Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

.pdf
Скачиваний:
401
Добавлен:
08.06.2015
Размер:
2.96 Mб
Скачать

neue Symbolik schafft.Allerdings, so ist einzugestehen, ist der inOsnabrückarbeitendenRemarque-Forschungnochnichtge- lungen,zuentschlüsseln,woranderaufderRückseitedesPhotos genannte »Wäschepfahl« erinnern soll.

Au älligist,daßLudwigBodmer,schonimZugeaufderReise nach Berlin, einen Zusammenhang zwischen dem Obelisken undGeorgsSmokingherstellt.WährendLudwigdenObelisken verkauft,hatGeorginLudwigsKo erdenSmokinggepackt.Vielleicht ist das so zu deuten,daß Remarque mit seinemAbschied von Osnabrück und dem später folgenden Exil endgültig alles das, wofür der Obelisk steht, hinter sich läßt, um der Welt des Smokings zukünfig mehr zugetan zu sein als einem Deutschen Reichvonderhumorvollundsatirisch-bitterbeschriebenenArt desVaterlands desAutors.

IV.

Remarques Romane der fünfziger Jahre (Der Funke Leben, 952

Zeit zu leben und Zeit zu sterben, 954 – Der schwarze Obelisk,

956) bemühen sich um dieAufarbeitung deutscher Geschichte mit der Intention,die Leser zu einem wirklichen Neuanfang zu bewegen.Sie lesen sich zugleich auch als ständige Überprüfung der Grundgesetzwirklichkeit der neuen Republik und der Verankerungen der Menschenrechte an der Spitze der Verfassung im Umgang mit der Bewältigung derVergangenheit.

RemarquesMittel,dieSchilderungderVergangenheitalsPrüf- steinfürdieGegenwartzuverwenden–ausderenDi erenzsich die Aufgaben der Zukunft herleiten – wird besonders deutlich in Der schwarze Obelisk.

Im letzten Kapitel berichtet der Ich-Erzähler aus der Sicht

491

von«heute, 0JahrenachdemZusammenbruchderNazis»,das heißt aus der Sicht des Jahres 955.Dieser Roman trägt zudem, zumzweitenMalnachImWestennichtsNeues,einenVorspruch. Dort gibt Remarque die Position des bloßen Berichterstatters auf und appelliert nachdrücklich an seine Leser mit einer unüberhörbaren Warnung vor der möglichen Wiederholung der Geschichte.

Diese Warnung, die Remarque Mitte der fünfziger Jahre niedergeschrieben hat,geht einher mit der Bestandsaufnahme der Entwicklung der Bundesrepublik aus seiner Sicht. Trotz des NeubeginnsmiteinemdieErwartungenRemarqueserfüllenden Grundgesetz im Hinblick auf Menschenrechte und Menschenwürde,unterblieb die von ihm schon früh geforderteAufarbeitung der Vergangenheit.39 So heißt es noch in einem Brief vom5. Juni 96 an seinen Verleger: Zunächst eimal völlig reinen Tisch zu machen – leeren Tisch – und dann vorsichtig prüfend undnocheinmalprüfendanallesheranzugehen,dasscheintmir keineschlechteGrundlagezusein.2IndemeinzigenRomantext Remarques, den er deutlich auf einen Zeitraum 0 Jahr nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs datiert,das heißt im SchlußkapiteldesSchwarzen Obelisken,siehtRemarquenichtsvonder Bereitschaft,»völlig reinen Tisch zu machen« und wirklich neu anzufangen.

Er schildert,wie die ›Liberalen‹ wie Georg Kroll und die einfachen Arbeiter wie Kurt Bach in der Nazizeit ermordet oder zumKrüppelgemachtwurden.LakonischzählterdieOpferdes neuen «Golgatha» auf:

Wernicke … fiel 944, Willy fiel 942, Otto Bambuss 945, KarlKroll 944.LisawurdebeieinemBombenangri getötet. Ebenso die alte Frau Kroll.

Im Kontrast hierzu spricht er von den »Pensionen und Scha-

492

denersatzabfindungen, die an Generäle, Kriegsverbrecher und hohe frühere Parteibeamten gezahlt werden«.Erfährt fort:

Heinrich Kroll, der gut durch die Zeit gekommen ist, sieht darin mit viel Stolz einen Beweis für das unerschütterliche Rechtsbewußtsein unseres geliebtenVaterlandes.40

Dersarkastisch-satirischeTonRemarquesüberdas»unerschüt- terlicheRechtsbewußtsein«inDeutschlandistdasErgebnisder Negativbilanz, die Remarque in Sachen Aufarbeitung der NSZeit Mitte der fünfziger Jahre ziehen mußte. In dem einzigen ausgesprochenpolitischenArtikel,denRemarquepublizierthat, »BeVigilant«(Seidwachsam)4 ,erschienen 956imgleichenJahr wie Der schwarze Obelisk, zitiert er diesbezügliche Skandalfälle aus der Basler Nationalzeitung,einem seriösen Blatt,wie er ausdrücklich anmerkt (»Der Bonner Rehabilitationsskandal«).

Remarques Versuch, auf die ungebrochene Kontinuität des ›milden‹Umgangsmitnationalsozialistischen,späternazistisch eingestellten Tätern vonWeimar bis in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik hinzuweisen und an das überwiegend konservative »unerschütterliche Rechtsbewußtsein« zu erinnern, wird immer wieder deutlich in seinen Schriften der fünfziger Jahre.

Mit Der schwarze Obelisk, so scheint es, erkennt Remarque dasScheiternseinesaufklärerischenProgrammsundresigniert. Die Bilanz des ersten Nachkriegsjahrzehnts im Schlußkapitel von Der schwarze Obelisk ist negativ. Daher die Mahnung, ein letzter Versuch, mit erhobenem Zeigefinger auf das Versäumte undDrohendeaufmerksamzumachen.DanachkehrtRemarque mitseinemfolgendenRomanDerHimmelkenntkeineGünstlinge

(zunächst als Geborgtes Leben 959 als Fortsetzungsroman) zu seinen Anfängen als Schriftsteller zurück. Mit dieser Rennfahrer- und Liebesgeschichte knüpft Remarque unmittelbar an

493

seinen 927/28 verö entlichten Fortsetzungsroman Station am Horizont an.

Vielleicht erklärt dies die zugleich heitere und schwermütige RückkehrzurLebensphilosophieseinerfrühenScha ensperiode vorImWestennichtsNeues.Diesistverbundenmiteinerscharfen Absage an die Rationalität undVernunft.Gleich zu Beginn von

Der schwarze Obelisk heißt es:

DerMenschlebtzu75ProzentvonseinerPhantasieundnur zu25ProzentvonTatsachen–DasistseineStärkeundseine Schwäche …42

Zum Schluß sagt Bodmer resignativ,er habe einmal gelesen, daßWalroßherdensounbeteiligtbleiben,währendJägerun- terihnenmitKeulendieNachbarnerschlagen–undgesehen habe (er),daß ganzeVölker im Krieg dasselbe tun.43 DaherderRückzugBodmerindie»Irrenanstalt«,inderIsabelle die ›wahre Vernunft‹ repräsentiert.Alfred Antkowiak bemerkt hierzu:

Isabelle verkörpert von ihrem Wesen her den Mythos der Lebensphilosophie, die schlichte, tiefe mitreißende Gewalt des Lebens,von der auch der Held des Schwarzen Obelisken gepackt wird.Am Beginn des Romans fragt Bodmer noch: »Wozu lebe ich?« Am Ende weiß er es: »Um zu leben.« Er haterfahren,wasdasLebenist,underspürtesdurchIsabelle

ErerfaßtdiesesEigentlichesdasLeben,intuitiv,imZusammensein mit Isabelle. Auch das ist typisch lebensphilosophisch:Die Erkenntnis wird durch die Intuition ersetzt.44 Isabelle hat den wahren Zugang zum Sein.Dies ist der Traum vonLudwigBodmerunddiewahreGeschichteder»verspäteten Jugend«. Remarque allerdings weiß, daß dies eine «verspätete» ReaktionaufdieGeschichteist.ErlebtinderJetztzeit,underwill

494

alspolitischerSchriftsteller‹etwasbewirken.Daherverknüpfter die Rückennnerung an die Jugendzeit zugleich mit einer Absage,die auf ra nierteWeise dieWirklichkeit der fünfziger Jahre immer wieder durchbrechen läßt.Der durch die zahlreichen zu überbringenden Todesbotschaften irregewordene Briefträger Roth verkündet, »die Totgeglaubten seien noch am Leben … Bald kämen sie heim«.45

Aber wenn er dann sagt: »Sie kommen jetzt bald heim aus Rußland, unsere Soldaten«, so weist Remarque auf die Realität derJahre 955-56hin:AdenauersMoskaureiseunddieEntlassung der letzten Gefangenen aus russischer Kriegsgefangenschaft im Jahre 956. In dieser Verflechtung und Integration der unterschiedlichsten Motive ist Der schwarze Obelisk, alles in allem, einesderbestenBücherRemarques,ein»MeisterwerkderZeitgeschichte«, das die »dumpfe Enge deutscher Metaphysik und Teutonenhaftigkeit«mitderHo ungaufeineandereLebensform verknüpft.46

Remarque beendet sein Buch mit einem Hinweis »auf die Irrenanstalt und die Gebäranstalt«,die beide im Krieg unzerstört geblieben sind (es ist die Gebäranstalt, in der Remarque selber geboren wurde):

Sie waren sofort wieder voll belegt und sind es noch. Sie mußten sogar noch beträchtlich erweitert werden.

Dies ist der letzte Satz des Romans, den ich mit einem Ausspruch Valentins,des Lebensretters von Eduard Knobloch und jetzigem ständigen Gast für Essen und Trinken im »Walhalla«, kontrastieren möchte: Führt man auch mehr Kriege,weil mehr Menschen geboren werden?47

495

ANMERKUNGEN

1Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend. Roman, S.102

2Für die Einsicht in den Schriftwechsel ist demVerlag Kiepenheuer&Witsch zu danken.

3Remarque pflegte zunächst eine erste handschriftliche Fassung seiner Romane zu erstellen, die dann, in ein Typoskriptumgesetzt,solangekorrigiertwurde,biserdiefür den Druck vorgesehene Fassung beimVerlag ablieferte.In der Zeit der Publikationen seiner neuen Romane bei Kiepenheuer & Witsch (1952-1962) erfolgte dies immer nur in Kapitelpartien,so daß der Satz bei den knappen Fristen bis zur vorgesehenen Publikation schon beginnen konnte. Der schwarze Obelisk erschien im Oktober 1956.(Näheres über Remarques Arbeitsweise siehe: Thomas Schneider: »DerunbekannteRemarque.DerErich-Maria-Remarque- Nachlaß in der Fales-Library,NewYork – Ergebnisse und Aufgabenstellungen«.In:ErichMariaRemarque1898-1970.

Hrsg. von Tilman Westphalen. Redaktion: Angelika Howind,ThomasSchneider.Bramsche:Rasch1988,besonders

S.31 f.)

4Dies ergibt sich eindeutig aus dem Nachlaß. Bei anderen Romanen wurde die Titelfestlegung häufig erst kurz vor der Publikation imZusammenwirken mit den jeweiligen Verlagenentschieden(z.B.beiLiebe Deinen Nächsten,Zeit

zulebenundZeitzusterben,DerHimmelkenntkeineGünstlinge).

5 Die Leih-Bücherei, Frankfurt,November/Dezember 1956

6 Basler Nachrichten, 9.8.1957

7 Neue Tagespost, Osnabrück,13.11.1956

496

8 Der schwarze Obelisk, S.5

9 S.318

10ImWesten nichts Neues.MitMaterialienundeinemNachwortvonTilmanWestphalen.Köln:Kiepenheuer&Witsch 1987 (KiWi141).

11Vgl.Ralph Giordano: Die zweite Schuld oder Von der Last Deutscher zu sein. Hamburg 1987, S. 42 (in dem Kapitel: »AbsageandasDeutscheReich1871-1945. ZurGeschichte desVerlustes der humanen Orientierung«).

12Der schwarze Obelisk, S. 155-156. Giordano spricht von »jenerfatalenMischungausnationalemGrößenwahnund weinerlichenMinderwertigkeitskomplexen,diedenniederschmetternden Geschichtsverlauf, bar jeder realistischen Einsichtsfähigkeit,allein dem Neid und der Mißgunst der Gegner zuschrieb« (S.42).

13S.359

14So nennt ihn Bodmer,S.15

15Der schwarze Obelisk, S.19

16S.95

17S.197

18S.63

19S.7

20»Haben Sie denn überhaupt eine Ahnung, was schwarzer schwedischer Granit kostet?« (S. 264). Beim Verkauf im BordellpreistBodmerdannauchden»schwarzenschwedischen Granit« als »dasBeste,was wir haben« (S.374) an.

21S.301

22S.375

23Der schwarze Obelisk, S. 378

24S.102

25ImWestennichtsNeues(1929),DerWegzurück(1931),Drei

497

Kameraden (1938)

26Remarque-Collection1.84/003(nachderNumerierungdes 1989inOsnabrückerscheinendendreibändigenVerzeich- nissesdes62.000BlattumfassendenRemarque-Nachlasses in der Fales Library, New York). Eine mögliche Notiz für einenTitelwurf ist»StaubimWinde«,eineandere»S.d.L.« (»Stadt der Liebe«?).

27Der schwarze Obelisk,S.52-53

28S.29.»AushilfstätigkeitalsLehrerinLohnebeiLingen/Ems, Klein-Berssen/Hümmling und Nahne bei Osnabrück« (s. »KurzbiographieinDaten«in:ErichMariaRemarque18981970, Anm.3).

29Vgl.zurfrühenBiographiebesondersH.-G.Rabe:»Remar- que und Osnabrück«. In: Osnabrücker Mitteilungen, Band

77, 1970,S.196-246.

30S.Anm.7.

31Vgl.dieZerstörungdesHotels»Germania«inZeitzuleben und Zeit zu sterben in der in diesem Roman Werden genanntenStadtmitvielentopographischenÄhnlichkeitenzu Osnabrück.S.hierzu:PeterJunk:»OrtzulebenundOrtzu sterben:Osnabrück1943.FiktionundRealitätamBeispiel eines Romans«. In: Erich Maria Remarque 1898-1970 (s. Anm.3).

32Abgedruckt in: Man kann alten Dreck nicht vergraben

er fängt immer an zu stinken. Materialien zu einem E. M. Remarque-Projekt. Hrsg. von Lothar Schwindt und Tilman Westphalen. Osnabrück 1984 (Schriftenreihe der E.M.RemarqueDokumentationsstelle,No.2), S.209.Dieser Bandenthältein»Werdenbrück-undOsnabrück-Register zuderDerschwarzeObelisk«,dasPersonen,Lokalitätenund Sachbegri eausdemScharzenObeliskendenrealenNamen

498

und Bezugsobjekten gegenüberstellt und diese erläutert. Die im Roman mehrfach genannte »Rote Mühle« befandsich allerdings nicht in Osnabrück,sondern in Hannover, wohin Remarque als Werbetexter und Redakteur zu den Continental-Gummiwerken im Oktober 1922 ging.

33DerschwarzeObelisk,S.383.In:MankannaltenDrecknicht vergraben (s.Anm.32),auf S.208 erläutert.

34Abbildung in: Man kann alten Dreck nicht vergraben,

S.213.

35ImOsnabrückerTageblattsindinsgesamt4Strophendieses Gedichtesabgedruckt.Dieletztelautet:»WasdieZeitauch sende: unverdrossen/Wirket, daß das Blut der Heldenscharen/NichtumsonstimKampfewardvergossen,/Trage reiche Frucht in späten Jahren!«

36Man kann alten Dreck nicht vergraben, S.214-16

37Vorder-undRückseiteabgebildetin:ErichMariaRemarque 1898-1970, S.20 (s.Anm.3).Die genaue Datierung dieses Dokuments steht noch aus.

38Zu Pastor Bodendiek vgl. die ausführliche Notiz in: Man kann alten Dreck nicht vergraben, S.203.

39Vgl.hierzudasNachwortzuDerFunkeLebeninderKiWiAusgabe (Band 165).

40Der schwarze Obelisk, S.383

41In: Daily Express (London), 30.04.1956. Teilweise ist der Artikel in der Übersetzung abgedruckt in Die letzte Station (Schriften der E. M. Remarque Dokumentationsstelle, No.3).

42Der schwarze Obelisk, S.17

43S.346 (Ullstein TB)

44ErichMariaRemarque.LebenundWerk,Berlin/DDR1980,

S.132.

499

46Der schwarze Obelisk, S.305

47Telegraf, Berlin,13.01.1957.

48Der schwarze Obelisk, S.169

Ende E-Book: E. M. Remarque - Der schwarze Obelisk