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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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einen Fünfer,das Leben war voller Ideale,und mit ein paar solcherGoldfüchsekonntemaninsgelobteLandItaliareisen,ohne Furcht,daß sie bei derAnkunft nichts mehr wert seien.» Bach küßt den Adler, legt ihn zurück und wird wieder zehn Jahre älter. Heinrich und er entschwinden. Heinrich ruft zum Abschied, düstere Drohung auf seinem verfetteten Gesicht: «Köpfe werden noch rollen!»

«Was war das?» frage ich Georg erstaunt. «Ist das nicht eine dervertrautenPhrasenWatzeks?StehenwiretwavoreinerVerbrüderung der feindlichen Cousins?»

Georg sieht nachdenklich hinter Heinrich her. «Vielleicht», sagter.«Dannwirdesgefährlich.Weißtdu,wassoho nungslos ist?Heinrichwar 9 8einrabiaterKriegsgegner.Inzwischenhat er alles vergessen, was ihn dazu machte, und der Krieg ist für ihn wieder ein frischfröhlichesAbenteuer geworden.» Er steckt das Zwanzigmarkstück in die Westentasche. «Alles wird zum Abenteuer, was man überlebt. Das ist so zum Kotzen! Und je schrecklichereswar,umsoabenteuerlicherwirdesinderErinnerung.WirklichüberdenKriegkönntennurdieTotenurteilen; sie allein haben ihn ganz erlebt.»

Er sieht mich an.«Erlebt?» sage ich,«erstorben.»

«Sie und die,die das nicht vergessen»,erwidert er.«Aber das sind wenige.Unser verdammtes Gedächtnis ist ein Sieb.Es will überleben.Und überleben kann man nur durchVergessen.» Er setzt seinen Hut auf.«Komm»,sagt er.«Wir wollen sehen, was für Zeiten unser goldenerVogel in Eduard Knoblochs Gedächtnis hervorruft.»

«Isabelle!» sage ich tief erstaunt.

Ich sehe sie auf der Terrasse vor dem Pavillon für die Unheilbaren sitzen. Nichts ist mehr da von der zuckenden, gequälten

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Kreatur,dieichdasletztemalgesehenhabe.IhreAugensindklar, ihr Gesicht ist ruhig, und sie scheint mir schöner, als ich sie je vorhergekannthabe–aberdaskannauchdurchdenGegensatz zum letzten Mal kommen.

Es hat nachmittags geregnet, und der Garten blinkt von Feuchtigkeit und Sonne. Über der Stadt schwimmen Wolken vor einem reinen, mittelalterlichen Blau, und ganze Fensterfronten sind in Spiegelgalerien verwandelt. Isabelle trägt ein Abendkleid,unbekümmertumdieZeit,auseinemsehrweichen schwarzen Sto , und ihre goldenen Schuhe.Am rechten Arm hängt eine Kette aus Smaragden – sie muß mehr wert sein als unsere gesamte Firma, einschließlich des Lagers, der Häuser und des Einkommens der nächsten fünf Jahre.Sie hat sie vorher noch nie getragen.Es ist ein Tag der Kostbarkeiten,denke ich.Zuerst der goldene Wilhelm II.,und jetzt dieses! Aber die Kette rührt mich nicht.

«Hörst du sie?» fragt Isabelle. «Sie haben getrunken, tief und viel,undnunsindsieruhigundsattundzufrieden.Siesummen tief,wie Millionen Bienen.»

«Wer?»

«Die Bäume und all die Büsche. Hast du sie gestern nicht schreien gehört,als es so trocken war?»

«Können sie schreien?»

«Natürlich.Kannst du das nicht hören?»

«Nein», sage ich und sehe auf das Armband, das funkelt, als hätte es grüneAugen.

Isabellelacht.«Ach,Rudolf,duhörstsowenig!»sagtsiezärtlich. «Deine Ohren sind zugewachsen wie Buchsbaumgebüsch.Und dann machst du auch so viel Lärm – deshalb hörst du nichts.» «Ich mache Lärm?Wieso?»

«Nicht mit Worten.Aber sonst machst du einen furchtbaren

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Lärm, Rudolf. Oft bist du kaum zu ertragen. Du machst mehr Lärm als die Hortensien, wenn sie durstig sind, und das sind doch wahrhaftig mächtige Schreier.»

«Was macht denn Lärm bei mir?»

«Alles. Deine Wünsche. Dein Herz. Deine Unzufriedenheit. Deine Eitelkeit.Deine Unentschlossenheit –»

«Eitelkeit?» sage ich.«Ich bin nicht eitel.» «Natürlich –»

«Ausgeschlossen!»erwidereichundweiß,daßesnichtstimmt, was ich sage.

Isabelleküßtmichrasch.«Machmichnichtmüde,Rudolf!Du bistimmersogenaumitNamen.Duheißtaucheigentlichnicht Rudolf,wie?Wie heißt du denn?»

«Ludwig»,sageichüberrascht.Esistdaserstemal,daßsiemich danach fragt.

«Ja,Ludwig.Bist du deines Namens niemals müde?» «Das schon.Meiner selber auch.»

Sie nickt,als wäre das das Selbstverständlichste derWelt. «Dann wechsle ihn doch.Warum willst du nicht Rudolf sein? Oder jemand anders.Reise doch weg.Geh in ein anderes Land. Jeder Name ist eines.»

«Ich heiße nun einmal Ludwig. Was ist da zu ändern? Jeder weiß es hier.»

Sie scheint mich nicht gehört zu haben.«Ich werde auch bald weggehen», sagt sie. «Ich fühle es. Ich bin müde und meiner Müdigkeitmüde.EsistallesschonetwasleerundvollAbschied und Schwermut undWarten.»

Ich sehe sie an und spüre plötzlich eine jähe Angst.Was mag sie meinen? «Ändert sich nicht jeder immerfort?» frage ich. Sie blickt zur Stadt hinüber.«Das meine ich nicht,Rudolf.Ich glaube,esgibtnocheinanderesÄndern.Eingrößeres.Eines,das

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wie Sterben ist.Ich glaube,es ist Sterben.»

SieschütteltdenKopf,ohnemichanzusehen.«Esriechtüberall danach», flüstert sie. «Auch in den Bäumen und im Nebel. Es tropftnachtsvomHimmel.DieSchattensindvolldavon.Undin den Gelenken ist die Müdigkeit.Sie hat sich hineingeschlichen. Ich gehe nicht mehr gern, Rudolf. Es war schön mit dir, auch wenndumichnichtverstandenhast.Duwarstdochwenigstens da.Sonst wäre ich ganz allein gewesen.»

Ichweißnicht,wassiemeint.EsisteinsonderbarerAugenblick. Alles ist auf einmal sehr still, kein Blatt regt sich, nur Isabelles HandmitdenlangenFingernschwingtüberdenRanddesKorbsessels,undleiseklirrtdasArmbandmitdengrünenSteinen.Die untergehende Sonne gibt ihrem Gesicht eine Farbe von solcher Wärme,daß es der Gegensatz von jedem Gedanken an Sterben ist–abertrotzdemistmir,alsbreitesichwirklicheineKühleaus wie eine lautlose Furcht, als könnte es sein, daß Isabelle nicht mehrdawäre,wennderWindwiederbeginnt–aberdannweht er plötzlich in den Kronen,er rauscht,der Spuk ist vorbei,und Isabelle richtet sich auf und lächelt.«Es gibt vieleWege,zu sterben»,sagtsie.«ArmerRudolf!Dukennstnureinen.Glücklicher Rudolf! Komm,laß uns ins Haus gehen.»

«Ich liebe dich sehr»,sage ich.

Sie lächelt stärker.«Nenne es,wie du willst.Was ist derWind und was ist die Stille? So verschieden sind sie und doch beide dasselbe.IchbineineWeileaufdenbuntenPferdendesKarussells geritten und habe in den goldenen Gondeln mit blauem Samt gesessen,die sich nicht nur drehen,sondern auch noch auf und nieder schweben.Du liebst sie nicht,wie?»

«Nein.IchhabefrüherlieberaufdenlackiertenHirschenundLöwengesessen.AbermitdirwürdeichauchinGondelnfahren.» Sie küßt mich.«Die Musik!» sagt sie leise.«Und das Licht der

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Karussells im Nebel!Wo ist unsere Jugend geblieben,Rudolf?» «Ja, wo?» sage ich und spüre plötzlich Tränen hinter meinen Augen und begreife nicht,warum.«Haben wir eine gehabt?» «Wer weiß das?»

Isabellestehtauf.ÜberunsimLaubrascheltes.Imglühenden LichtderspätenSonneseheich,daßeinVogelmiraufdasJackett geschissenhat.Ungefährdahin,wodasHerzist.Isabellesiehtes und biegt sich vor Lachen. Ich tupfe mit meinem Taschentuch die Losung des sarkastischen Buchfinken fort. «Du bist meine Jugend»,sageich.«Ichweißesjetzt.Dubistalles,wasdazugehört. Das eine und das andere und noch vieles mehr.Auch das, daß man erst weiß,was es war,wenn es einem entgleitet.» Entgleitet sie mir denn? denke ich.Was rede ich daher? Hatte ichsiedennje?Undwarumsolltesieentgleiten?Weilsieessagt? Oder weil da plötzlich diese kühle, lautlose Angst ist? Sie hat schon so vieles gesagt,und ich habe schon so oft Angst gehabt. «Ichliebedich,Isabelle»,sageich.«Ichliebedichmehr,alsichje gewußt habe.Es ist wie einWind,der sich erhebt und von dem man glaubt,er sei nur ein spielerischesWehen,und auf einmal biegt sich das Herz darunter wie eineWeide im Sturm.Ich liebe dich,HerzmeinesHerzens,einzigeStilleinalldemAufruhr,ich liebe dich, die du hörst, ob die Blume dürstet und ob die Zeit müde ist wie ein Jagdhund am Abend, ich liebe dich, und es strömt aus mir heraus wie aus einem soeben aufgeschlossenen Tor,hinterdemeinunbekannterGartensichö net,ichverstehe es noch nicht ganz und bin erstaunt darüber und schäme mich noch etwas meiner großen Worte, aber sie poltern heraus und hallenundfragenmichnicht,jemandredetausmir,denichnicht kenne,undichweißnicht,obeseinviertklassigerMelodramatiker ist oder mein Herz,das keineAngst mehr hat –»

IsabelleistmiteinemRuckstehengeblieben.Wirsindindersel-

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benAllee wie damals,als sie nackt durch die Nacht zurückging; aber alles ist jetzt anders.Die Allee ist voll vom roten Licht des Abends, voll von ungelebter Jugend, von Schwermut und von einem Glück, das zwischen Schluchzen und Jubel schwankt. Es ist auch keine Allee von Bäumen mehr; es ist eine Allee aus unwirklichem Licht,in dem die Bäume wie dunkle Fächer sich zueinander neigen, um es zu halten, einem Licht, in dem wir stehen, als wögen wir fast nichts, durchdrungen von ihm wie Silvesterkarpfen vom Geiste des Rums, in dem sie baden und der sie durchdringt,bis sie beinahe zerfallen.

«Du liebst mich?» flüstert Isabelle.

«Ichliebedich,undichweiß,ichwerdeniewiedereinenMenschen so lieben wie dich,weil ich nie wieder so sein werde wie jetzt in diesem Augenblick, der vergeht, während ich von ihm spreche, und den ich nicht halten kann, selbst wenn ich mein Leben gäbe –»

Sie sieht mich mit großen,strahlendenAugen an.«Jetzt weißt duesendlich!»flüstertsie.«Jetzthastduesendlichgefühlt–das Glück ohne Namen und die Trauer und den Traum und das doppelteGesicht!EsistderRegenbogen,Rudolf,undmankann überihngehen,aberwennmanzweifelt,stürztmanab!Glaubst du es nun endlich?»

«Ja»,murmle ich und weiß,daß ich es glaube und vor einem Augenblickauchgeglaubthabeundschonnichtmehrganzglaube.NochistdasLichtstark,aberandenRändernwirdesbereits grau, dunkle Flecken schieben sich langsam hervor, und der AussatzderGedankenbrichtdarunterwiederaus,nurverdeckt, aber nicht geheilt. Das Wunder ist an mir vorübergegangen, es hatmichberührt,abernichtverändert,ichhabenochdenselben Namenundweiß,daßichihnwohlbisansEndemeinerTagemit mirherumschleppenwerde,ichbinkeinPhönix,dieNeugeburt

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istnichtfürmich,ichhabezufliegenversucht,dochnuntaumele ich wie ein geblendetes schwerfälliges Huhn wieder zur Erde, zwischen die Stacheldrähte zurück.

«Sei nicht traurig»,sagt Isabelle,die mich beobachtet hat. «Ich kann nicht auf Regenbögen gehen, Isabelle», sage ich. «Aber ich möchte es gerne.Wer kann es?»

Sie nähert ihr Gesicht meinem Ohr.«Niemand»,flüstert sie. «Niemand? Du auch nicht?»

SieschütteltdenKopf.«Niemand»,wiederholtsie.«Aberesist genug,wenn man Sehnsucht hat.»

Das Licht wird jetzt schnell grau. Irgendwann war das alles schon einmal so,denke ich,doch ich kann mich nichterinnern, wann.Ich fühle Isabelle nahe bei mir und halte sie plötzlich in denArmen.WirküssenunswieVerfluchteundVerzweifelte,wie Menschen,diefürimmerauseinandergerissenwerden.«Ichhabe alles versäumt»,sage ich atemlos.«Ich liebe dich,Isabelle.» «Still!» flüstert sie.«Spricht nicht –»

Der fahle Fleck amAusgang derAllee beginnt zu glühen.Wir gehen auf ihn zu und bleiben am Tor des Parkes stehen. Die Sonne ist verschwunden,und die Felder sind ohne Farbe;dafür aberstehteinmächtigesAbendrotüberdemWalde,unddieStadt wirkt,als brenne es in den Straßen.

WirsteheneineWeilestill.«WelcheinHochmut»,sagtIsabelle dann plötzlich. «Zu glauben, daß ein Leben einen Anfang und ein Ende hat!»

Ich verstehe sie nicht gleich.Hinter uns bereitet sich der GartenbereitsfürdieNacht;abervoruns,auf deranderenSeitedes eisernen Gitters, flammt und brodelt es in einer wilden Alchimie. Ein Anfang und ein Ende? denke ich, und dann begreife ich, was sie meint; daß es Hochmut sei, ein kleines Dasein aus diesemBrodelnundZischenherausschneidenundabgrenzenzu

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wollen und unser bißchen Bewußtsein zum Richter zu machen überseineDauer,währendesdochhöchstenseineFlockeist,die kurzeZeitdarinschwimmt.AnfangundEnde,erfundeneWorte eineserfundenenBegri esZeitundderEitelkeiteinesAmöbenBewußtseins,das nicht untergehen will in einem größeren.

«Isabelle»,sageich.«DusüßesundgeliebtesLeben,ichglaube, ich habe endlich gefühlt, was Liebe ist! Es ist Leben, nichts als Leben, der höchste Gri der Welle nach dem Abendhimmel, nachdenverblassendenSternenundnachsichselbst–derGri , der immer wieder vergeblich ist,der des Sterblichen nach dem Unsterblichen – aber manchmal kommt der Himmel derWelle entgegen,undsiebegegnensichfüreinenAugenblick,unddann ist es nicht mehr Piraterie des einen und Versagen des andern, nicht mehr Mangel und Überfluß und Verfälschung durch Poeten,es ist –»

Ichbrecheab.«Ichweißnicht,wasichrede»,sageichdann.«Es strömt und strömt, und vielleicht ist Lüge dabei, aber dann ist es Lüge,weilWorte lügnerisch sind und wie Tassen,mit denen man Springbrunnen au angen will – aber du wirst mich auch ohne Worte verstehen, es ist noch so neu für mich, daß ich es nicht ausdrücken kann; ich wußte nicht, daß auch mein Atem lieben kann und meine Nägel lieben können und sogar mein Todliebenkann,undzumTeufeldamit,wielangeesdauertund obicheshaltenkannodernichtundobichesausdrückenkann oder nicht –»

«Ich verstehe es»,sagt Isabelle. «Du verstehst es?»

Sie nickt.«Ich hatte schon Sorge um dich,Rudolf.»

WarumsolltesieSorgeummichhaben,denkeich.Ichbindoch nicht krank.«Sorge?» sage ich.«Warum Sorge um mich?» «Sorge», wiederholt sie. «Aber jetzt habe ich keine mehr. Leb

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wohl,Rudolf.»

Ich sehe sie an und halte ihre Hände fest. «Warum willst du weg? Habe ich etwas Falsches gesagt?»

SieschütteltdenKopf undversucht,ihreHändeloszumachen. «Doch!» sage ich. «Es war falsch! Es war Hochmut, es waren Worte,es war Gerede –»

«Mach es doch nicht kaputt, Rudolf! Warum mußt du etwas, was du haben willst, immer gleich kaputtmachen, wenn du es hast?»

«Ja»,sage ich.«Warum?»

«DasFeuerohneRauchundAsche.Machesnichtkaputt.Leb wohl,Rudolf.»

Wasistdas?denkeich.EsistwieaufdemTheater,abereskann dochnichtsein!IstdaseinAbschied?Aberwirhabendochschon sooftAbschiedgenommen,jedenAbend!IchhalteIsabellefest. «Wir bleiben zusammen»,sage ich.

Sie nickt und legt den Kopf an meine Schulter, und ich fühle plötzlich,daß sie weint.«Wozu weinst du?» frage ich.«Wir sind doch glücklich!»

«Ja», sagt sie und küßt mich und macht sich los. «Lebe wohl, Rudolf.»

«Wozu sagst du Lebewohl? Dies ist doch kein Abschied! Ich komme morgen wieder.»

Sie sieht mich an. «Ach, Rudolf», sagt sie, als könne sie mir wieder etwas nicht klarmachen. «Wie soll man denn sterben können,wenn man nichtAbschied nehmen kann?»

«Ja», sage ich. «Wie? Ich verstehe das auch nicht.Weder das eine noch das andere.»

WirstehenvordemPavillon,indemsiewohnt.Niemandistin der Halle.Auf einem der Korbsessel liegt ein sehr buntes Tuch. «Komm»,sagt Isabelle plötzlich.

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Ich zögere einen Augenblick, aber ich kann um nichts in der WeltjetztwiederneinsagenundgehemitihrdeshalbdieTreppe hinauf.Siegeht,ohnesichumzusehen,inihrZimmer.Ichbleibe inderTürstehen.SieschleudertmiteinerraschenBewegungdie leichten goldenen Schuhe von ihren Füßen und legt sich aufs Bett.«Komm!» sagt sie.«Rudolf!»

Ich setze mich zu ihr. Ich will sie nicht noch einmal enttäuschen,aber ich weiß auch nicht,was ich tun soll,und ich wüßte nicht,was ich sagen sollte,wenn eine Schwester oderWernicke hereinkäme.«Komm»,sagt Isabelle.

Ich lege mich zurück,und sie legt sich in meinenArm. «Endlich», murmelt sie. «Rudolf», und schläft nach wenigen tiefenAtemzügen ein.

Es wird dunkel im Zimmer. Bleich steht das Fenster in der beginnenden Nacht. Ich höre Isabelle atmen und ab und zu Murmeln aus den Nachbarzimmern. Plötzlich wacht sie mit einem Ruck auf.Sie stößt mich von sich,und ich spüre,wie ihr Körper steif wird. Sie hält den Atem an. «Ich bin es», sage ich. «Ich,Rudolf.»

«Wer?»

«Ich,Rudolf.Ich bin bei dir geblieben.» «Du hast hier geschlafen?»

Ihre Stimme ist verändert. Sie ist hoch und atemlos. «Ich bin hiergeblieben»,sage ich.

«Geh!» flüstert sie.«Geh sofort!»

Ich weiß nicht,ob sie mich erkennt.«Wo ist das Licht?» «Kein Licht! Kein Licht! Geh! Geh!»

Ich stehe auf und taste mich zur Tür.«Habe keine Angst,Isabelle»,sage ich.

SieregtsichaufihremBett,alsversuchesie,dieDeckeübersich zuziehen.«Sogehdoch!»flüstertsiemitihrerhohen,veränderten

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