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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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derGrundfürEduardsunglaublicheFreigebigkeitseidieTatsa- che,daßGerdamitihmbereitsgeschlafenhabe–aberdasweiß ich dieses Mal besser.Rehrücken kriegt sie nur so lange,wie sie das noch nicht getan hat.Wenn er sie erst hat,gibt es nur noch Königsberger Klopse mit deutscher Tunke.Und ich habe keine Sorge,daß Gerda das nicht auch weiß.

Trotzdem beschließe ich,mit ihr nach dem Essen zusammen wegzugehen.VertrauenistzwarVertrauen,aberEduardhatzuviel verschiedene Liköre in der Bar.

Still und mit allen Sternen hängt die Nacht über der Stadt. Ich hocke am Fenster meines Zimmers und warte auf Knopf, für den ich die Regenröhre vorbereitet habe. Sie reicht gerade ins Fenster hinein und läuft von da über den Toreingang bis an das KnopfscheHaus.DortmachtdaskurzeStückeinerechtwinklige Biegung zum Hof hin. Man kann aber die Röhre vom Hof aus nicht sehen.

Ich warte und lese die Zeitung. Der Dollar ist um weitere zehntausend Mark hinaufgeklettert. Gestern gab es nur einen Selbstmord, dafür aber zwei Streiks. Die Beamten haben nach langem Verhandeln endlich eine Lohnerhöhung erhalten, die inzwischenbereitssoentwertetist,daßsiejetztkaumnocheinen Liter Milch in derWoche dafür kaufen können.NächsteWoche wahrscheinlich nur noch eine Schachtel Streichhölzer. Die Arbeitslosenzi eristumweiterehundertfünfzigtausendgestiegen. Unruhen mehren sich im ganzen Reich. Neue Rezepte für die VerwertungvonAbfälleninderKüchewerdenangepriesen.Die Grippewelle steigt weiter.Die Erhöhung der Renten für dieAl- ters-undInvalidenversicherungisteinemKomiteezumStudium überwiesen worden. Man erwartet in einigen Monaten einen Bericht darüber. Die Rentner und Invaliden versuchen sich in

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derZwischenzeitdurchBettelnoderdurchUnterstützungenvon Bekannten undVerwandten vor demVerhungern zu schützen. Draußen kommen leise Schritte heran. Ich luge vorsichtig aus dem Fenster.Es ist nicht Knopf;es ist ein Liebespaar,das auf ZehenspitzendurchdenHof indenGartenschleicht.DieSaisonist jetzt in vollem Gange, und die Not der Liebenden ist größer als je.Wilkehatrecht:wohinsollensiegehen,umungestörtzusein? Wenn sie versuchen, in ihre möblierten Zimmer zu schleichen, liegt dieWirtin auf der Lauer,um sie im Namen der Moral und des Neides wie ein Engel mit dem Schwert auszutreiben – in ö entlichen Anlagen und Gärten werden sie von Polizisten angebrüllt und festgenommen – für Hotelzimmer haben sie kein Geld – wohin sollen sie also gehen? In unserem Hof sind sie ungestört. Die größeren Denkmäler bieten Schutz vor anderen Paaren; man wird nicht gesehen, und man kann sich an sie anlehnen und in ihrem Schatten flüstern und sich umarmen, und die großen Kreuzdenkmäler sind nach wie vor für die stürmisch Liebenden an feuchten Tagen da,wenn sie sich nicht am Boden lagern können; dann halten die Mädchen sich an ihnen fest und werdenvonihrenBewerbernbedrängt,derRegenschlägtinihre heißen Gesichter,der Nebel weht,ihrAtem fliegt stoßweise,und dieKöpfe,derenHaarihrGeliebtermitseinenFäustengepackthat, sindhochgerissenwiediewiehernderPferde.DieSchilder,dieich neulich angebracht habe,haben nichts genützt.Wer denkt schon anseineZehen,wennseinganzesDaseininFlammensteht?

Plötzlich höre ich Knopfs Schritte in der Gasse. Ich sehe auf die Uhr. Es ist halb drei; der Schleifer vieler Generationen unglücklicherRekrutenmußalsoschwergeladenhaben.Ichdrehe dasLichtab.ZielbewußtsteuertKnopfsofortaufdenschwarzen Obelisken zu.Ich nehme das Ende der Regenröhie,das in mein Fenster ragt, presse meinen Mund dicht an die Oe nung und

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sage:«Knopf!»

EsklingthohlamanderenEnde,imRückendesFeldwebels,aus der Röhre,als käme es aus einem Grabe.Knopf blickt um sich; er weiß nicht, woher die Stimme kommt. «Knopf!» wiederhole ich. «Schwein! Schämst du dich nicht? Habe ich dich deshalb erscha en,damit du säufst und Grabsteine anpißt,du Sau?» Knopf fährt wieder herum.«Was?» lallt er.«Wer ist da?» «Dreckfink!» sage ich, und es klingt geisterhaft und unheimlich. «Fragen stellst du auch noch? Hast du einen Vorgesetzten zu fragen? Steh stramm,wenn ich mit dir rede!»

Knopf starrt sein Haus an,von dem die Stimme kommt.Alle Fenster darin sind dunkel und geschlossen.Auch die Tür ist zu. DasRohraufderMauersiehternicht.«Stehstramm,dupflichtvergessener Lump von einem Feldwebel!» sage ich. «Habe ich dir dafür Litzen am Kragen und einen langen Säbel verliehen, damitduSteinebeschmutzest,diefürdenGottesackerbestimmt sind?» Und schärfer, zischend, im Kommandoton: «Knochen zusammen,würdeloser Grabstein-Nässer!»

DasKommandowirkt.Knopf stehtstramm,dieHändeander Hosennaht.DerMondspiegeltsichinseinenweitaufgerissenen Augen.«Knopf»,sageichmitGespensterstimme.«Duwirstzum Soldaten zweiter Klasse degradiert,wenn ich dich noch einmal erwische! Du Schandfleck auf der Ehre des deutschen Soldaten und desVereins aktiver Feldwebel a.D.»

Knopf horcht, den Kopf etwas seitlich hochgereckt, wie ein mondsüchtiger Hund.«Der Kaiser?» flüstert er.

«Knöpfe deine Hose zu und verschwinde!» flüstere ich hohl zurück. «Und merke dir: Riskiere deine Sauerei noch einmal, und du wirst degradiert und kastriert! Kastriert auch! Und nun fort,du liederlicher Zivilist,marsch-marsch!»

KnopfstolpertbenommenaufseineHaustürlos.Gleichdarauf

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bricht das Liebespaar wie zwei aufgescheuchte Rehe aus dem Garten und saust auf die Straße hinaus.Das hatte ich natürlich nicht gewollt.

XIV

Der Dichterklub ist bei Eduard versammelt. Der Ausflug zum Bordellistbeschlossen.OttoBambusserhofftdavoneineDurchblutung seiner Lyrik; Hans Hungermann will sich Anregungen holenfürseinen«Casanova»undeinenZyklusinfreienRhythmen: «Dämon Weib», und selbst Matthias Grund, der Dichter des Buches vom Tode, glaubt für das letzte Delirium eines Paranoikers ein paar flotte Details erhaschen zu können.«Warum kommst du nicht mit,Eduard?» frage ich.

«Kein Bedürfnis», erklärt er überlegen. «Habe alles, was ich brauche.»

«So?Hastdu?»Ichweiß,waservorspiegelnwill,undichweiß auch,daß er lügt.

«Er schläft mit allen Zimmermädchen seines Hotels»,erklärt HansHungermann.«Wennsiesichweigern,entläßtersie.Erist ein wahrhafterVolksfreund.»

«Zimmermädchen! Das würdest du tun! Freie Rhythmen, freie Liebe! Ich nicht! Nie etwas im eigenen Hause!AlterWahlspruch.»

«Mit Gästen auch nicht?»

«Gäste.» Eduard richtet die Augen zum Himmel. «Da kann mansichnatürlichoftnichthelfen.DieHerzoginvonBell-Armin zum Beispiel –»

«Was zum Beispiel?» frage ich,als er schweigt. Eduard ziert sich.«Ein Kavalier ist diskret.»

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Hungermann bekommt einen Hustenanfall.«Schöne Diskretion!Wie alt war sie?Achtzig?»

Eduardlächeltverächtlich–aberimnächstenMomentfälltdas Lächeln von ihm ab wie eine Maske, deren Knoten gerissen ist; ValentinBuschisteingetreten.EristzwarkeinliterarischerMann, abererhattrotzdembeschlossen,mitzumachen.Erwilldabeisein, wenn Otto Bambuss seine Jungfernschaft verliert. «Wie geht es, Eduard?» fragt er.«Schön,daß du noch am Leben bist,was? Das mitderHerzoginhättestdusonstnichtgenießenkönnen.» «Woher weißt du, daß es wahr ist?» frage ich völlig überrascht.

«HabeesnurdraußenimGanggehört.Ihrredetziemlichlaut. Habtwohlschonallerleigetrunken.Immerhin,ichgönneEduard die Herzogin von Herzen. Freue mich, daß ich es war, der ihn dafür retten konnte.»

«EswarlangevordemKriege»,erklärtEduardeilig.Erwittert einen neuenAnschlag auf seinenWeinkeller.

«Gut, gut», erwidert Valentin nachgiebig. «Nach dem Kriege wirstduauchschondeinenManngestandenundSchöneserlebt haben.»

«In diesen Zeiten?»

«GeradeindiesenZeiten!WennderMenschverzweifeltist,ist erleichterdemAbenteuerzugänglich.UndgeradeHerzoginnen, PrinzessinnenundGräfinnensindindiesenJahrensehrverzweifelt.Inflation,Republik,keinekaiserlicheArmeemehr,daskann ein Aristokratenherz schon brechen!Wie ist es mit einer guten Flasche,Eduard?»

«IchhabejetztkeineZeit»,erwidertEduardgeistesgegenwärtig. «Tutmirleid,Valentin,aberheutegehtesnicht.Wirmachenmit dem Klub einenAusflug.»

«Gehst du denn mit?» frage ich.

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«Natürlich! Als Schatzmeister! Muß ich doch! Dachte vorhin nicht daran! Pflicht ist Pflicht.»

Ichlache.Valentinzwinkertmirzuundsagtnicht,daßaucher mitkommt. Eduard lächelt, weil er glaubt, eine Flasche gespart zu haben.Alles ist damit in schönster Harmonie.

Wir brechen auf. Es ist ein herrlicher Abend. Wir gehen zur Bahnstraße 2. Die Stadt hat zwei Pu s, aber das an der Bahnstraße ist das elegantere.Es liegt außerhalb der Stadt und ist ein kleines Haus,das von Pappeln umgeben ist.Ich kenne es gut;ich habe dort einen Teil meiner Jugend verbracht, ohne zu wissen, was dort los war.An den schulfreien Nachmittagen pflegten wir in den Bächen und Teichen vor der Stadt Molche und Fische zu fangenundauf denWiesenSchmetterlingeundKäfer.Aneinem besonders heißen Tage gerieten wir auf der Suche nach einem Gasthaus, um Limonade zu trinken, in die Bahnstraße 2. Die großeGaststubeimParterresahauswieandereGaststubenauch. Sie war kühl, und als wir nach Selterswasser fragten, bekamen wir es vorgesetzt. Nach einer Weile kamen ein paar Frauen in MorgenröckenundblumigenKleiderndazu.Siefragtenuns,was wirmachtenundinwelcherSchulklassewirwären.Wirbezahlten unsereSeltersundkamenamnächstenheißenTagewieder,diesmal mit unseren Büchern,die wir mitgebracht hatten,um im Freien am Bach unsere Aufgaben zu lernen. Die freundlichen Frauen waren wieder da und interessierten sich mütterlich für uns.Wir fandeneskühlundbehaglich,unddanachmittagsniemandaußer uns kam,blieben wir sitzen und begannen unsere Schularbeiten zu machen.Die Frauen sahen uns über die Schultern und halfen uns, als wären sie unsere Lehrer. Sie achteten darauf, daß wir unsere schriftlichen Arbeiten machten,sie kontrollierten unsere Zensuren,sie hörten uns ab,was wir auswendig lernen mußten, undgabenunsSchokolade,wennwirgutwaren,odergelegentlich

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aucheinemittlereOhrfeige,wennwirfaulwaren.Wirdachtenuns nichtsdabei;wirwarennochindemglücklichenAlter,woFrauen einem nichts bedeuten.Nach kurzer Zeit nahmen die nachVeilchen und Rosen duftenden Damen Mutterund Erzieherstellen bei uns ein; sie waren voll bei der Sache, und wenn wir nur in der Tür erschienen,kam es schon vor,daß ein paar Göttinnen in Seide und Lackschuhen uns aufgeregt fragten:«Was war mit der Klassenarbeit in Geographie? Gut oder schlecht?» Meine Mutter lag damals schon sehr viel im Krankenhaus, und so geschah es, daß ich einen Teil meiner Erziehung im Pu von Werdenbrück erhielt, und ich kann nur sagen, daß sie strenger war, als wenn ichsiezuHausegehabthätte.WirkamenfürzweiSommer,dann begannen wir zu wandern und hatten weniger Zeit, und meine Familie zog in einen anderen Teil der Stadt. Ich bin dann noch einmal im Kriege in der Bahnstraße gewesen.Das war am Tage, bevor wir ins Feld mußten.Wir waren knapp achtzehn Jahre alt, einigenochunterachtzehn,unddiemeistenvonunshattennoch niemiteinerFrauetwasgehabt.Wirwolltenabernichterschossen werden,ohneetwasdavonzukennen,unddeshalbgingenwirzu fünftindieBahnstraße,diewirjanochvonfrüherkannten.Eswar großerBetrieb,undwirbekamenunserenSchnapsundunserBier. NachdemwirunsgenügendMutangetrunkenhatten,wolltenwir unserHeilversuchen.Willy,derfrechstevonuns,wardererste.Er hieltFritzi,dieverführerischstevonallenanwesendenDamen,an. «Schatz,wiewäreesdenn?»

«Klar»,erwiderteFritzidurchdenLärmundRauch,ohneihn richtig anzusehen.«Hast du Geld?»

«Mehralsgenug.»WillizeigteseineLöhnungunddasGeldvor, das ihm seine Mutter gegeben hatte,damit er dafür eine Messe für eine glückliche Rettung aus dem Kriege lesen lassen sollte. «Na, also! Hoch das Vaterland!» sagte Fritzi ziemlich geistes-

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abwesendundsahindieRichtungdesBierausschanks.«Komm nach oben!»

Willy stand auf und legte seine Mütze ab. Fritzi stutzte und starrteaufseinbrandrotesHaar.EswarvoneinzigartigerLeuchtkraft, und sie kannte es natürlich, selbst nach sieben Jahren, sofort wieder. «Einen Augenblick», sagte sie. «Heißen Sie nicht Willy?»

«Absolut!» erklärteWilly strahlend.

«Und hast du nicht einmal hier deine Schularbeiten gemacht?»

«Richtig!»

«So – und du willst jetzt mit mir aufs Zimmer gehen?» «Natürlich!Wir kennen uns ja doch schon.»

WillygrinsteüberdasganzeGesicht.ImnächstenAugenblick hatteereineOhrfeigekleben.«DuFerkel!»sagteFritzi.«Duwillst mit mir ins Bett? Das ist doch das Letzte an Frechheit!» «Wieso?» stotterteWilly.«Alle andern hier –»

«Alle andern! Was gehen mich die andern an? Habe ich den anderen ihren Katechismus abgehört? Habe ich ihnen denAufsatz gemacht? Habe ich aufgepaßt, daß sie sich nicht erkälten, du verfluchter Rotzbengel?»

«Aber ich bin jetzt siebzehneinhalb –»

«Halt die Klappe! Das ist ja, als ob du Lümmel deine Mutter vergewaltigen wolltest! Raus hier,du minderjähriger Flegel!» «Er geht morgen in den Krieg»,sage ich.«Haben Sie kein patriotischesVerständnis?» Sie faßte mich insAuge.

«Bist du nicht der, der die Kreuzottern hier losgelassen hat? Drei Tage mußten wir das Etablissement schließen, bis wir die Biester gefunden hatten!»

«Ichhabesienichtlosgelassen»,verteidigteichmich.«Siesind mir entkommen.» Bevor ich noch mehr sagen konnte,hatte ich

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ebenfalls eine Ohrfeige sitzen.«Lausebengels! Raus mit euch!» Der Lärm brachte die Pu mutter herbei.Sie ließ sich von der empörten Fritzi die Sache erklären. Sie erkannte Willy auch sofort wieder. «Der Rote!» keuchte sie. Sie wog zweihundertvierzig Pfund und zitterte vor Lachen wie ein Berg von Gelee im Erdbeben.

«Und du! Heißt du nicht Ludwig?»

«Ja»,sagteWilly.«Aber wir sind jetzt Soldaten und haben ein Recht auf Geschlechtsverkehr.»

«So,ihrhabteinRecht!»DiePu mutterschütteltesicherneut. «Weißtdunoch,Fritzi,wieerAngsthatte,daßseinVatererfahren würde,er habe die Stinkbomben in der Religionsstunde geworfen? Jetzt hat er ein Recht auf Geschlechtsverkehr! Hohoho!» Fritzi sah den Humor der Sache nicht.Sie war ehrlich wütend und beleidigt.«Als wenn mein eigener Sohn –»

Die Pu mutter mußte von zwei Mann aufrecht gehalten werden.Tränen strömten über ihr Gesicht.Speichelblasen formten sich an ihren Mundwinkeln. Sie hielt sich mit beiden Händen den schwabbelnden Bauch. «Limonade», würgte sie heraus. «Waldmeisterlimonade! War das nicht» – Keuchen, Ersticken

«euer Lieblingsgetränk?»

«Jetzt trinken wir Schnaps und Bier», erwiderte ich. «Jeder

wird mal erwachsen.»

«Erwachsen!» Erneuter Erstickungsanfall der Puffmutter, Toben der beiden Doggen, die ihr gehörten und glaubten, sie würde attackiert. Wir zogen uns vorsichtig zurück. «Raus, ihr undankbaren Schweine!» rief Fritzi unversöhnlich.

«Schön», sagte Willy an der Tür. «Dann gehen wir eben zur Rollstraße.»

WirstandenmitunserenUniformen,unserenMordwa enund denOhrfeigendraußen.AberwirkamennichtzurRollstraße,zum

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zweiten Pu der Stadt. Es war ein Weg von über zwei Stunden, quer durch ganz Werdenbrück, und wir ließen uns lieber statt dessenrasieren.AuchdaswardaserstemalinunseremLeben,und da wir den Beischlaf nicht kannten, schien uns der Unterschied nichtsogroßwiespäter,zumalunsauchderFriseurbeleidigteund uns Radiergummi für unsere Barte empfahl.Nachher trafen wir dannweitereBekannte,undbaldhattenwirgenuggetrunkenund vergaßenalles.Sokames,daßwiralsJungfraueninsFeldfuhren und daß siebzehn von uns fielen,ohne je gewußt zu haben,was eine Frau ist.Willy und ich verloren unsere Jungfernschaft dann in Houthoulst in Flandern in einem Estaminet.Willy holte sich dabeieinenTripper,kaminsLazarettundentgingsoderFlandernschlacht,in der die siebzehn Jungfrauen fielen.Wir sahen daran bereitsdamals,daßTugendnichtimmerbelohntwird.

WirwanderndurchdielaueSommernacht.OttoBambusshält sichanmichalsdeneinzigen,derzugibt,denPu zukennen.Die anderenkennenihnauch,tunaberunschuldig,unddereinzige, derbehauptet,einfasttäglicherGastdortzusein,derDramatiker und Schöpfer des Monowerkes «Adam»,Paul Schneeweiß,lügt; er ist nie dort gewesen.

Ottos Hände schwitzen. Er erwartet Priesterinnen der Lust, Bacchantinnen und dämonische Raubtiere, und ist nicht ganz sicher, ob er nicht mit herausgerissener Leber oder zumindest ohne Hoden in Eduards Opel zurücktransportiert wird. Ich tröste ihn.

«Verletzungenkommenhöchstensein-,zweimalinderWoche vor, Otto! Und dann sind sie fast immer viel harmlosere Vorgestern wurde einem Gast von Fritzi ein Ohr abgerissen; aber soviel ich weiß, kann man Ohren wieder annähen oder durch Zelluloidohren von täuschenderÄhnlichkeit ersetzen.»

«Ein Ohr?» Otto bleibt stehen.

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