet. Zermürbt von steigenden Opferzahlen und explodie­renden Kosten zo­gen die Sowjets nach fast zehn Jahren Krieg 1989 aus Afghanis­tan ab.

Die Dschihadisten zogen fol­gende Schlussfolgerungen: Wo immer Muslime nach Dschi­ha­disten-Sicht unterdrückt und bedroht sowie ihre Länder besetzt werden, lohnt sich ein Dschihad. Der Preis für den Gegner kann so in die Höhe getrieben werden, dass er ihn schließlich nicht mehr bezahlen will oder kann.

Der Islam

Der Islam versteht sich als die Religion der Unterwerfung unter den souveränen Willen Got-tes. Er gründet zum einen auf dem Koran, der für den gläubi­gen Muslim die göttliche Offenbarung enthält, und zum anderen auf dem verbindlichen und vorbildlichen Weg des Verkünders des Islam, Mohammed (der so genannten sunna). Endlich bildet die Scharia, das re­ligiöse Gesetz, in allen Bereichen des Lebens die zu befolgende Richt­schnur.

Die Gemeinschaft der Muslime versteht sich nicht nur als Kern des isla­mischen Staates, son-dern auch als Vorbild der gesamten menschlichen Gesellschaft. So haben die Muslime sich dafür einzusetzen, ihren Glau­ben zu verkünden und sich die Oberhoheit in aller Welt zu verschaffen (Koran, Sure 9,33). Dieser Einsatz (dschihad) gilt zunächst dem Schutz der islamischen Gebiete gegen die Übergriffe und Gefahren von jeder Seite (vgl. 5,57; 9,23). Darüber hinaus soll der Macht­bereich ausgedehnt werden, notfalls, so die klassische Lehre im Mittelalter, mit den Mitteln des bewaffneten Kampfes. Diese Pflicht obliegt der Gemeinschaft als sol­cher und hört erst auf, wenn alle Menschen den islamischen Glauben an­genommen oder sich dem islamischen Staat unterworfen haben.

Heute teilen sich die muslimischen Gelehrten in Bezug auf den dschihad in zwei Lager. Die einen wollen den kämpferischen Charakter dieses Ein­satzes nach dem Vorbild des Mittelalters wie­der lebendig machen. Die anderen legen den Akzent eher auf den Frieden als eigentlicher Zweck des Einsatzes der Muslime für die Sache des Glaubens (vgl. 8,61; 4,90,94). Bereits im Mittelalter fand eine Uminterpretation des dschihad- Begriffes statt. Theologen und geistliche Lehrer meinten damals, dass der Einsatz für die Sache des Islam hauptsächlich im Inneren der Gläu­bigen selbst und innerhalb der Gemeinschaft zu erfolgen habe, durch Unterbindung des Bösen und Unterstützung des Guten, Bemühen um Wohltätigkeit und soziale Arbeit. Nach außen hin sollen die Verkündi­gung und die politischen Anstrengungen den bewaffneten Kampf erset­zen, es sei denn, das islamische Gebiet werde angegriffen oder gerate in Gefahr. [...]

Obwohl die Muslime eine Einheit aufgrund ihrer Religion bilden, ist die Islamische Welt vielfältig differenziert: religiös durch Konfessionen und Sekten; durch unterschiedlichen Anteil an der Bevölkerung eines Gebie­tes; durch unterschiedliche Auffassung zum Verhältnis von Politik und Religion.

Die Islamische Welt ist, auch als Ergebnis historischer Entwicklungen, kein einheitlicher Block. Zwar gibt es übergreifende Zusammenhänge und Bewegungen sowie gemeinsame Grundla­gen; aber jeder islamische Staat hat sein eigenes Profil. [...]

Die politisch-religiöse Differenzierung ergibt sich vor allem aus den un­terschiedlichen Auf­fassungen über das Verhältnis von Politik und Reli­gion - in der islamischen Lehre sind beide ja eng verknüpft. Laizismus (radikale Trennung von Politik und Religion) und Fundamentalismus (radi-kale Einheit von Politik und Religion) sind die Extreme.

Der Islamismus

Islamismus (arabisch islamiyya) ist der Uberbegriff für verschiedene ideologische Strömun-gen, von denen nur wenige gewaltbereit sind. Oft wird er mit „Fundamentalismus" gleichgesetzt, wobei Letzteres eine christliche, nicht unbedingt übertragbare Definition ist (s.u.). Der Islamismus als politische Ideologie entwickelte sich innerhalb einer breiten Bevölkerung, als in den Sechziger- und vor allem Siebzigerjahren der arabische Nationalismus scheiterte. Dazu kamen der soziale, kul-turelle und ökonomische Verfall vieler islamischer Staaten, rapide Urbanisie­rung [Verstädterung] und Arbeitslosigkeit, aus denen ein Minderwertig­keitskomplex gegenüber dem Westen und seinen Errungenschaften re­sultierte.

[...] Islamisten teilen die Vorstellung, dass die islamische Welt sich aus Ungerechtigkeit und Armut nur erheben kann, wenn die Muslime zur ursprünglichen, reinen Gesellschaftsform des „Gol­denen Zeitalters" des Propheten zurückkehren. Sie erkennen die Trennung zwischen Staat und Re­ligion nicht an und verlangen die volle Anwendung des islamischen Gesetzeswerks der Scharia.

In dieser „is­lamischen Ordnung" sollen alle Lebensberei­che so gestaltet sein, wie es von Gott durch den Koran und das Vorbild des Propheten und der frühen Gemeinde (Sunna) verbind­lich vorgegeben sei.

Militante Islamisten glauben sich legitimiert, die „islamische Ordnung" mit Gewalt durch­zusetzen. Sie beziehen sich dabei auf die im Koran enthaltene Aufforderung zum „Dschi­had" (...), die sie – abweichend von anderen Muslimen – als heilige Pflicht zum unablässi­gen Krieg gegen alle „Feinde" des Islams so­wohl in muslimischen als auch in nichtmus­limischen Ländern ansehen.

(Kai Hirschmann: Internationaler Terrorismus; in: Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert, Infor­ma­tionen zur politischen Bildung Bonn, Heft 297, 7.8.2006

Der Fundamentalismus

Unter Fundamentalismus versteht man den Missbrauch der Religion für politische Zwecke - dementsprechend gibt es auch einen christ­lichen, jüdischen, hinduistischen Fundamentalismus. Der islamische Fundamentalismus zielt auf die Errichtung eines Gottesstaates mit dem Anspruch auf Universalität [weltweite Geltung]. Es handelt sich um ei­ne totalitäre Ideologie im Kampf der Zivi-lisationen, die sich speziell ge­gen westliche Vorstellungen richtet. Dem Westen werfen die Funda­men­talisten moralischen Verfall und Orientierungslosigkeit vor. Sie wollen demgegenüber eine klare Orientierung durch den radikalen Rückgriff auf den Ur-Islam, die genaue Befolgung der Vor­schriften und wortwört­liche Erfüllung der Glaubenssätze, verordnen.

Größere oder kleinere fundamentalistische Gruppierungen gibt es in den meisten islami­schen Staaten als Opposition, ebenso unter den Muslimen in nicht-islamischen Staaten.

Der Extremismus

Nicht alle islamistischen oder fundamentalistischen Gruppen sind zu schrankenloser Gewalt bereit. Die Extremisten als militante Muslime sind überhaupt nur scheinbar religiös motiviert; sie berufen sich zwar auf den Koran, was aber auch von gläubigen Muslimen als unecht verurteilt wird. Zahlreiche ex­tremistische Gruppen sind von einem deutlichen Defizit an differenzierter Aussage geprägt, weshalb gemäßigte Muslime bestreiten, dass die Extremis­ten in Ubereinstimmung mit dem Koran und der rechten islamischen Lehre handeln. Oftmals spalten sich radikale Gruppen von einer Bewegung ab, wenn sie pragmatisch oder reformverdächtig wird. Deshalb tauchen bei terroristi­schen Anschlägen im­mer wieder zuvor unbekannte Gruppen auf.

(Kai Hirschmann: Internationaler Terrorismus; in: Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert, Infor­ma­tionen zur politischen Bildung Bonn, Heft 297, 7.8.2006

Aufgaben

  1. Erläutern Sie die Gefährlichkeit des internationalen Terrorismus, der auf Dschihadismus und Islamismus beruht.

  2. Analysieren Sie die Bestandteile der dschihadistischen Ideologie mithilfe sozio­logischer Begrif-fe. Inwiefern bzw. an welchen Stellen muss diese Ideologie als verbrecherisch gekennzeichnet werden?

  3. Vergleichen Sie Islamismus und Islam.

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