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1. Pädagogik. Psychologie

Text 1

Sozialformen: Gruppenarbeit

Unter Sozialarbeit werden alle Arten der Zusammenarbeit der Schüler verstanden, die der zielbewussten und geordneten Bearbeitung und Lösung von schulfachlichen Aufgaben dienen. Sie können vom Lehrer gestellt werden oder sich aus Verabredungen im Rahmen eines Vorhabens ergeben. Sie organisieren den Lehr-und Lernprozess aus sozialer Sicht, d.h. der Art der Gruppierung von Lehrern und Schülern. Es werden die folgenden Sozialformen unterschieden: Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Partnerarbeit und Einzelarbeit.

Vorteile der Gruppenarbeit sind folgende:

1.Individuell unterschiedliche Zugänge nutzen verschiedene Lerntypen, Lernzustände und Dispositionen.

2.In der Gruppe laufen bestimmte Phasen fruchtbarer und lebhafter ab.

3.Höhere Aktivität, intensivere Beteiligung am Unterrichtsgeschehen, gröβere Interaktionschancen, bessere Motivation und Selbständigkeit, gemeinsame kreative Arbeit.

4.Werte und Normen der Gruppe werden wichtiger als eigene.

Ziele von Gruppenarbeit im Bereich des sozialen Lernens sind:

Ingangsetzung

interaktiver

Prozesse;

Erhöhung der Sprech-und

Handlungsbereitschaft

der Schüler im

Unterricht;

stärkere Beteiligung

schwächerer Schüler;

Lernen der

Schüler

von und miteinander besonders bei

problemlösenden Handlungen.

 

 

 

Gruppendynamische Umstände:

 

 

mindestens zwei Personen, aber nicht zu groβ (sie arbeiten einheitlich und handeln miteinander);

Rollen und Teilfunktionen im Laufe des Zusammenwirkens stabil, aber auch flexibel wachsen lassen;

Entwicklung eines WIRGefühls (Zusammengehörigkeitsgefühl) und der Erfahrung wechselseitiger Anhängigkeit (Interpendenz). So soll eine fruchtbare Gruppenidentität entstehen;

Herausbildung von Rollenverteilung, temporärer Statuspositionen und Arbeitszuteilungen (Möglichkeit der Neuformen);

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– Binnengliederung innerhalb der Gruppe, aber Einheitlichkeit gegenüber anderer Gruppen.

Voraussetzungen der Gruppenarbeit sind folgende: fachlicher Erziehungsprozess, in dem die Lehrer bereits im Anfangsunterricht durch Erfahrung eigene Leistungen in Partneroder Gruppenarbeit einschätzen lernen; Leistungen als Erfolge erkennen; durch Ermunterung durch andere Schüler und den Lehrer die Bedeutung ihrer Beiträge für sich selbst und gemeinsame Lernergebnisse sehen.

Texterläuterungen:

die Ingangsetzung – приведение в действие

Binnengliederung innerhalb der Gruppe – разделение внутри группы

Text 2

Schularbeiten – jetzt nicht

Warum Hausaufgaben nicht an den Rand des Tages gehören

Immer wieder findet Timo Gründe, warum er JETZT noch nicht mit den Hausaufgaben beginnen kann: Nach dem Mittagessen ist er noch zu müde, kurze Zeit später steht sein Freund vor der Tür, und vor dem Fuβballtraining hat er keinen Wunsch, mit den Aufgaben anzufangen. Sitzt er abends endlich an seinem Schreibtisch, ist er müde und seine Mutter so gereizt, dass Aufregung und Streit schon vorprogrammiert sind.

Die wenigsten Kinder setzen sich am Nachmittag freiwillig oder gar voller Arbeitseifer an ihre Aufgaben. Dass sie nach einem anstrengenden und möglicherweise auch langweiligen Unterrichtsvormittag das Bedürfnis haben, sich auszutoben, zu spielen, Freunde zu treffen, fernzusehen, am Computer zu spielen oder einfach nur zu faulenzen, ist nur allzu verständlich.

Pause – ja, hinauszögern – nein!

Etwas ganz anderes ist es, wenn der Arbeitsbeginn immer wieder hinausgezögert wird; das ständige Aufschieben auf SPÄTER belastet nur unnötig. Hausaufgaben erfordern ein gewisses Maβ an Selbstdisziplin, und die sollten Eltern fördern. Bitten Sie den Kindern praktische Hilfen, damit die Hausaufgabenzeit so erträglich wie möglich wird.

Grundsätzlich sollten Kinder selbst über den Arbeitsbeginn entscheiden dürfen; gewisse Rahmenbedingungen müssen aber beachtet werden. Hausaufgaben

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vor dem Schlafengehen sollten tabu sein. Abends lässt die Konzentrationsfähigkeit nach und die Kinder wie Eltern regen sich leichter auf; einem erholsamen Schlaf ist das nicht zuträglich.

Der Biorhytmus gibt die Zeit vor

Die beste Zeit zum Lernen ist etwa 90 Minuten nach dem Essen. So lange ist der Körper mit der Verdauung der Nahrung beschäftigt. Etwa zwischen 15 und 17 Uhr erreicht der Biorhytmus der meisten Menschen einen Höhepunkt. Lassen Sie Ihr Kind selbst herausfinden, wann für es die beste Hausaufgabenzeit ist. Vielleicht stellt sich sogar heraus, dass es am besten gleich nach dem Mittagessen beginnt. Manchmal Kind fällt es leichter, sofort alle Arbeiten zu erledigen als später das Spielen unterbrechen zu müssen.

Natürlich hängt der Zeitpunkt auch von den nachmittäglichen Aktivitäten ab. Erstellen Sie zusammen mit Ihrem Kind einen Wochenplan, in den sämtliche Nachmittagstermine eingetragen werden. Diese Zeiten sind verbindlich, und auch die Freunde Ihres Kindes sollten sie kennen. Hält sich der eine oder der andere nicht daran, ist das kein Grund, die Arbeit aufzuschieben. «JETZT mache ich Hausaufgaben!» und «Melde dich SPÄTER noch einmal!» sind Sätze, die jedes Kind lernen kann

Hannelore Bares, Spielen und Lernen

Texterläuterungen:

voller Arbeitseifer - полный рвения трудиться sich austoben – шуметь

nachlassen снижаться

hinauszögern – оттягивать (отсрочивать)

Text 3

Schulanfang – (k)ein Problem

Der erste Schultag des Kindes rückt näher. Einerseits tut es gut, die Vorfreude auf den Schulbeginn mitzuerleben, andererseits wissen Eltern, wie schnell sich alles ändern kann, wenn der Schulalltag erst einmal begonnen hat. Schon wenn sie daran denken, beschleicht sie ein Gefühl! Was erwartet mein Kind in der Schule? Kann er so lange still sitzen? Wird es sich mit der Lehrerin verstehen und sich in der Schule wohl fühlen? Wird es auch gut lernen?

Viele Elternfragen können schon im Vorfeld beantwortet werden. In den meisten Grundschulen findet der erste Elternabend daher bereits vor der

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Einschulung statt. So haben die Eltern frühzeitig Gelegenheit, die Lehrerin ihres Kindes kennen zu lernen, Grundsätzliches über die Arbeit im ersten Schuljahr zu erfahren und auch mit den anderen Eltern ins Gespräch zu kommen. Ein solches Angebot kann helfen, Ängste abzubauen und den Grundstein zu legen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule.

Beim Besuch der Schule werden die Eltern feststellen, dass es in den Klassenräumen heute ganz anders aussieht als früher; sie sind oft sehr wohnlich gestaltet, bieten den Kindern mehr Bewegungsmöglichkeiten. Oft steht den Kindern ein groβes Angebot an Büchern und Materialien zur Verfügung, die zu selbständigem Arbeiten anregen.

Die veränderte Gestaltung der Räume lässt vermuten: Hier wird anders gelernt, als die Eltern das aus ihrer eigenen Schulzeit kennen. Und oft ist auch das etwas, was verunsichert. Verständlich! Wer selbst gelernt hat, dass man in der Schule still auf seinem Platz sitzt und nach vorne an die Tafel oder zur Lehrerin schaut, wird schnell nachvollziehen können, warum das in vielen Grundschulen heute nicht mehr gelten soll. Die Ergebnisse lernbiologischer Forschung belegen eindeutlich, dass Bewegungsund Sinneserfahrungen beim Lernen eine groβe Rolle spielen: Je mehr Sinne am Lernprozess beteiligt sind, desto besser lernen wir und desto mehr behalten wir auch.

Unser Gedächtnis speichert nur zehn Prozent dessen, was wir lesen, 20 Prozent der Informationen, die wir hören, und 30 Prozent von dem, was wir sehen. Nehmen wir Informationen über Auge und Ohr gleichzeitig auf, behalten wir immerhin die Hälfte davon, also 50 Prozent. Viel höher ist die Speicherkapazität unseres Gedächtnisses jedoch, wenn wir selbst aktiv werden: Durch eigenes Sprechen behalten wir 80 Prozent, durch eigenes Tun sogar 90 Prozent. Deshalb ist es sehr gut, wenn den Kindern heute in der Schule nicht nur mehr Bewegungsfreiheit zugestanden sondern ihnen auch immer wieder handelndes Lernen ermöglicht wird. Ziel des Unterrichts soll schlieβlich nicht sein, die Schulbücher Seite für Seite «abzuarbeiten», sondern den Kindern Erfahrungen zu ermöglichen, die ihnen helfen, Neues zu lernen. Eine Schule, in der nur über Auge und Ohr gearbeitet wird, kann dieser Aufgabe nicht gerecht werden.

Texterläuterungen:

lässt vermuten – позволяет предположить die Gestaltung – оформление

behalten – запоминать

die Bewegungsfreiheit zustehen – обеспечить свободу движений 136

der Aufgabe nicht gerecht werden – не удовлетворять задаче

Text 4 Lernziele der ersten Klasse

Bei der Berücksichtigung des individuellen Lerntempos und Leistungsvermögens sind selbstverständlich die Forderungen der Lehrpläne. Aufgabe der Schule bleibt es weiterhin, die Kinder an die in den Lehrplänen festgelegten Ziele der einzelnen Lernbereiche heranzuführen.

Rechnen in der ersten Klasse

Im mathematischen Bereich soll erreicht werden, dass die Kinder

– einen Zahlbegriff – also eine Vorstellung von der Bedeutung der einzelnen Zahlen – entwickeln

im Zahlenraum bis 20 sicher rechnen können

den Zahlenraum bis 100 in Zehnerschritten erweitern (10, 20, 30)

mit Geld rechnen können

geometrische Grunderfahrungen machen, die ihnen helfen, ein geometrisches Vorstellungsvermögen zu entwickeln

mathematisches Denken entwickeln.

Um diese Ziele zu erreichen, ist der handelnde Umgang mit konkretem Material erforderlich. Die Materialien, die hierzu eingesetzt werden, sind von Schule zu Schule unterschiedlich. Sie sollten dem einzelnen Kind in jedem Fall so lange belassen werden, wie es sie benötigt. Manchmal besteht bei Eltern (und auch bei Lehrern!) die Sorge, dass Kind lernt nicht richtig rechnen, wenn es die Aufgaben mit Hilfe von Material löst. Über die Veranschaulichung eines mathematischen Sachverhalts kann das Kind Lösungsstrategien entwickeln. Damit das Kind die Chance hat, mathematisches Denken zu entwickeln, ist es besser, ihm die Freiheit zu lassen, selbst die Strategie zu finden, statt ihm Lösungsmuster vorzugeben, die es rein mechanisch nachahmt.

Schreiben und Lesen

Im sprachlichen Bereich lernen die Kinder im ersten Schuljahr unter anderem:

die unterschiedlichen Laute der deutschen Sprache und die zugehörigen Buchstaben bzw. Buchstabenverbindungen (sch, au ...) kennen

Wörter und die Abfolge ihrer Laute abzuhören

Wörter und Sätze entsprechend der abgehörten Laute aufzuschreiben

einfache Wörter und Texte zu lesen

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einfache Wörter und Texte abzuschreiben

zu erzählen und zuzuhören.

Gelesen und geschrieben wird zunächst meist in Druckschrift; schließlich ist das die Schrift, die den Kindern überall in ihrer Umwelt begegnet. Zudem ist sie klar gegliedert und damit leichter zu lesen und zu schreiben als eine verbundene Schrift.

Eltern sollten sich nicht wundern, wenn ihr Kind viele Wörter falsch schreibt. Wörter und Sätze schreibt das Kind zunächst lauttreu auf, d. h. so, wie es sie hört. Lautgetreues Schreiben stellt hohe Anforderungen an das Kind, ist eine ganz bedeutende Stufe im Schreiblernprozess und damit eine wichtige Vorstufe zum regelgerechten Schreiben.

Im ersten Schuljahr lernt das Kind aber nicht nur das Lesen, Schreiben und Rechnen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Einübung des sozialen Verhaltens. Die vielen Individuen, die in einer Schulklasse zusammengefasst sind, können nur dann zu einer Gruppe zusammenwachsen, wenn gewisse Regeln beachtet werden. Damit die Kinder diese Regeln wirklich begreifen und zur Mitverantwortung erzogen werden können, muss viel Zeit für das gemeinsame Gespräch bleiben. In vielen Schulen gehört daher der tägliche Morgenkreis zum festen Bestandteil des Unterrichts.

Texterläuterungen:

das Leistungsvermögen – работоспособность

das Vorstellungsvermögen – пространственное воображение eingesetzt werden – применяются

die Veranschaulichung eines mathematischen Sachverhalts – наглядность математического значения

der Buchstabe – буква

lautgetreues Schreiben – фонематическое письмо

Text 5

Kinder wollen Spielräume

Susanne Wiesmann erforscht als Diplompsychologin seit vielen Jahren den Alltag von Kindern, Jugendlichen und Familien und hat das Institut wiesmann forschen & beraten gegründet.

Kinder wollen Freiräume: Plätze ohne Verbote, Spiele ohne Vorgaben, Stunden ohne Aufgaben. Kinder verstehen die Welt, wenn sie experimentieren. Dabei bekommen Sie ihre Erfahrungen, machen aus traurigen Erlebnissen tolle

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Geschichten und manchmal aus Erlittenem heroische Taten: «Ich bin der Pharao und meine Schwester ist die Dienerin. Ich muss alles tun, was ich will.» Tommi hat vor drei Jahren ein Schwesterchen bekommen. Er sollte der verständnisvolle Große sein, fühlte sich aber entthront. Aber dieses Gefühl durfte er nicht zeigen. So lebt er im Rollenspiel aus.

Die Spiele bringen die ganzen Dramen der kindlichen Erfahrungswelt zur Aufführung. Gerade damit haben Eltern und Erzieher oft Schwierigkeiten, sie orientieren sich am Ideal des gut gebildeten Mittelklassenkindes: die Kinder sollen sich nicht streiten, nicht aggressiv spielen, niemanden ausgrenzen und alles tollerieren. Obwohl die Kinder durchaus mitbekommen, dass sich die Eltern in Scheidungskriegen und die Lehrer in Teamstreitigkeiten aufreiben. Gerade in emotional schwierigen Situationen brauchen Kinder Freiräume, die ungestörte Spiele ermöglichen. Genau die fehlen aber in vielen Stadtvierteln, insbesondere den Hochhaussiedlungen, wo viele Kinder in finanziell schwierigen Verhältnissen wohnen: ein Drittel der Kinder lebt in einem «mehrfach risikobelasteten Wohnumfeld» ohne geeignete Spielflächen.

Als Fürsorge getarnt werden ungeliebte Spiele verhindert: Zimmertüren dürfen nicht geschlossen, Streitereien auf dem Schulhof nicht ausgetragen, besonders aggressive Vorlieben nicht ausgelebt werden. «Juliana hat neulich ihre ganzen Barbiepuppen durchs Zimmer geworfen. Da bin ich natürlich eingeschritten», erklärt ihre Mutter. «Das teure Spielzeug soll ja nicht kaputtgehen.» Aber ein wenig mulmig war ihr doch. «So aggressiv habe ich sie noch nie erlebt».

Da hat sie nachgefragt. Juliana hatte am Abend vorher einen Streit der Eltern mitbekommen, wie immer ging es um Geld und Besuchszeiten. Und sie hat sich als Streitobjekt gefühlt, ohne zu wissen, warum. Das hatte sie bis zum nächsten Tag mit sich herumgetragen – bis die Puppen flogen. «Da konnte ich Juliana gut verstehen, und eine kaputte Barbie ist mir lieber, als dass ihre Seele Schaden nimmt».

Aber manchmal wollen Kinder auch einfach unter sich sein und suchen Nischen, zu denen die Eltern keinen Zugang haben: PC-spiele, bei denen es um aggressives Durchkommen geht, Yu-Gi-Oh-Karten, bei denen ein Paralleluniversum errichtet wird, dessen komplexe Regeln Eltern nicht durchschauen.

Was Kindern wirklich wichtig ist: dass Eltern

mit ihnen die Alltagsaufgaben teilen, zusammen kochen und putzen;

mit ihnen gemeinsam das Zimmer aufräumen;

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die Freizeit mit den Kindern gestalten: Fuβball spielen, Fahrrad fahren, spielen;

Ideen zu den Kinderspielen beisteuern, aus dem Schuhkarton ein Bett, eine Garage etc. bauen;

sich für die Themen und Aufgaben der Kinder interessieren wie Freundschaften, Schule, sportliche Fortschritte;

klare Aufträge für den Tag und für die nächste Entwicklungsphase erteilen,

und nicht vergessen, für deren Erfüllung zu sorgen.

Spielen und Lernen, die Zeitschrift für Eltern und Kinder

Texterläuterungen:

ohne Vorgaben – без ограничения времени das Erlittene – потеря, поражение

der Pharao – фараон

zur Aufführung bringen – превратить в представление aufreiben– изматывать, трепать нервы

das risikobelastete Wohnumfeld – полный риска жилой район getarnt – скрытый, замаскированный

die Streitereien – непрерывные ссоры

ein wenig mulmig – немного дряни (скверного)

Text 6

Mit der Portfoliomethode den Unterricht verändern

Portfolios, wie sie von Künstlern und Architekten angelegt werden, können anhand von einigen ausgewählten Dokumenten Einblicke in das Können, den Arbeitsstil und die Entwicklung ihrer Autor(in) geben. Portfolios, die von Schülern angelegt werden, erhalten auch Reflexionen, eigene Beurteilungen und Ausblicke der Lernenden. Sie zielen darauf, sowohl die Lernergebnisse als auch den eigenen Lernprozess sichtbar und damit der Reflexion zugänglich zu machen, das eigene Lernen selbst steuern zu lernen. Das große Interesse, das dem Portfolio in der Schule seit über zwanzig Jahren international entgegengebracht wird, ist geknüpft an eine Doppelfunktion als innovatives Lehr-Lern-Instrument und alternatives Beurteilungsinstrument. Innovativ ist daran, dass mit Hilfe von Portfolios für alle Beteiligten ein tieferes Verständnis des Lernprozesses ermöglicht wird.

Ein Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen des Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung muss die Beteiligung des Lernenden

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an der Auswahl der Inhalte, der Kriterien für die Auswahl, Beurteiligungskriterien sowie Hinweise auf die Selbstreflexion des Schülers einschließen.

Hauptmerkmal von Portfolios ist ihre Reflexivität, d.h. das Portfolioarbeit schließt die Selbstreflexion der Lernenden ein. Portfolioarten können an Hand der Kategorien Zweck (wozu wird das Portfolio erstellt werden?), Inhalte (was kommt ins Portfolio hinein?) und Entscheidung (bei wem liegen die Entscheidungen?) charakterisiert werden.

Portfolioarbeit wird als sechsphasiger Prozess dargestellt. Das Portfolio dient der Reflexion, Steuerung und Dokumentation der Arbeit. Am Beginn des Projekts wird vereinbart, welchem Zweck das Portfolio dient, welche Ziele damit verfolgt werden, welchen Anforderungen es genügen soll, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, wer in das Portfolio Einsicht nehmen darf und wo es schließlich verbleiben wird.

Sechs Komponenten der Arbeit mit Portfolios: 1. Contextdefinition; 2. Collection; 3. Selection; 4. Reflection; 5. Projection; 6. Präsentation.

Beispiel der Zielformulierung eines Schülers, Klasse 7 (Gymnasium), Fach Englisch.

Mein Ziel: In diesem Portfolio werde ich meinen Lernweg bei der Erschließung des Themas «Rosenkriege in Großbritanien» zeigen. Ich möchte versuchen, das Thema verständlich, interessant und gut illustriert darzustellen. Es wäre schön, wenn ich meine Mitschüler bei der Präsentation für dieses Thema interessieren könnte. Deshalb werde ich versuchen, es verständlich darzustellen.

Portfolios sind so unterschiedlich wie die Schüler, die sie erstellen, und die Zwecke, denen sie dienen.

Texterläuterungen:

das Interesse entgegenbringen – проявлять интерес

ist an eine Doppelfunktion als innovatives Lehr-Lern-Instrument und …geknüpft

– ... связан с двойной функцией как инновативный инструмент преподавания и учения …

Einsicht nehmen – познакомиться, просмотреть

Text 7 Defektologie und ihre Arbeitsmethoden

Die Defektologie ist ein Gebiet der Wissenschaft, das sich mit anomalen Menschen und entsprechenden heilpädagogischen Maβnah-

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men und präventiven Maβnahmen befasst.

Die Defektologie als theoretische Grundlage der Bildung und Erziehung anomaler Kinder entwickelte sich im Rahmen der pädago-

gischen

Wissenschaften.

Ihre Entwicklung erfolgte

in

enger

Berüh-

rung

mit

den philosophischen,

naturwissenschaftlichen

und

pädago-

gischen

Grundlagen sowie mit allen anderen zum Kreis

der pädagogi-

schen

Wissenschaften

gerechneten

Wissenszweigen.

Die

objektiven

Gesetzmäβigkeiten in der Entwicklung defektiver Kinder erforschend,

ermittelt

die

Defektologie kompensatorische

Möglichkeiten

und

gibt

eine wissenschaftlich begründete pädagogische Typologie der

Kinder.

 

Wir haben zu fragen: Wer ist ein anomaler Mensch? Zu den de-

fektiven

Kindern

rechnen

wir

zum

Beispiel

Schwachsinnige,

Taub-

stumme,

Blinde,

Körperbehinderte, Sehschwäche,

Schwerhörige,

wei-

terhin die an chronischen Krankheiten leidenden Kinder.

 

 

 

 

Bei

vielen diesen Kindern handelt es sich um einen Organde-

fekt:

Labyrinthläsion,

Gehirnstörung

u. a.

Kann

man

aber

sagen,

dass ein

Mensch,

der seine Zähne verloren hat,

dadurch defektiv ge-

worden ist?

Ein

Organdefekt

genügt

also nicht,

um einen

Menschen

als defektiv zu bezeichnen. Der defektive Mensch ist durch seine Defektivität, d. h. durch die Störung der Beziehungen zur menschlichen Gesellschaft, zur Erziehung, Bildung und Arbeit gekennzeichnet. Defektivität ist sowohl durch biologische, als auch durch soziale Faktoren zu verursachen, jedoch nur dann, wenn eine Änderung der psychischen Gesamtstruktur eintritt.

Der menschliche Organismus zeichnet sich durch große Adaptationsfähigkeit aus. Darauf beruht der pädagogische Optimismus in der Defektologie. Man unterscheidet Psychopädie, Logopädie, Ophtal-

mopädie,

Somatopädie. Die Arbeit richtet sich

nicht

nur nach dem

Тур, sondern auch nach dem Grad der Organoder Funktionsdefekte.

 

 

 

Die Methoden der Betreuung der Defektiven waren auf den

ein-

zelnen

Entwicklungsstufen

der

Gesellschaft

unterschiedlich.

Die

Re-

habilitation

umfasst

alle

heilpädagogischen Maβnahmen,

die

zur

Be-

seitigung

der Defektivität führen konnten. Zur

Rehabilitation

dienen

zwei heilpädagogische

Methoden:

Kompensation

und

Reduktion.

Die

Kompensation

versucht,

die

gestörte

Funktion

 

durch

eine

andere

zu

ersetzen.

 

Die

Reduktion

ist

 

eine heilpädagogische Methode,

 

die

die

gestörte

Funktion zu

bessern

versucht.

Beide

Methoden sind

auf

die

 

 

 

 

 

 

 

142

 

 

 

 

 

 

 

gestörten Funktionen gerichtet und bilden Vorbereitungen für die Rehabilitation, die durch sie ermöglicht wird.

Das dritte Stadium der Betreuung ist die Prävention. Hier handelt es sich um Verhütung der Defekte und Defektivität. Die Verhütung der Defekte ist eine medizinische Aufgabe, soweit es sich um Organdefekte handelt. Die Prävention ist zum größten Teil eine sozialpädagogische Aufgabe: man verändert das soziale Milieu des geschädigten Menschen durch wirksame medizinische und pädagogische Maβnahmen.

Texterläuterungen:

ermittelt kompensatorische Möglichkeiten — находит (раскрывает)

возможность компенсации

der Körperbehinderte — человек с физическим недостатком die Labyrinthläsion — лабиринтит, поражение внутреннего уха die Adaptationsfähigkeit — способность к адаптации

die Ophtalmopädie — офтальмология, наука о лечении глаза

die Somatopädie — соматопедия, наука о лечении людей с физическими недостатками

die Reduktion — вправление

die Prävention — предупреждение, профилактика das Milieu — среда, обстановка

Text 8 Angst beim Lernen

Psychologen und andere Fachleute wissen aus ihrer täglichen Arbeit, dass es viele Dinge gibt, vor denen Lernende Angst haben: vor Hausaufgaben und Prüfungen, einzelnen Fächern, manchen Lehrerinnen oder Lehrern, vor einer schlechten Note, aber auch davor, unvorbereitet etwas gefragt zu werden oder dass ihnen bei einer Aufgabe plötzlich nichts mehr einfällt oder dass sie zu wenig Zeit zum Lernen haben.

Das Wichtigste im Umgang mit der Angst ist dass man nicht versucht, vor ihr davonzulaufen. Es ist nämlich eine typische Eigenschaft der Angst, dass sie sich nach kurzer Zeit wieder lautlos in unsere Gedanken schleicht, ob wir es wollen oder nicht! Das ist so wie mit Zahnschmerzen: Man kann zwar ein Pulver nehmen, aber irgendwann klingt dann die Wirkung des Pulvers ab und der Schmerz ist wieder da. Gegen die Angst gibt es aber kein Pulver! Beim

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Zahnschmerz ist es ganz klar: Man muss die Ursache beseitigen, also den kaputten Zahn reparieren lassen. Das ist aber viel einfacher, als die Ursachen einer Angst zu beseitigen.

Wenn man vor einem Gegenstand oder einer Aufgabe Angst hat, dann denkt man, dass man nichts dagegen unternehmen kann. So kommt zur Angst häufig das Gefühl der Hilfslosigkeit hinzu. Das führt dazu, dass man darauf verzichtet, etwas gegen diese Situation zu unternehmen, und sich so in sein vermeintliches Schicksal ergibt.

Wir haben aber nur dann Aussicht auf Erfolg, etwas gegen unsere Angst zu unternehmen, wenn wir uns bewusst mit ihr beschäftigen, auch wenn das zunächst unangenehm ist. Entscheidend ist dabei, dass wir selber auf die Angst zugehen und nicht warten, bis sie uns einholt! Werden Ängste zu groß, dann sollten wir überlegen, wer uns helfen kann, etwas dagegen zu unternehmen.

Ein großer Teil jeder Angst ist nähmlich das Gefühl, allein gegen einen übermächtigen Gegner zu stehen. Wenn man mit jemandem über seine Angst spricht, dann kann das erleichtert sein und man kann hoffen einen Verbündeten zu finden. Das kann ein Freund oder eine Freundin sein, der Vater oder die Mutter, eine Lehrerin oder ein Lehrer, aber auch ein Stofftier tut es zur Not. Mit einem Verbündeten kann man leichter Möglichkeiten und Wege finden, es in Zukunft gar nicht erst so weit kommen zu lassen, dass man von der Angst überwältigt wird.

Vielleicht ist es eine bessere Lernplanung oder ein Gespräch mit dem Lehrer eine Chance, vielleicht hilft eine Liste der Dinge, die man unternehmen kann, damit gar nicht in die Lage kommt, Angst vor einem Prüfungstermin zu bekommen. Auf dem Papier liest sich das alles natürlich viel einfacher, als es ist!

Psychologen wissen aber auch: Jeder Mensch hat Ängste – sie gehören gewissermassen zum Menschen dazu. Ängste sind grundsätzlich nichts Schlechtes, sie lassen Menschen über sich selbst hinauswachsen und treiben sie an, mehr zu leisten. Angst ist wie Fieber oder Schmerz ein Signal, zwar unangenehm, aber lebensnotwendig. Wir sollten Ängsten daher von Beginn an nicht ausweichen, sondern versuchen, Gegenkräfte zu entwickeln: Mut, Vertrauen, Hoffnung.

Texterläuterungen:

es fällt j -m nichts mehr ein – ничего больше не приходит в голову кому -л schleichen – прокрадываться

verzichten auf Akk. – отказываться vermeintlich – предполагаемый einholen – достать

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der Verbündete – союзник zur Not – на худой конец

аusweichen – избегать, отступать

Text 9

Plötzlich ohne Job: Jeder bewältigt’s anders

Arbeitslosigkeit und die individuellen psychischen Folgen

Immer mehr Menschen leiden unter dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Denn Arbeit befriedigt eine Reihe psychosozialer Bedürfnisse.

Aktivität und Kompetenz: Wer arbeitet, muss aktiv sein. Wer aktiv ist, lernt dazu, qualifiziert sich weiter und wird kompetent. Arbeitslose dagegen sind zur Passivität verurteilt und können daher auch nicht die Erfahrung machen, kompetent zu sein.

Zeitstrukturierung: Die Arbeit teilt unseren Tagesablauf ein, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Sie bildet den Rahmen für Freizeit und Urlaub, für Ruhe und Muβe. Wer arbeitet, muss sich keine Gedanke darüber machen, wie er die Zeit verbringt. Arbeitslosen dagegen fehlt diese Einteilung. Sie haben zu viel Freizeit.

Kooperation und Kontakt: Wer arbeitet, muss mit anderen auskommen. Dadurch ergeben sich viele soziale Kontakte, die fallen während der Arbeitslosigkeit weg.

Soziale Anerkennung: Arbeit hat in unserer Leistungsgesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Wer arbeitet, bekommt vermittelt, dass er etwas Sinnvolles tut. Arbeitslose entbehren diese Anerkennung.

Persönliche Identität: Die Erfahrung, im Arbeitsleben zu bestehen, ausreichende Fähigkeiten zu haben und sich vielleicht sogar beruflich weiterzuentwickeln, stärkt das Selbstwertgefühl. Wer nicht arbeitet, fühlt sich schnell minderwertig.

Wie nur der einzelne die Arbeitslosigkeit bewältigt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: von seiner Einstellung zur Arbeit, der Bewertung der eigenen Arbeitslosigkeit. Eine große Rolle spielt außerdem, welche soziale Unterstützung der Arbeitslose bekommt, zum Beispiel von der Familie oder den Nachbarn, und wie seine Rolle in der Familie definiert ist: Ist er Alleinverdiener, bedeutet die Arbeitslosigkeit zusätzlich Statusverlust.

Wenn man diese Kriterien berücksichtigt, wird klar, dass Menschen sich unterschiedlich auf den plötzlichen Jobverlust reagieren. Da es kein einheitliches Bild von «dem Arbeitslosen» gibt, können die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit

laut Psychologen nur relativ allgemein beschrieben werden. Die klassischen vier 145

Phasen – Schock, Optimismus, Pessimismus und Anpassung an die Arbeitslosigkeit – erlebt nur jeder fünfte Arbeitslose.

Oft leiden Arbeitslose an psychischen Störungen. Es treten Gefühle von Unzufriedenheit, Hoffnungslosigkeit, Machtlosigkeit, Angst, Pessimismus, Antriebsschwierigkeiten und Hilfslosigkeit auf. Für junge Berufseinsteiger kann die Arbeitslosigkeit sogar eine regelrechte Sozialisationsbarriere darstellen.

Texterläuterungen:

Job – работа

die Leistungsgesellschaft – общество трудящихся людей bekommt vermittelt – осознает

entbehren – быть лишённым Alleinverdiener – единственный работающий

Text 10 Klassifizierung der Temperamente

Bereits im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt stellte Hippokrates folgende Klassifizierung, welche die Medizin bis in die heutige Zeit beeinflusste, auf. Darin werden von ihr Haupttypen berücksichtigt, denen wir täglich auf der Straße begegnen.

1. Der Blutreiche oder Sanguiniker

Er ist ein geselliger «Lebenskünstler», etwas oberflächlich, und stellt sich keine großen Fragen. Er ist wohlbeleibt und wird oft wegen seiner Korpulenz bestaunt. Er isst, trinkt und arbeitet oft zu viel, braucht Bewegung und Emotionen, ist voller Tatendrang. Er prahlt gern damit, nie einen Arzt zu brauchen. Wird er einmal krank, so braucht er vor allem beruhigt zu werden. Für Geisteskrankheiten ist der Blutreiche kaum veranlagt.

2. Der Griesgrämige oder Melancholiker

Er ist eindeutlich ungesellig, nervös und leicht erregbar. Ein stolzer Pessimist, der sich in sich zurückzieht. Der Körper ist mager, der Schädel gut entwickelt. Dieser Mensch stellt sich grundlegende, tiefgreifende Fragen und leidet an zahlreichen Nervenstörungen. Angstzustände und das geistige „Brüten“ sind an der Tagesordnung! Er neigt zu Verdrängungen und Komplexen, und sein Wachstum wird oft beeinträchtigt, so dass er in der Regel etwas schwächlich aussieht. Oft lebt er aber lange ein von Manie und Gewohnheiten eingeengtes Leben.

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3. Der Choleriker

Er ist jähzornig, äußerst empfindlich, aggressiv und kühn. Sein Körper ist groß und mager, sein Teint gelblich. Der Choleriker ist überhaupt nicht wehleidig. Dieser «Voluntarist» geht zum Arzt – wenn’s nicht anders geht. Es hat keinen Sinn, ihn beruhigen zu wollen: Er braucht Fakten, Mathematik und Logik! Deshalb befolgt er die angeordnete Behandlung mit absoluter Genauigkeit. Der Choleriker genießt in der Regel eine sehr gute Gesundheit, abgesehen von einer Veranlagung zu Verdauungsstörungen. Er lebt meistens viel länger als der Blutreiche.

4. Der Kaltblütige oder Phlegmatiker

Er sieht ruhig aus, ist dick und gar fettsüchtig, handelt langsam und ist meistens äußerst wehleidig. Beim geringsten Wehwechen glaubt er schon ein Fuß im Grab zu haben. Er ist auf Suggestion und Hypnose äußerst empfindlich.

Das wären also die vier großen Menschengruppen, wobei ein «reiner» Typ nur sehr selten anzutreffen ist. Es gilt daher die Mischtypen zu unterscheiden und eine Hierarchie der Temperamente aufzustellen.

Pierre Daco

Texterläuterungen:

das Brüten – размышление der Teint – цвет лица wehleidig – жалостливый

es hat keinen Sinn… – нет смысла…

abgesehen von einer Veranlagung zu Verdauugsstörungen – не смотря на склонность к нарушению пищеварения

beim geringsten Wehwechen – при незначительном недуге

Text 11

Der Weg in die Gewalt

Es müssen viele Faktoren zusammenkommen, ehe ein junger Mensch aggressiv und gewalttätig wird

Was ist die Ursache der Jugendgewalt? Sind die Medien schuldig? Die Eltern, die es an Fürsorge mangeln lassen? Versagt die Schule? All das und vieles mehr muss zusammenwirken, damit ein junger Mensch in die Aggression ein adäquates Verhalten sieht. Zu diesem Ergebnis kommt der Psychologe Friedrich Lösel in einer Studie, die er in Bayern für das Bundeskriminalamt durchführte. Die tatsächlich massiv aggressive Problemgruppe beschränkt sich danach auf etwa

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fünf Prozent der Jungen, insbesondere Hauptschüler. Für diese Problemgruppe gilt: Je mehr ungünstige Voraussetzungen zusammenkommen, desto größer ist die Gewaltbereitschaft.

Lösel nennt ein «Bündel» von Faktoren für später auffälliges Verhalten:

Biologische, biosoziale Risiken: Jungen sind gefährdeter als Mädchen. Erbanlagen und hormonelle Faktoren sowie ein geringes Erregungsniveau sind weitere Einflussgrößen.

Familiäre Risikofaktoren: Dazu gehören elterliche Konflikte, Armut, Kriminalität der Eltern. Aggressives Verhalten wird auch durch eine Erziehung begünstigt, die überstreng ist und sich bis hin zur Masshandlung steigern kann, oder lax und verwöhnend – die Kinder dürfen alles, werden kaum kontrolliert. Auch die inkonsistente Variante gehört dazu – dabei werden die Kinder einmal für «positives Verhalten“ gelobt und bei negativem sanktioniert, ein anderes Mal nicht.

Persönlichkeits-und Verhaltensrisiken: Hyperaktivität, eine erhöhte Risikobereitschaft und ein starkes Stimulierungsbedürfnis, Intelligenzund Sprachdefizite finden sich bei jungen Gewalttätern.

Schulische Risiken: Eltern aggressiver Kinder und Jugendlicher engagieren sich weniger für deren schulische Belange, hinzukommen oft ein ungünstiges Erziehungsklima in der Schule und Klasse.

Risiken in Peergroup: Aggressive Kinder haben wenige Freunde, bewegen sich bevorzugt in delinquenten Cliquen, fühlen sich von abweichenden Lebensstilen angezogen.

Risiken im Lebensstil: Alkoholmissbrauch und intensiver Konsum von Mediengewalt sind bei gewaltbereiten Jugendlichen häufig.

Risiken in der Nachbarschaft: Aggressive Jugendliche wachsen im Umfeld von Problemfamilien auf, die Nachbarschaft ist desorganisiert, und der Zugang zu Waffen ist erleichtert.

Als weiterer Risikofaktorenbereich gilt die Entwicklung der «sozialen Kognition». Dazu gehören die Einschätzung und Interpretation von Situationen sowie die darauf folgenden Handlungsmuster und deren Bewertung. Auf diese Wahrnehmungsprozesse, in denen die gebündelten Einflüsse ihren Ausdruck finden, konzentriert sich Lösel-Team in seiner aktuellen Studie «Soziale Kompetenz für Kinder und Familien». Die Erhebung, an der rund 700 Kindergartenkinder und ihre Eltern teilnehmen, bestätigt erneut, dass aggressives Verhalten schon früh in der Entwicklung als Handlungsschema verinnerlicht wird. Der Vergleich mit anderen Untersuchungen legt nahe, dass Kinder, die „gelernt“

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haben, sich auf aggressivem Wege durchzusetzen, dieses Muster positiv bewerten und es nicht selten bis ins Erwachsenenalter beibehalten.

Texterläuterungen:

... die es an Fürsorge mangeln lassen – которые не проявляют заботу versagen – оказаться несостоятельным, не справляться

ein «Bündel von Faktoren» – совокупность факторов die Erbanlage – врожденная способность

das Erregungsniveau – уровень возбудимости

(die Erziehung) lax und verwöhnend – беспринципное и балующее

(воспитание)

engagieren sich weniger für schulische Belange… – принимать на себя меньше ответственности за школьные требования

Peergroup – группа ровесников

die delinquenten Cliquen – преступные группировки die Erhebung – данные исследования

verinnerlicht werden – стать внутренней сущностью

Text 12

Authentisch, spirituell, kritisch: Vorreiter einer neuen Kultur?

(Interview)

Der Soziologe Paul H. Ray hat eine neue, vielversprechende soziale Gruppe entdeckt: die kulturell Kreativen. Schon heute zählt ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung zu dieser Bewegung, deren Mitglieder oftmals noch gar kein Bewusstsein für ihre Vorreiterrolle haben

PSYHOLOGIE HEUTE (PH) Sie haben entdeckt, dass sich innerhalb der amerikanischen Gesellschaft eine neue kulturelle Strömung entwickelt: Sie nennen sie «kulturell Kreative». Was charakterisiert diese Gruppe?

Paul H. RAY Ein Schlüssel zum Verständnis der kulturell Kreativen ist Authentizität. Das bedeutet, dass das eigene Handeln mit den eigenen Überzeugungen, Ideen und Werten übereinstimmt. Walk your talk ist das Motto: «Handle, wie du sprichst». Kulturell Kreative wollen das leben, wovon sie überzeugt sind. Sie engagieren sich in konkreten Aktionen und betrachten diese als Teil ihres ganzheitlichen Lernprozesses. Die kulturell Kreativen glauben, dass die heutige Welt zu komplex ist, um sie allein mit linearem, analytischem Denken zu

149

erfassen. Sie sind überzeugt, dass das Denken und Handeln wie Rationalität wichtig sind.

Kulturell Kreative sind Idealisten und Aktivisten und haben eine globale

il sie die meisten TV-Sendungen nicht mögen und die Qualität der Nachrichtensendungen bedenklich finden. Werbung und Kinderfernsehen lehnen sie ab. Kulturell Kreative s

etzen sich akPerspektive. Sie setzen sich mit Ökologie und nachhaltiger Wirtschaft auseinander und wollen im Gleichgewicht mit der Umwelt leben, ohne diese zu zerstören. Kulturell Kreative sind oft altruistisch, sehen darin aber keinen Widerspruch zu ihrem Wunsch nach Selbstverwirklichung. 60% von ihnen sind Frauen.

PH Nach Ihren Forschungen unterscheiden sich die kulturell Kreativen deutlich von der offiziellen amerikanischen Mehrheitskultur. Können Sie diese kurz charakterisieren?

RAY Der Mehrheitskultur, ich nenne sie die «Modernen», konnten 1999 etwa 93 Millionen zugerechnet werden. Das waren 48% der erwachsener Amerikaner (Arbeiter, Angestellte, Ingenieure, Ärzte, Geschäftsleute). Ihre Werte und Überzeugungen dominieren in den Medien als American Way of Life. Das drückt sich in Schlagworten aus wie «Zeit ist Geld» oder «Je grösser, desto besser». Die Karriere ist den Modernen wichtig, und sie sind überzeugt, dass sie jederzeit freie Wahl haben: als Konsumenten, als Wähler, im Arbeitsleben oder als Fernsehzuschauer. Moderne sind eher materialistisch orientiert und mehrheitlich männlich. Sie glauben, dass das Leben in einer kommerzialisierten, urbanindustrielen Welt die einzig richtige Lebensart ist.

PH Wie unterscheidet sich davon die dritte Strömung, die Sie «Traditionalisten» nennen?

RAY Zu den Traditionalisten gehörten 1999 etwa 48 Millionen erwachsene Amerikaner (24,5%). Sie leben überwiegend im ländlich-kleinstädtischen Amerika. Sie haben strikte Moralvorstellungen. Diese Leute nehmen die Bibel wörtlich und praktizieren ein konservatieves Christentum.

PH Wann ist die neue Strömung der kulturell Kreativen entstanden, und wie hat sie sich entwickelt?

RAY Die kulturell Kreativen haben ihre Wurzeln in zahlreichen Protestbewegungen, die sich unabhängig voneinander und zu verschiedenen Zeitpunkten gegen die Werte der offiziellen Mehrheitskultur auflehnten (Bürgerrechtbewegung, Ökologiebewegung, Frauenbewegung, Studentenbewegung, Gesundheitsbewegung). Die Anfänge liegen in den 50er

150

Jahren des 20. Jahrhunderts in der Bürgerrechtsbewegung. Als sich 1955 in Montgomery eine schwarze Frau weigerte, einem weißen Mann ihren Sitzplatz im Bus zu überlassen, diesen Augenblick könnte man vielleicht als Geburtsstunde der kulturell Kreativen bezeichnen. Mit ihrer Weigerung hat sie die selbstverständlichen Normen der Mehrheitskultur infrage gestellt und damit eine breite Protestbewegung ausgelöst.

Texterläuterungen:

der Vorreiter – первооткрыватель

sich engagieren in участвовать в чемлибо die Selbstverwirklichung – самореализация zurechnen (Dat.) – причислять к чему-л, кому-л.

American Way of Life – американский образ жизни

sich auflehnen gegen Akk.- восставать против, противиться weigern – отказывать

eine Protestbewegung auslösen – вызвать движение протеста

Text 13

Lebensstil der kulturell Kreativen

Sie sind intensive Leser und kaufen mehr Bücher als durchschnittliche Amerikaner. Sie sehen weniger fern, weil sie die meisten TV-Sendungen nicht mögen und die Qualität der Nachrichtesendungen bedenklich finden. Werbung und Kinderfernsehen lehnen sie ab. Kulturell Kreative setzen sich aktiv mit Kunst und Kultur auseinander, als Amateure und als Profis. Sie kaufen nicht aus einem Impuls heraus, sondern informieren sich erst anhand von Tests und lesen die Produktetiketen aufmerksam. Ernährung spielt bei ihnen eine groβe Rolle, sie kaufen Bioprodukte. Sie ziehen traditionelle Stadtviertel mit viel Grün vor. Kulturell Kreative sind eher Ökotouristen, sie wollen ihren Urlaub möglichst exotisch und abenteuerlich verbringen.

Es gibt eine Kerngruppe von etwa 24 Millionen Menschen, darunter eine grosse Anzahl von Wissenschaftlern, Publizisten, Autoren, Künstlern, Musikern, Psychotherapeuten, Umweltaktivisten, Feministen, Professionellen im alternativen Medizinbereich. Diese Gruppe hat den höchsten Bildungsgrad und stellt die führenden Denker vor. Sie verbindet eine ernsthafte Beschäftigung mit ihrem inneren Wachstum, mit einem hohen sozialen Engagement und nachhaltiger Wirtschaft. Alle kulturell Kreativen haben «grüne» Werte und engagieren sich für

151

Ökologie und Wohlergehen des ganzen Planeten, doch in dieser Kerngruppe ist das am stärksten ausgeprägt.

Die übrigen kulturell Kreativen, 26 Millionen tendieren dazu, die Meinungsführerschaft der Kerngruppe anzuerkennen. Sie sind weniger mit ihrem inneren Wachstum beschäftigt, sie haben nur ein durchschnittliches Interesse an Psychologie, an persönlichen Werten.

Kann man von einem gemeinsamen Weltbild der kulturell Kreativen sprechen und von einem kollektiven Selbstbewusstsein? Die Entstehung eines kollektiven Selbstbewusstseins der kulturell Kreativen ist eine realistische Möglichkeit. Ob es wirklich entwickelt, hängt auch von der Dynamik sozialen Wandels im kommenden Jahrzehnt ab.

Professor Paul H. Ray, Anthropologe und Soziologe gründete in Kalifornien ein eigenes Forschungsinstitut für Meinungsumfragen und Marketingstudien. Im Jahre 2000 veröffentlichte er zusammen mit Sherra Ruth Anderson das Buch «The Cultural Creatives». Es gründet auf der Datenbasis von über 100 Studien, die in seiner Verantwortung in anderthalb Jahrzehnten entstanden sind.

Texterläuterungen:

als Amateure – как любители

die nachhaltige Wirtschaft – стабильная экономика das Wohlergehen – благополучие (здоровье) soziale Wandel – социальные изменения

die Daten – данные

2. Wissenschaft. Technik.

Text 1

Die Wissenschaft verändert die Welt

Die Wissenschaft und der technische Fortschritt nehmen heutzutage einen wichtigen Platz in unserem Leben ein. Sie verändern die Welt und erleichtern das Leben. Ende des 19. und im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden besonders viele Entdeckungen gemacht, die die Träume der Menschheit seit vielen Jahrhunderten verwirklicht haben.

Die Forschungsarbeiten von Robert Koch, dass Bakterien die Ursache der zahlreichen Krankheiten sind, trugen wesentlich dazu bei, die medizinische Wissenschaft weiterzuentwickeln.

152

1895 wurden zum Beispiel die X-Strahlen von dem deutschen Gelehrten Röntgen entdeckt. Dieser Wissenschaftler wurde erster Physiknobelpreisträger. Seine Entdeckung wurde ein groβes Ereignis in der Medizin.

Der Mensch träumte immer vom Fliegen. In der Geschichte der Menschheit gab es viele Versuche, in den Himmel zu fliegen. Erst 1903 wurde die Theorie vom Raketenflug von K. Ziolkowski begründet. Die Ideen dieses hervorragenden Gelehrte und Forschers werden in der modernen Raketentechnik verwendet. Heute tragen die Weltraumflüge zur Entwicklung der Wissenschaft, Wirtschaft und Technik bei.

1903 wurde von den Engländern Rutherford und Soddy die Theorie der Radioaktivität entwickelt. Französische Wissenschaftler Pierre und Marie Curie haben weiter dieses Phänomen erforscht und haben ihm die Benennung Radioaktivität gegeben. Diese wissenschaftliche Entdeckung hat eine groβe Rolle in der Entwicklung der Physik gespielt.

Solche Erfindungen wie Radio, Telefon, Kino, Fernsehen und so weiter haben unser Leben verändert. Das sind Entdeckungen und Erfindungen, die der Fortschritt mit sich bringt. Der Fortschritt und die Wissenschaft bringen neue syntetische Stoffe, Arzneien, moderne Verkehrsmittel, neue Technologien und Möglichkeiten mit sich. Es ist aber nicht leicht zum Wissen zu kommen. Ein richtiger Gelehrte muβ zielstrebig, klug und arbeitsam sein. Er muss regelmäβig arbeiten, sich Gedanken über konkrete Wissensgebiete machen. Nur in diesem Fall kann er etwas Neues entdecken.

 

 

 

 

 

 

Text 2

 

 

 

 

 

 

Periodensystem von Mendelejew

 

 

 

Im März 1869 berichtete in Petersburg in einer

Sitzung der

Russischen Chemischen Gesellschaft

ihr Sekretär N.

A.

Menschutkin

im

Namen

Mendelejews

von

einer Systematisierung

der

chemischen

Elemente

auf

der

Grundlage

ihres

Atomgewichts. D.

I.

Mendelejew

wohnte

der

Sitzung

nicht

bei,

weil

ihn dienstliche

Angelegenheiten

fernhielten. Das war die erste Mitteilung von der Entdeckung des Periodengesetzes der chemischen Elemente.

Diese Entdeckung ist nicht für zufällige Erscheinung oder geniale Eingebung zu halten. Als man im Jahre 1868 D. I. Mendelejew den

Lehrstuhl

für

Chemie

an

der Petersburger Universität anbot und er

sein kapitales

Werk «Die

Grundlagen der Chemie» in Angriff nahm,

muβte er

mit

Bedauern

feststellen, dass es kein System der chemischen

 

 

 

 

153

Kenntnisse gab. Der Forscher suchte nach einem «Prinzip», das aus-

reichend

eindeutig die chemischen Elemente charakterisieren würde.

Der

hervorragende Chemiker ordnete alle damals bekannten

63 Elemente nach steigendem Atomgewicht an und erkannte dabei die

periodische Wiederkehr

ihrer

Eigenschaften.

Er formulierte den wis

senschaftlichen Satz,

den

heute

jedes

Schulkind

kennt:

die physikalischen

und chemischen Eigenschaften

der

Elemente

befinden

sich

in

perio-

discher Abhängigkeit von ihrem Atomgewicht.

 

 

 

 

Heute wissen

wir,

daβ

die Atomgewichte tatsächlich

eine

Grund-

eigenschaft der Elemente sind, wie Mendelejew behauptete. Wir wissen aber

auch,

dass

ihre Rolle

eine ganze

andere ist,

als man ihnen ur-

sprünglich

zuschrieb.

Die

Formen der Verbindungen und die Mehrzahl

ihrer

physikalischen

und

chemischen

Eigenschaften

sind nicht

unmit-

telbar mit dem Atomgewicht verbunden, sondern hängen von der Gesamtzahl der Protonen des Atoms ab. Es geht also um die Ladung des Atomkerns, welche die Ordnungszahl des Elements im System bestimmt.

Mendelejew muβte ein scharfer Beobachter sein, um die periodische

Abhängigkeit

in seiner

Tabelle zu

entdecken, die nur 63 Elemente

enthielt. 29

Zellen in

dieser Tabelle

blieben leer. Sie lagen am Anfang

und in der Mitte des Periodensystems, und das Fehlen der betreffenden Elemente schien auf eine Unterbrechung des Periodengesetzes hinzudeuten. Später

entschloβ

sich der Gelehrte, die leeren

Zellen

in der

Tabelle

auf der

Grundlage des von ihm entdeckten

Systems

aufzufüllen,

d. h.

neue Elemente vorauszusagen. Da er keine Namen für noch nicht ent-

deckte Elemente in die Wissenschaft

einführen wollte, setzte er dem

Namen des

nächsten unteren Analogs des Elements

das sanskritische

Wort «Eka»

vor. «Ekaaluminium»

bedeutete z. B.

«Aluminium-f I».

Am ausführlichsten beschrieb Mendelejew die Eigenschaften von drei Elementen der «Zukunft»: Ekabor, Ekasilizum und Ekaaluminium.

Schon im Jahre 1875 entdeckte der französische Forscher Lecoq de Boisbaudran" ein neues Element, das er nach seiner Heimat Gallium benannte und das seinen Eigenschaften nach dem 1871 von Mendelejew

vorausgesagten

Ekaaluminium

identisch war.

Im Jahre 1879 fand

Nilson

das Element,

das Mendelejew

als Ekabor

beschrieben hatte, und

nannte

es nach Skandinavien, wo es entdeckt worden war, Skandium. Schlieβlich

entdeckte Winkler

das

Element Ekasilizium, dem er den Namen

Germanium gab.

 

 

 

 

154

Es gab wohl

keinen erstaunlicheren

Beweis für

die

Richtigkeit

der Lehre von der Periodizität der Elemente, sagte Winkler,

als die

Entdeckung

des bisher hypothetischen

«Ekasiliziums».

Das

war

mehr

als eine

einfache

Bekräftigung der

kühnen

Theorie;

es bedeutet

eine

geniale Erweiterung des chemischen Gesichtskreises.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Mendelejewsche System im Verlauf von fast einem Jahrhundert als Schlüssel zur Entdeckung neuer Elemente gedient hat.

Texterläuterungen:

für ... geniale Eingebung halten – считать гениальной догадкой

(интуицией)

in Angriff nehmen – браться за что-либо

in Erscheinung treten – выявляться, выступать schien hinzudeuten – казалось, свидетельствовало das sanskritische Wort – слово из языка санскрит Lecoq de Boisbaudran – Лекок де Буабодран

der Gesichtskreis – горизонт, кругозор

Text 3

Johann Gutenberg Erfinder des Typendrucks

Keine deutsche Erfindung des 15. Jahrhunderts war von so großer internationaler Bedeutung wie die Erfindung des Typendrucks. Der älteste Typendruck stammt vermutlich aus den Jahren nach 1445. Bis zur Erfindung dieser Druckart war das gedruckte Buch ein Luxusgegenstand. Ihn konnten sich nur Bischöfe, Fürsten und reiche Leute leisten.

Wem hatte die Welt diese Erfindung zu verdanken? Wer war dieser Mann? Er hieß Johann Gutenberg und war der Sohn eines vornehmen Bürgers aus

Mainz. Das genaue Geburtsjahr des Erfinders der sogenannten «schwarzen Kunst» ist nicht bekannt. Man nimmt an, daß Johann Gutenberg zwischen 1394 und 1398 in Mainz geboren ist. Über die erste Hälfte seines Lebens weiß man so gut wie nichts.

Nach dem Tode seines Vaters übersiedelte Gutenberg nach Strassburg. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Kunsthandwerker. Während der Strassburger Zeit ließ Gutenberg seine erste Druckerpresse bauen. Unermüdlich war er damit beschäftigt, die Technologie des Buchdrucks zu verbessern. Nach und nach erfand er alles, was zur Herstellung eines Typendrucks notwendig war.

155

Zu Gutenbergs Zeit war eine einfache Art des Drucks, der Blockdruck, schon weit verbreitet. Der Blockdruck ist eine chinesische Erfindung aus dem 6. Jahrhundert. Diese Druckart war im 13. Jahrhundert über Kleinasien nach Europa gelangt. Beim Blockdruck arbeitete man den Text einer ganzen Buchseite mühsam aus einem Holzblock heraus. Von einer solchen Druckplatte konnte man dann beliebig viele Abzüge herstellen.

Der nächste Entwicklungsschritt war der Letterndruck, eine koreanische Erfindung. Lettern sind Einzechstaben aus Hob oder Metall. Der Vorteil der beweglichen Lettern bestand darin, daß man sie nach Bedarf zusammensetzen und auseinandernehmen konnte. Auch diese Art des Drucks war zu Gutenbergs Zeit m Europa schon bekannt.

Gutenberg entwickelte ein anderes Verfahren. Man wendet es im Prinzip noch heute an. Zunächst stellte er aus sehr hartem Material Patrizen her. Mit Hilfe dieser Patrizen schlug er aus weicherem Material Abdrücke. Gutenberg bezeichnete sie als Matrizen. Matrizen sind also kleine Gießformen, mit Hilfe dieser Matrizen kann man völlig gleiche Typen gießen. Diese Drucktypen kann man dann zu Zeilen zusammensetzen und wiederverwenden.

Als Gutenberg die neue Technologie des Buchdrucks fest fertig ausgearbeitet hatte, kehrte er um 1448 nach Mainz zurück. Er besaß aber nicht genügend Geld, um so viel Typen herstellen zu können, wie er zum Druck eines Buches brauchte. Deshalb lieh er sich bei Johannes Fust, einem reichen Mainzer, 800 Gulden für die Herstellung von Druckgeräten. 1452 wurde Fust mit weiteren 800 Gulden sogar Teilnehmer am «Werk der Bücher».

Als Gutenbergs Hauptwerk gilt heute unzweifelhaft die Bibel. Der Druck der Bibel war spätestens Anfang 1456, vielleicht auch schon 1455 vollendet. Aus uns unbekannten Gründen kam es zwischen Fust und Gutenberg zu Streitigkeiten, und das Gericht verurteilte Gutenberg zur Rückzahlung des geliehenen Geldes. Dadurch verlor Gutenberg das gesamte Druckund Typenmaterial zu seiner Bibel an Fust und

so brachte man ihn kurz vor Vollendung des Bibeldrucks böswillig um die Früchte seiner Arbeit.

Über das weitere Leben Gutenbergs weiß man sehr wenig. Wahrscheinlich war er noch viele Jahre in einer Druckerei tätig, diese Druckerei hatte ein anderer Bürger in Mainz gegründet.

Noch zu Gutenbergs Lebzeiten entstanden in vielen deutschen Städten Druckereien. Sie übernahmen diesen Typendruck. Aber auch in Köln und Basel, in Pilsen und Barcelona übte man die «schwarze Kunst» mit großem Gewinn aus.

156

Erst als Gutenberg fast 70 Jahre alt war, wurde ihm die verdiente öffentliche Anerkennung zuteil, und der Bischof von Mainz bewilligte ihm kleine Rente.

Am 3. Februar 1468 ist Gutenberg in seiner Vaterstadt Mainz gestorben. Auf einer Gedenktafel in Mainz kann man heute die Worte lesen: «Hier auf dem grünen Berge wurde die Kunst des Buchdruckes erfunden, von hier aus verbreitete sich das Licht in der Welt.»

Texterläuterungen:

der Typendruck –книгопечатаниe; die Letter – литеpa

der Blockdruck – блочное печатаниe die Druckplatte – формная пластина die Patritze – патрицa

gelten – считаться

die Rückzahlung – возврат

Text 4

Robert Koch

Robert Koch gehört zu den bedeutendsten deutschen Forschern. Er lieferte für zahlreiche Krankheiten den Beweis, dass Bakterien ihre Ursache sind. Seine Forschungsarbeiten trugen wesentlich dazu bei, die medizinische Wissenschaft weiterzuentwickeln.

Robert Koch wurde am 11. Dezember 1843 als Sohn des Bergmanns Hermann Koch geboren. Nach seiner Schulzeit studierte er an der Göttingener Universität Medizin und legte 1868 sein Staatsexamen ab. Nach Beendigung seines Studiums hatte er die Absicht, nur wissenschaftlich zu arbeiten. Um aber genügend Geld zum Leben zu haben, nahm er 1872 in Wollstein eine Stelle als Kreisarzt an. In dieser Gegend gab es viel Arbeit für ihn. Mensch und Tier brauchten ärztliche: Hilfe. Das Sprechzimmer war von Robert Koch zur Hälfte als Laboratorium eingerichtet worden. Er verbrachte hier lange Abende und forschte nach dem Erreger des Milzbrandes, einer Tierseuche, die in dieser Gegend besonders häufig auftrat. Unter einem Mikroskop wurde das Blut von Tieren untersucht, die an Milzbrand gestorben waren.

Vor Koch stand die Frage, ob die Stäbchen, die er unter dem Mikroskop gesehen hatte, die wirklichen Krankheitserreger sind. Koch zuchtete die Stäbchen auf Nahrboden, wozu er Rinderblut verwendete. Das ermöglichte ihm, Tiere mit reinen Milzbrandbazillen zu impfen und deren Wirkung festzustellen. 1876

157

konnte der Landarzt Koch das Ergebnis seiner Studien vorlegen. Zum erstenmal war es gelungen, eine Infektionskrankheit durch ihre spezifischen Erreger zu erklären. Damit war das Programm für die künftige Seuchenforschung festgelegt.

1880 wurde Koch die Leitung des Gesundheitsamtes in Berlin übertragen. Hier standen ihm endlich genügend Laboratorien und begeisterte Mitarbeiter zur Verfügung. Als in Fachkreisen noch das Für und Wider seiner Bakterientheorie diskutiert wurde, wandte sich Koch bereits der Forschung der Tuberkulose zu, die damals eine Volkskrankheit war. Am 24. Marz 1882 konnte Koch in der historischen Sitzung der Berliner Physiologischen Gesellschaft seine Entdeckung des Tuberkelbakteriums bekanntgeben.

Theorie und Praxis bildeten für Koch eine untrennbare Einheit, deshalb beschäftigte er sich auch mit der praktischen Tuberkulosebekämpfung. Er wollte verhindern, dass Erkrankte die Menschen seiner Umgebung ansteckten.

Kochs letzte Lebensjahre gehörten dem Studium tropischer Infektionskrankheiten. 1883 ist der Erreger der Cholera von ihm entdeckt worden. Zusammen mit seinen Schülern betrieb Koch umfangreiche Studien über Lepra, Cholera, Typhus, Malaria. Er arbeitete in Ägypten und in Indien. Zum Studium der Malaria, die jährlich fast zwei Millionen Tote forderte, unternahm er Forschungsreisen nach Java und Neuguinea.

1905 ist ihm der Nobelpreis verliehen worden.

Textertauterungen:

das Sprechzimmer – приемная der Milzbrand – сибирская язва

die Tierseuche – эпизоотия, эпидемическое заболевание животных impfen – прививать

ansteckten - заразить

das Gesundheitsamt — санитарпо-лечебное учреждение

Text 5

Die Entdeckung der Radioaktivität

Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen hatte Henri Poincaгé in Erwägung gezogen, ob fluoreszierende Körper unter dem Einfluβ des Lichtes Strahlen nicht aussenden, die den Röntgenstrahlen ähnlich sind. Henri Becquerel hatte, von dem gleichen Problem angezogen, die Salze eines seltenen Metalls, des Urans, untersucht. Statt aber das erwartete Phänomen zu finden, hatte er ein

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anderes, ganzlich davon verschiedenes und unbegreifliches beobachtet: Die Uransalze sandten spontan, ohne vorangehende Einwirkung des Lichtes, Strahlen

von unbekannter Art aus.

 

 

 

Henri Becquerel hatte das Phänomen

entdeckt,

dem Marie Curie

später die

Benennung Radioaktivität

geben

sollte. Doch blieb der Ur-

sprung der Strahlen ein Rätsel.

 

 

 

Marie Curie wählt diese Frage zum Thema ihrer Doktordissertation. Die erste

Tätigkeit der Doktoratskandidatin ist

die Messung der Ionisationsfähigkeit

der Uranstrahlen, das heiβt ihrer Fähigkeit, die

Luft zum

Elektrizitätsleiter zu

machen und ein Elektroskop zu entladen.

Die von Marie brauchbar gemachte

Einrichtung

besteht aus einer «Ionisationskammer», einem Elektrometer Curie

und einem plesoelektrischen Quarz.

Nach einigen Wochen zeigt sich das erste Resultat: Marie Curie gewinnt die Gewissheit, dass die Intensität der erstaunlichen Strahlung der in den untersuchten Mineralien enthaltenen Quantität Uran proportional ist. Die Strahlung, die mit Präzision zu messen ist, ist (durch andere Umstände wie Beleuchtung oder Temperatur, nicht beeinflusst. Je mehr Marie den Uranstrahlen nahekommt, desto ungewöhnlicher erscheinen sie ihr, desto geheimnisvoller ist ihre Art. Sie erinnern an nichts. Trotz ihrer sehr geringen Kraft haben sie eine auβerordentiche «Persönlichkeit».

Während Marie, der Wahrheit zustrebend, sich über die unerklärliche

Erscheinung

den

Kopf

zermartert, ahnt sie

und

bald

wird

sie es behaupten

können,

dass die unbegreifliche

Strahlung

eine

Eigen-

schaft des Atoms ist.

 

 

 

 

Sie stellt sich eine Frage: Ist das Uran das einzige chemische

Element, das

die

Strahlung

hervorzurufen vermag?

Marie lässt das Stu-

dium des Urans beiseite und macht

sich an die Untersuchung aller

bekannten chemischen Stoffe.

Das Resultat

lässt

sich nicht

auf sich

warten:

Die Bestandteile

eines

anderen Stoffes,

des

Thoriums,

senden,

wie das

Uran, Strahlen

aus, die von

der

gleichen

Intensität sind. Die

junge Frau hatte richtig gesehen: das Phänomen ist nicht nur dem Uran

eigentümlich, und

es wird notwendig, ihm eine unterscheidende Bezeich-

nung zu geben.

Marie Curie schlägt den Namen der Radioaktivität

vor. Stoffe, die wie das Uran und das Thorium diese Strahlung besitzen, werden radioaktive Elemente genannt werden.

159

 

 

 

Texterläuterungen:

 

Henri Poincaré – Анри Пуанкаре, французский физик и философ

 

in Erwägung ziehen – высказать соображение

 

 

Henri

Becquerel

Анри

Беккерель,

французский

физик

die Doktoratskandidatin – кандидат на степень доктора

 

brauchbar machen – приспособить

 

 

 

die außerordentliche

«Persönlichkeit» – ярко

выраженная

 

«индивидуальность»

 

 

 

 

 

sich den Kopf zermartern – ломать себе голову

Text 6

Der Computer

Was bedeutet das Wort «Computer»? Es stammt aus dem Englischen Computer [kom'pjuter] (engl, to compute = rechnen, berechnen; ursprünglich aus dem lat. computare = berechnen; Synonyme: Datenverarbeitungsanlage, Abk.: DVA; häufig auch Rechner oder Rechenanlage): Universell einsetzbares Gerät zur automatischen Verarbeitung von Daten.

Heutige Computer kann man durch Änderung ihres Programms für beliebige Zwecke (nicht nur zum Rechnen) einsetzen und selbständig weiterarbeiten lassen. Einmal sortiert er Namen, im nächsten Moment füllt er die Steuererklärung aus, steuert einen Schweißautomaten, übernimmt die automatische Landung des Flugzeugs, verwaltet Kochrezepte oder spielt Schach. Bei jeder dieser grundverschiedenen Anwendungen bleibt der Computer als physikalisches Gerät unverändert, geändert wird jeweils nur sein Programm.

Diese Idee hat als erster der Engländer Charles Babbage (1792-1871) durchdacht. Er entwarf 1840 seine «Analytical Engine», die einen Speicher und eine Rechenund Entscheidungseinheit besaß. Die Analytische Maschine wurde nie gebaut, sie ließ sich mit der Feinmechanik des 19. Jahrhunderts nicht realisieren. Erst dem deutschen Ingenieur Konrad Zuse gelang es, 1934-1941 die erste programmgesteuerte Rechenanlage zu schaffen. 1943 entstanden in Großbritannien der Rechner COLOSSUS, und in den USA der erste vollelektronische Computer ENIAC. Aufbauend auf Ideen von J. v. Neumann wurden ab 1949 Computer gebaut, in denen Programme wie Daten gespeichert und manipuliert werden.

Universelle Einsetzbarkeit, hohe Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit und vollautomatischer Betrieb haben zur explosionsartigen Verbreitung der Datenverarbeitung geführt. Arbeitsweise eines Computers: Ein Computer nimmt

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Eingabewerte (Zahlen, Wörter usw.) entgegen und wandelt sie nach bestimmten Regeln in Ausgabewerte um. Einund Ausgabe können auch abwechselnd ablaufen, d.h. der Computer liest einen Teil der Eingabe, liefert dann eine Ausgabe, liest wieder einen Teil der Eingabe usw. Die Regeln, nach denen die Eingaben verarbeitet und Ausgaben erzeugt werden, teilt man dem Computer durch Eingabe eines Programms mit. Programme bestehen aus einer Folge von einfachen Arbeitsschritten.

Texterläuterungen:

die Datenverarbeitungsanlage (DVA) – ЭВМ; установка для электронной обработки данных

Analytical Engine (engl.) – аналитическая машина

Rechenund Entscheidungseinheit – блок счета и принятия решений liess sich … nicht realisieren – не удалось осуществить

die Daten werden gespeichert – данные хранятся

die Einund Ausgabe (der Daten) – ввод и вывод (данных)

Text 7

Das Internet

Das weltumspannende Internet ist das Computernetz. Jeder, der über einen PC mit Modem und Internet-Anschluβ verfügt hat freien Zugang zu riesigen Online-Bibliotheken, lernt jeden Winkel dieser Erde kennen und kann das tägliche Geschehen in aller Welt bequem von zu Hause aus per Mausklick verfolgen. Die Geschwindigkeit, mit der die Informationen von einem Rechner zum anderen übertragen werden, ist heute bedingt durch Telefonkabel aus Kupfer, noch relative gering. Im Zeitalter von Glasfaser aber wird die Geschwindigkeit bald kein Thema mehr sein, da die Übertragungskapazität von Glasfaser nahezu unbegrenzt ist. Wenn man schon jetzt die Glasfaser verwendet hatte, konnte man eine höhere Geschwindigkeit bei der Übertragung der Information erreichen.

Experten gehen davon aus, dass ein Glasfaserkabel von der Dicke eines menschlichen Haares genügt, um in weniger als einer Sekunde jede bisher erschienene Ausgabe einer großen Zeitung zu übermitteln. Dabei ist Glasfaser samt der Kosten für die Elektronik an beiden Kabelenden billiger als Kupfer. Glasfaser gibt es im wahrsten Sinne des Wortes wie Sand am Meer (Glasfaser besteht aus Sand).

Das Internet lässt sich sehr gut als Informationsmedium nutzen. Viele Institutionen und Firmen haben bereits die Vorteile des Internets kennengelernt.

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