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Arsenyeva. Grammatik der deutschen Sprache.doc
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§ 186. Seiner Bedeutung nach unterscheidet sich das Partizip II der transitiven Verben recht wesentlich von dem der intransitiven.

Das Partizip II der transitiven Verben hat stets passive Bedeutung: das gelesene Buch — das Buch, das gelesen worden ist.

Paris glich einer belagerten Festung. (W. Bredel)

Das Partizip II der intransitiven Verben mit begrenzter Bedeutung unterscheidet sich seinen Funktionen nach wesentlich von dem Partizip II der intransitiven Verben mit nichtbegrenzter Bedeutung (s. § 171). Das Partizip II der intransitiven Verben mit begrenzter Bedeutung hat stets aktive Bedeutung: die angekommene Delegation, die Delegation, die angekommen ist.

Frieda Brenten umarmte und streichelte ihren nach dreizehn Jahren heimgekehrten Sohn. (W. Bredel)

In der Gasse vor dem Hause drängten sich die zusammengelaufenen Menschen. (W. Bredel)

Das Partizip II der intransitiven Verben mit nichtbegrenzter Bedeutung dient nur zur Bildung zusammengesetzter Verbalformen, d. h. es existiert im System des Verbs ausschließlich als dritte Grundform. Es besitzt keinerlei verbale und nominale Eigenschaften, die die Partizipien anderer Verben aufweisen. Doch kommt es vor, daß auch das Partizip IL der letztgenannten Verben im Satz als eine Nominalform des Verbs auftritt. In diesem Fall wird das Partizip II durch nähere Bestimmungen konkretisiert und erhält dadurch die Eigenschaften des Partizips II eines Verbs mit begrenzter Bedeutung.

Den nur in Hemd und Hose auf die Straße geeilten Männern rief Brenten zu... (W. Bredel)

Der Unterschied zwischen den Verben mit begrenzter und denen mit nichtbegrenzter Bedeutung spielt bei den transitiven Verben hinsichtlich der Funktionen des Partizips II keine so entscheidende Rolle wie bei den intransitiven Verben. Jedoch ist er nicht unwichtig da, wo es sich um die zeitliche Bedeutung des Partizips II der transitiven Verben handelt. Das Partizip II der Verben mit begrenzter Bedeutung bezeichnet einen abgeschlossenen Vorgang und drückt die Vorzeitigkeit in bezug auf das Prädikat des Satzes aus: ich sehe (sah, werde sehen) die aufgegangene Sonne; ich schicke ab (schickte ab, werde abschicken] den geschriebenen Brief.

Seine Nerven waren gestählt durch die Prüfungen der vergangenen Stunde. (H. Mann)

Statt des verhafteten Holzklötzchens kam ein ganz junger Bub... (A. Seghers)

Das Partizip II der transitiven Verben mit begrenzter Bedeutung bezeichnet zuweilen eine Eigenschaft, die als Ergebnis einer Handlung entstanden ist.

Er sah sich in einem ziemlich großen, halbdunklen Gemach: die Fenster waren verhängt. (Th. Mann)

Ein Mann kam mit einer alten reparaturbedürftigen Spieluhr, ein andrer mit einem von einem Bastler gebauten Radioapparat... (A. Scharrer)

Das Partizip II der transitiven Verben mit nichtbegrenzter Bedeutung bezeichnet einen nicht abgeschlossenen Vorgang und drückt die Gleichzeitigkeit in bezug auf das Prädikat des Satzes aus.

Er fuhr, von Erika begleitet, in geschlossenem Wagen zum Bahnhof... (Th. Mann)

Er hatte sich so stark an seine neue Frau gewöhnt, daß er kaum mehr darüber nachdachte, daß das erwartete Kind nicht seines war. (A. Seghers)

Anmerkung. Die deutschen Germanisten gebrauchen in ihren Werken die Bezeichnungen: participium praesentis (das Präsenspartizip) für das Partizip I und participium perfecti (das Perfektpartizip) für das Partizip II. Diese Bezeichnungen müssen jedoch abgelehnt werden, denn siegeben eine falsche Vorstellung von der zeitlichen Bedeutung der beiden Partizipien.

§ 187. Ihren nominalen Eigenschaften nach stehen die Partizipien dem Adjektiv nahe. Wie diese werden sie im Satz oft attributiv gebraucht und kongruieren dann mit dem Substantiv in Geschlecht, Kasus und Zahl: ein lesender Student, der lesende Student, die lesenden Studenten; ein gelesenes Buch, eines gelesenen Buches usw. Gleich den Adjektiven können die Partizipien substantiviert werden und behalten dabei die adjektivische Deklination bei. In ihrem grammatischen Geschlecht richten sie sich nach denselben Regeln, die für die substantivierten Adjektive gelten (s. § 91): der Verwundete, die Leidende, das Gewünschte.

...und er stand in Angst und Reue vor der Klagenden... (G. Keller)

Die Geladenen, die größtenteils auswärts wohnten, waren im Laufe des Tages und einige schon gestern eingetroffen. (B. Kellermann)

Er zerriß das Getippte in kleine Fetzchen. (H. Fallada)

Zwischen Partizip und Adjektiv läßt sich oft keine scharfe Grenze ziehen. Manche Partizipien haben sich von dem entsprechenden Verb losgelöst und sind in die Kategorie der Adjektive übergegangen. Damit ist meist auch ein Bedeutungswandel verbunden. Das sind z. B. folgende Wörter: reizend (vgl. das Verb reizen), dringend, entscheidend, entzükkend, auffallend, leidend, anziehend, spannend, drückend, schlagend; gebildet (vgl. das Verb bilden), verwandt, aufgeweckt, vertraut, besessen, geschickt, gewandt, verschwiegen, verlegen, angesehen, erfahren, bekannt, entzückt, gelehrt, gelernt, gedient. Vgl. mit dem Russischen: руководящая работа, знающий инженер, начинающий писатель, образованный человек.

Es war eins der auffallenden Mädchen gewesen. (H. Mann)

Sie hatten sich zwei kleine reizende Damen mitgebracht... (B. Kellermann)

Am folgenden Abend gab man im Stadttheater den „Lohengrin“, und alle gebildeten Leute waren anwesend. (Th. Mann)

„Ein geweckter Kopf, ein munterer Patron, der Schüler Buddenbrook.“ (Th. Mann)

Zuweilen hat sich in der Sprache nur die Form des Partizips erhalten, während das Verb selbst verschwunden ist: verdutzt (vgl. mhd verdutzen), betagt (vgl. mhd betagen), begabt (vgl. mhd begaben = beschenken, zur Hochzeit ausstatten), anwesend, abwesend, verschmitzt, entgeistert, berühmt, verhaßt.

Die Partizipien, die in die Kategorie der Adjektive übergehen, übernehmen dabei auch die Eigenschaften des Adjektivs, die das Partizip als verbales Adjektiv nicht besitzt. So bekommen die ehemaligen Partizipien die Steigerungsfähigkeit.

In Schweiß gebadet, völlig außer Atem, kam er wieder in belebtere Gegenden. (B. Kellermann)

Von der langwierigen Aufgabe... kehrten seine Gedanken zu der brennendsten Aufgabe zurück, an der vielleicht alles scheitern konnte. (A. Seghers)

Das ehemalige Partizip I kann prädikativ gebraucht werden (im Gegensatz zu dem Partizip I mit ausgesprochen verbalem Charakter).

Herr Schuhmann war nicht anwesend. (H. Mann)

Marx war leidend, müde, überanstrengt und übermäßig nervös, als er zum ersten Male in Karlsbad sein Heil suchte. (E. E. Kisch)

Glänzender, zugleich und rührender war nun Emmi. (H. Mann)

Anmerkung. Es gibt im Deutschen Adjektive, die sich ihrer Form nach an ein schwaches Partizip II anlehnen. Sie sind von Substantiven mittels der Präfixe be-, ge-, und (seltener) ver-, zer-, um-, ein- und des Suffixes -t abgeleitet: beringt, belaubt, bezopft, bestrumpft, beflaggt, beheimatet, bereift, geflügelt, geblümt, geädert, gestiefelt, verhaßt, eingefleischt, zerlumpt, umrankt, zerfurcht.

In der weißlackierten Türe erschien das bebrillte fahle Gesicht eines Arztes im weißen Kittel, der laut auflachte. (B. Kellermann)

Ein zerlumpter Knecht näherte sich mit einer hochbeladenen Getreidefuhre der Scheune. (Th. Harych)

In den meisten Fällen besteht das aus dem Partizip entstandene Adjektiv neben dem gleichlautenden Partizip I bzw. II. Vgl.: eine dringende Botschaft — der in die Stadt dringende Feind; ein gebildeter Mann — ein richtig gebildeter Satz; ein verdienter Offizier — das verdiente Geld; die besorgte Mutter — der besorgte Brief; die fahrende Habe — das fahrende Auto.

Die Partizipien I und II erfüllen im Satz verschiedene syntaktische Funktionen; sie können als Attribut, Adverbialbestimmung, prädikatives Attribut usw. auftreten. (Näheres darüber siehe in den entsprechenden Paragraphen der Syntax.)

§ 188. Die Konstruktion sein + Partizip II. Das Partizip II der transitiven Verben bildet mit dem Verb sein eine besondere Konstruktion. Sie tritt im Satz als Prädikat auf und kennzeichnet den Zustand des Subjekts. Das Partizip II mit sein erfüllt die Funktion eines nominalen Prädikats und steht seiner Bedeutung nach dem nominalen Prädikat mit einem Adjektiv als Prädikativ nahe (s. § 249); vgl.: Das Land ist befreit. — Das Land ist frei.

Der Unterschied zwischen der Bedeutung des Prädikats im ersten und im zweiten Beispiel besteht darin, daß das prädikative Partizip II eine Eigenschaft ausdrückt, die das Ergebnis einer früheren Handlung (befreien) ist; die im Adjektiv ausgedrückte Eigenschaft steht dagegen in keinerlei Beziehung zur Handlung. Das Partizip II mit sein kommt im Satz meist in den beiden einfachen Zeitformen vor, im Präsens oder im Präteritum.

Meine Arbeit ist für heute beendet. (E. M. Remarque) Er konnte seine Augen nicht von dem schönen Gesicht wegwenden, das von einem grünen Halblichte verschönert war. (J. W. Goethe)

Zwischen den Häusern, war der Weg noch gepflastert... (A. Seghers)

Er war in zahllose Liebesgeschichten und Raufereien verwickelt gewesen. (A. Seghers)

Zuweilen treten im Partizip II seine verbalen Eigenschaften in den Vordergrund. Das hängt mit dem Gesamtinhalt des Satzes zusammen, d. h. damit, ob im Satz der Urheber oder die näheren Umstände der Handlung angegeben sind. In diesem Fall wird die ganze Konstruktion zu einem einfachen verbalen Prädikat und kommt ihrer Bedeutung nach dem Passiv nahe. Dabei entspricht das Partizip II mit sein im Präsens dem Perfekt Passiv, im Präteritum dem Plusquamperfekt Passiv.

...und er sagte, indes er sich in die Brust warf: „Jetzt bist du durch den Bach getragen vom Prinzen von Bearn.“ (H. Mann)

Unter Rosaliens energischem Antrieb war die Abmachung schnell und fest getroffen. (Th. Mann)

Nachdem unser Freund verbunden und angekleidet war, eilte der Chirurgus weg. (J. W. Goethe)

Anmerkung. Zuweilen überschneidet sich die Konstruktion des Partizips II mit sein im Präsens bzw. Präteritum ihrer Bedeutung nach mit den entsprechenden Zeitformen des Passivs. Dies ist der Fall, wenn das Partizip II von einem Verb mit nichtbegrenzter Bedeutung gebraucht wird (s. § 171).

„Madame“, sagte Henri mit ehrlicher Überzeugung, „Sie sind schuldlos verfolgt, wie ich wohl sehe.“ (H. Mann)

Das kleine „Residenzcafe“... bot einen schönen Ausblick auf die alte Lindenallee, war aber nur an Sonn- und Feiertagen während des Promenadenkonzertes stärker besucht. (B. Kellermann)

Solcher Gebrauch des Partizips II mit sein wird von deutschen Grammatikern und Stilisten als regelwidrig betrachtet und ist daher nicht zu empfehlen.

§ 189. Das System der Partizipien ist in der russischen Sprache reicher als in der deutschen. Der Hauptunterschied besteht darin, daß das russische Partizip vier Formen kennt und eine absolute zeitliche Bedeutung aufweisen kann.

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