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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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das ausgehen wird. Georg Kroll wird es mir sicher berichten. Möglich, daß der Glückspilz dabei noch ein zweites Denkmal in schwedischem Granit herausholt.

Draußen kommt der TischlerWilke über den Hof.«Wie wäre es mit einer Sitzung heute abend?» ruft er durchs Fenster.

Ich nicke. Ich habe schon erwartet, daß er das vorschlagen würde.«Kommt Bach auch?» frage ich.

«Klar.Ich hole gerade Zigaretten für ihn.»

Wir sitzen in der Werkstatt Wilkes zwischen Hobelspänen, Särgen,Blumentöpfen mit Geranien und Leimtöpfen.Es riecht nach Harz und frischgeschnittenem Tannenholz.Wilke hobelt denDeckeldesZwillingssargeszurecht.Erhatsichentschlossen, eineBlumengirlandeumsonstdreinzugeben,sogarvergoldet,mit Blattgoldersatz. Wenn er interessiert ist, ist der Verdienst ihm gleichgültig.Und hier ist er interessiert.

KurtBachsitztauf einemschwarzlackiertenSargmitfalschen Bronzebeschlägen; ich auf einem Prachtstück aus Natureiche, matt gebeizt. Wir haben Bier, Wurst, Brot, Käse und sind entschlossen, mit Wilke die Geisterstunde zu überstehen. Der Sargtischler wird nämlich gewöhnlich zwischen zwölf und ein Uhr nachts melancholisch, schläfrig und ängstlich. Es ist seine schwache Stunde. Man sollte es nicht glauben, aber er fürchtet sich dann vor Gespenstern, und der Kanarienvogel, den er in einem Papageienkäfig über seiner Hobelbank hängen hat, ist um diese Zeit nicht genug Gesellschaft für ihn.Er ist dann verzagt,sprichtvonderZwecklosigkeitdesDaseinsundgreiftzum Schnaps.Wirhabenihnschonöftermorgensbeso enaufeinem Bett von Hobelspänen schnarchend in seinem größten Sarg gefunden, mit dem er vor vier Jahren elend hereingefallen ist. Der Sarg war für den Riesen vom Zirkus Bleichfeld angefertigt

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worden,derplötzlichbeieinemGastspielinWerdenbrücknach einer Mahlzeit von Limburger Käse, harten Eiern, Mettwurst, KommißbrotundSchnapsgestorbenwar–scheinbargestorben, denn während Wilke die Nacht durch, allen Gespenstern zum Trotz,andemSargfürdenRiesenschuftete,hattedersichplötzlich mit einem Seufzer vom Totenbett erhoben und anstatt,wie esanständiggewesenwäre,Wilkeauf derStellezuverständigen, eine halbe Flasche Korn ausgeso en, die noch übriggeblieben war,und sich schlafen gelegt.Am nächsten Morgen behauptete er,keinGeldzuhabenundaußerdemkeinenSargfürsichbestellt zu haben, ein Einwand, gegen den nichts zu machen war. Der Zirkuszogweiter,unddaniemanddenSargbestellthabenwollte, bliebWilkedamitsitzenundbekamdadurchfüreinigeZeiteine etwasbittereWeltanschauung.Besondersärgerlichwareraufden jungen ArztWüllmann,den er für alles verantwortlich machte. Wüllmann hatte zwei Jahre als Feldunterarzt gedient und war dadurch abenteuerlich geworden.Er hatte so viele halbtote und dreivierteltoteMuschkotenimLazarettzurBehandlunggehabt, ohnedaßihnirgendjemandfürihrenTododerihreschiefgeheilten Knochen verantwortlich machte, daß er zum Schluß einen HaufeninteressanteErfahrungensammelnkonnte.Deshalbwar ernachtsnocheinmalzudemRiesengeschlichenundhatteihm irgendeineSpritzeverabreicht–erhatteöftersimLazarettgese- hen,daß Tote wieder erwacht waren –,und der Riese war auch promptwiederinsLebenzurückgewandert.Wilkehatteseitdem, ohnedaßereswollte,einegewisseAbneigunggegenWüllmann, diedieserspäterauchnichtdadurchausderWeltscha enkonnte, daß er sich wie ein vernünftiger Arzt benahm und die HinterbliebenenseinerFällezuWilkeschickte.FürWilkewarderSarg desRieseneineständigeMahnung,nichtzuleichtgläubigzusein, undichglaube,daswarauchderGrund,warumermitderZwil-

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lingsmutterinihreWohnunggegangenist–erwolltesichselbst davonüberzeugen,daßdieToteninzwischennichtschonwieder auf Holzpferdenherumritten.EswärefürWilkesSelbstachtung zuviel gewesen, neben dem unverkäuflichen Riesensarg auch nochmitdemquadratischenZwillingssarghängenzubleibenund so eine Art Barnum in der Zunft der Sargtischler darzustellen. AmmeistenhatteihnbeiderSachemitWüllmanngeärgert,daß er keine Gelegenheit gehabt hatte,mit dem Riesen ein längeres Privatgespräch zu führen.Er hätte ihm alles vergeben,wenn er mitihmeinInterviewüberdasJenseitshättehabenkönnen.Der RiesewarschließlicheinigeStundenlangsogutwietotgewesen, undWilke,alsAmateurwissenschaftlerundGespensterfürchter, hätte viel darum gegeben, Auskunft über das Dasein auf der anderen Seite zu erhalten.

Kurt Bach ist für all das nicht zu haben. Der Sohn der Natur ist immer noch Mitglied der Freireligiösen Gemeinde Berlin, deren Wahlspruch ist: «Macht hier das Leben gut und schön, kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn.» Es ist sonderbar, daß er trotzdem ein Bildhauer fürs Jenseits, mit Engeln, sterbenden Löwen und Adlern geworden ist, aber das war ja nicht immer seineAbsicht.Als er jünger war,hielt er sich für eineArt Ne en von Michelangelo.

Der Kanarienvogel singt. Das Licht hält ihn wach. Wilkes HobelmachteinzischendesGeräusch.DieNachtstehtvordem o enen Fenster.«Wie fühlen Sie sich?» frage ichWilke.«Klopft das Jenseits bereits?»

«Halb und halb. Es ist ja erst halb zwölf. Um die Zeit fühle ich mich, als ginge ich spazieren mit einem Vollbart in einem ausgeschnittenen Damenkleid.Unbehaglich.»

«Werden Sie Monist», schlägt Kurt Bach vor. «Wenn man an nichtsglaubt,fühltmansichniebesondersschlecht.Auchnicht

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lächerlich.»

«Auch nicht gut»,sagtWilke.

«Mag sein.Aber bestimmt nicht so,als hätte man einenVollbart und trüge ein ausgeschnittenes Damenkleid. So fühle ich mich nur,wenn ich nachts aus dem Fenster sehe,und da ist der Himmel mit den Sternen und den Millionen Lichtjahren, und ich soll glauben, daß über all dem eine Art Übermensch sitzt, dem es wichtig sein soll,was aus Kurt Bach wird.»

DerSohnderNaturschneidetsichbehaglicheinStückWurstab und verzehrt es.Wilke wird nervöser.Die Mitternacht ist schon zunahe,undumdieseZeitliebtersolcheGesprächenicht.«Kalt, was?» sagt er.«Schon Herbst.»

«Lassen Sie das Fenster nur ruhig o en», erwidere ich, als er es schließlich will.«Es nützt Ihnen nichts,Geister gehen durch Glas. Blicken Sie lieber auf die Akazie draußen! Sie ist die Lisa Watzek der Akazien. Hören Sie, wie der Wind in ihr rauscht! WieeinWalzerindenseidenenUnterröckeneinerjungenFrau. Eines Tages aber wird sie gefällt werden,und Sie werden Särge daraus machen –»

«Nicht aus Akazienholz. Särge macht man aus Eiche, Tanne, Mahagoni furniert –»

«Gut,gut,Wilke! Ist noch etwas Schnaps da?»

KurtBachreichtmirdieFlascheherüber.Wilkezucktplötzlich zusammen und hobelt sich fast einen Finger ab.

«Was war das?» fragt er erschreckt.

Ein Käfer ist gegen die Lampe geflogen.«Ruhig Blut,Alfred», sageich.«KeineBotschaftausdemJenseits.Lediglicheinschlichtes Drama der Tierwelt. Ein Mistkäfer, der zur Sonne strebt

– verkörpert für ihn in einer Hundertwattbirne im Hinterhaus der Hakenstraße drei.»

Es ist eineVerabredung,daß wir von kurz vor Mitternacht bis

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zumEndederGeisterstundeWilkeduzen.Erfühltsichdadurch geschützter.Nach ein Uhr sind wir wieder formell.

«Ich verstehe nicht,wie man ohne Religion leben kann»,sagt Wilke zu Kurt Bach.«Was macht man da,wenn man nachts im Dunkeln aufwacht bei einem Gewitter?»

«Im Sommer?»

«Natürlich,im Sommer.ImWinter gibt’s keine Gewitter.» «Man trinkt etwas Kaltes»,erwidert Kurt Bach.«Dann schläft man weiter.»

Wilke schüttelt den Kopf.Er wird um die Geisterstunde nicht nur ängstlich,sondern auch sehr religiös.

«Ichkanntejemand,derbeimGewitterinsBordellging»,sage ich. «Es zwang ihn direkt dazu. Er war sonst impotent; nur bei Gewitter änderte sich das.Eine Gewitterwolke sehen und zum Telefon greifen,um eine Reservation bei Fritzi zu machen,war einsfürihn.DerSommer 920warseinschönstesLebensjahr;da wimmelte es von Gewittern.Manchmal vier,fünf am Tage.» «Wasmachterjetzt?»fragtWilke,derAmateur-Wissenschaft- ler,interessiert.

«Er ist tot»,sage ich.«Gestorben während der letzten großen Gewitter im Oktober 920.»

DerNachtwindwirfteineTürimHausegegenüberzu.Vonden Türmen schlagen die Glocken. Es ist Mitternacht.Wilke kippt einen Schnaps herunter.

«WiewäreesjetztmiteinemSpaziergangzumFriedhof?»fragt der manchmal etwas gefühlsrohe Gottesleugner Bach. Wilkes Schnurrbart bebt vor Entsetzen imWinde,der durchs Fensterweht.«UndsowasnenntmannunFreunde!»sagtervorwurfsvoll.Gleich darauf erschrickt er wieder.«Was war das?» «Ein Liebespaar, draußen. Mach jetzt eine Pause im Hobeln, Alfred. Iß! Gespenster lieben keine Menschen, die essen. Hast

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du keine Sprotten hier?»

AlfredwirftmirdenBlickeinesHundeszu,denmantritt,während er gerade dem Ruf der Natur folgt.«Mußt du mich daran jetzterinnern?AnmeinelendesLiebeslebenunddieEinsamkeit eines Mannes im bestenAlter?»

«DubisteinOpferdeinesBerufs»,sageich.«Nichtjederkann das von sich sagen. Komm zum Souper! So nennt man diese Mahlzeit in der elegantenWelt.»

Wir greifen zu Wurst und Käse und ö nen die Bierflaschen. Der Kanarienvogel bekommt ein Salatblatt und bricht in Lebensjubel aus,ohne zu wissen,ob erAtheist ist oder nicht.Kurt Bach hebt das erdfarbene Gesicht und schnuppert. «Es riecht nach Sternen»,erklärt er.

«Was?»WilkesetztseineFlascheindieHobelspäne.«Wassoll denn das nun wieder?»

«Um Mitternacht riecht dieWelt nach Sternen.»

«LaßdochdieWitze!Wiekannjemandnurlebenwollen,wenn er an nichts glaubt und dann noch so redet?»

«Willstdumichbekehren?»fragtKurtBach.«DuErbschleicher des Himmels?»

«Nein, nein! Oder ja, meinetwegen. Hat da nicht was geraschelt?»

«Ja»,sagt Kurt.«Die Liebe.»

Wir hören draußen wieder ein behutsames Schleichen. Ein zweites Liebespaar verschwindet im Denkmalswald. Man sieht den weißen Fleck des wandernden Mädchenkleides.

«Warum sehen eigentlich die Menschen so anders aus, wenn sie tot sind?» fragtWilke.«Sogar Zwillinge.»

«Weilsienichtmehrentstelltsind»,erwidertKurtBach.Wilke hält im Kauen inne.«Wieso denn das?»

«Vom Leben»,sagt der Monist.

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Wilke klappt den Schnurrbart herunter und kaut weiter.«Um diese Zeit könntet ihr doch wohl mit dem Blödsinn aufhören! Ist euch denn nichts heilig?»

KurtBachlachtlautlos.«DuarmeRanke!Immermußtduwas haben,um dich dran festzuhalten.»

«Und du?»

«Ich auch.» Die Augen in dem Gesicht aus Lehm glänzen,als wärensieausGlas.DerSohnderNaturistgewöhnlichverschlossen und nichts anderes als ein gescheiterter Bildhauer mit gescheitertenTräumen;abermanchmalbrechendieUrbilderdieser Träumeausihmheraus,sowiesievorzwanzigJahrenwaren,und dann ist er auf einmal ein verspäteter Faun mitVisionen.

Auf dem Hof knistert und flüstert und schleicht es wieder. «Vor vierzehn Tagen gab es draußen mal einen Streit», sagt Wilke.«Ein Schlosser hatte vergessen,seineWerkzeuge aus der Taschezunehmen,undwährenddesstürmischenAktesmüssen siesichsounglücklichverlagerthaben,daßdieDameplötzlich von einer spitzenAhle gestochen wurde.Sie mit einem Sprung auf, ergreift einen kleinen Bronzekranz, schlägt ihn dem Me- chanikerüberdenSchädel–habenSiedenndasnichtgehört?» fragt er mich.

«Nein.»

«Haut ihm also den Bronzekranz so über die Ohren, daß er ihn nicht herunterkriegen kann.Ich mache Licht,frage,was los ist. Der Kerl, voll Angst, galoppiert los, den Bronzekranz wie ein römischer Staatsmann um den Schädel – habt ihr denn den Bronzekranz nicht vermißt?»

«Nein.»

«So was! Er also raus, als wenn ein Wespenschwarm hinter ihm wäre.Ich runter.Das Fräulein steht noch da,sieht auf ihre Hand.,Blut!‘ sagt sie.,Er hat mich gestochen! Und das in einem

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solchen Moment!‘

Ich sehe am Boden die Ahle und reime mir zusammen, was passiert ist. Ich hebe die Ahle auf. ,Das kann Blutvergiftung geben‘, sage ich. ,Sehr gefährlich! Einen Finger kann man abbinden; einen Hintern nicht. Selbst nicht einen so reizenden.‘ Sie errötet –»

«Wie konntest du das im Dunkeln sehen?» fragt Kurt Bach.– «Es war Mond.»

«Bei Mond sieht man Erröten auch nicht.»

«Man fühlt es», erklärt Wilke. «Sie errötet also, hält aber ihr KleidimmerwegvomKörper.SietrugeinhellesKleid,undBlut macht Flecken,die schwer zu entfernen sind,deshalb.,Ich habe JodundHeftpflaster‘,sageich.,Undichbindiskret.KommenSie!‘ Siekommtunderschricktnichteinmal.»Wilkewendetsichmir zu.«Das ist das Schöne an eurem Hof»,sagt er begeistert.«Wer zwischen Denkmälern liebt, hat auch keine Angst vor Särgen. So kam es,daß nach Jod und Pflaster und einem Schluck Port- wein-Verschnitt der Sarg des Riesen doch noch einen Zweck erfüllte.»

«Er wurde zur Liebeslaube?» frage ich,um sicher zu sein. «Der Kavalier genießt und schweigt»,erwidertWilke.

In diesem Augenblick tritt der Mond zwischen den Wolken hervor.Weiß leuchtet unten der Marmor, schwarz schimmern dieKreuze,undverstreutdazwischensehenwirvierLiebespaare, zweiimMarmorlager,zweiimGranit.EinenAugenblickistalles still und erstarrt in Überraschung – es gibt jetzt nur die Flucht oderdasvölligeIgnorierenderverändertenSituation.Fluchtist nichtsoungefährlich;manentkommtzwarimAugenblick,holt sich dafür aber einen solchen neurotischen Schock, daß er zur Impotenz führen kann. Ich weiß das von einem Gefreiten, der einmalvoneinemVizefeldwebelderPioniereimWaldmiteiner

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Köchinüberraschtwurde–erwarerledigtfürsLeben,undseine Frau ließ sich zwei Jahre später von ihm scheiden.

Die Liebespaare tun das Richtige. Wie sichernde Hirsche werfen sie die Köpfe herum – dann, die Augen auf das einzige erleuchtete Fenster gerichtet,unseres,das ja auch schon vorher da war,verharren sie,als hätte Kurt Bach sie ausgehauen.Es ist ein Bild der Unschuld,höchstens etwas lächerlich,auch wie bei BachsSkulpturen.Gleichdarauf wischteinWolkenschattenden Mondsohinweg,daßdieserTeildesGartensdunkelistundnur der Obelisk noch Licht hat.Aber wer steht dort,ein glitzernder Springbrunnen? Der pissende Knopf,wie die Statue in Brüssel, die jeder Soldat kennt,der in Belgien Urlaub hatte.

Es ist zu weit, um etwas zu tun. Ich fühle mich heute auch nicht so. Wozu soll ich wie eine Hausfrau reagieren? Ich habe heute nachmittag beschlossen, diesen Platz zu verlassen, und darum strömt mir das Leben jetzt doppelt stark zu,ich fühle es überall,im Geruch der Hobelspäne und im Mond,im Huschen undRaschelnimHof undindemunsäglichenWortSeptember, inmeinenHänden,diesichbewegenundesfassenkönnen,und in meinenAugen,ohne die alle Museen derWelt leer wären,in Geistern,Gespenstern,VergänglichkeitundderwildenJagdder ErdevorbeianCassiopeiaunddenPlejaden,inderAhnungvon endlosenfremdenGärtenunterfremdenSternen,vonStellungen in großen fremden Zeitungen und von Rubinen,die jetzt in der Erde zu rotem Leuchten zusammenwachsen, ich fühle es, und das verhindert mich,eine leere Bierflasche in die Richtung der Dreißigsekundenfontäne Knopf zu werfen –

IndiesemAugenblickschlagendieUhren.Esisteins.DieGeisterstundeistvorüber,wirkönnenzuWilkewiederSiesagenund uns entweder weiterbetrinken,oder in den Schlaf hinabsteigen wieineinBergwerk,indemesKohle,Leichen,weißeSalzpaläste

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und begrabene Diamanten gibt.

XIX

SiesitztineinerEckeihresZimmers,nebendasFenstergedrückt. «Isabelle»,sage ich.

Sieantwortetnicht.IhreAugenliderflatternwieSchmetterlinge, die von Kindern lebend auf Nadeln gespießt sind.

«Isabelle», sage ich. «Ich bin gekommen, um dich abzuholen.»

Sie erschrickt und drückt sich gegen die Wand. Sie sitzt steif und verkrampft da.«Kennst du mich nicht mehr?» frage ich. Siebleibtstillsitzen;nurdieAugendrehensichzumirherüber, wachsamundsehrdunkel.«Der,dersichalsDoktorausgibt,hat dich geschickt»,flüstert sie.

Es ist wahr.Wernicke hat mich geschickt. «Er hat mich nicht geschickt»,sage ich.«Ich bin heimlich gekommen.Keiner weiß, daß ich hier bin.»

Sie löst sich langsam von derWand.«Du hast mich auch verraten.»

«Ichhabedichnichtverraten.Ichkonntedichnichterreichen. Du bist nicht herausgekommen.»

«Ichkonntedochnicht»,flüstertsie.«Siestandenalledraußen undwarteten.Siewolltenmichfangen.Siehabenherausbekommen,daß ich hier bin.»

«Wer?»

Siesiehtmichanundantwortetnicht.Wieschmalsieist!denke ich.WieschmalundwiealleinindiesemkahlenZimmer!Siehat nicht einmal sich selbst.Nicht einmal dasAlleinsein ihres Ichs. SieistzersprengtwieeineGranateinlauterscharfkantigeStücke

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