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Stillehre

Voraussetzung und Ausgagspunkt jeder Stillehre ist die Auffassung, daß der Sprachstil lehrbar sei. Dieser Standpunkt liegt mehr oder weniger allen stilistischen Anweisungen zugrunde, von den ersten Rhetorenschulen der griechischen Sophisten bis zur Aufsatz- und Stillehre der Gegenwart; nur von Vertretern einer personalen Stilauffassung, die das Künstlerisch-Geniale des Stils hervorhebt, wird er gelegentlich in Frage gestellt. Allerdings ist hier zu differenzieren zwischen dem erlernbaren Wissen von den stilistischen Mitteln und Möglichkeiten und der Fähigkeit zu einem guten Audruck des einzelnen Sprechers zu. Das Wissen um die stilistischen Mittel und Möglichkeiten kann auf bestimmten Stufen die Entwicklung eines sachgemäßen wie persönlichen Ausdrucks fördern, ist jedoch – vor allem in der Stilentwicklung des Kindes und Jugendlichen – keine unabdingbare Voraussetzung für diesen Prozeß.

Drei Faktoren, die den Stil jedes Textes mehr oder weniger prägen, spielen dagegen in der Stillehre eine wichtige Rolle: der Bezug auf den Redegegenstand, auf den Redepartner und auf den Sprecher. Der Bezug auf den Redegegenstand, die Berücksichtigung des Redeinhalts und Redezwecks, die wir der antiken Rhetorik und in der Gattungsstilistik hervorgehoben und findet nun in der funktionalen Stilistik besondere Betrachtung. Der Bezug auf den intentional oder fiktiv angesprochenen Redepartner verlangt die Berücksichtigung aller kommunikativen Aspekte in der Textgestaltung. Er äußert sich nicht nur in partnerbezogenen oder partnerfernen Anrede- und Darstellungsformen, sondern auch in der Erzählhaltung, in der Klarheit, Folgerich-

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tigkeit und Anschaulichkeit des Textes, dessen Wirksamkeit dadurch entscheidend bestimmt ist. Der Bezug auf den Sprecher wird vor allem in der Ausprägung des Individualstils (Personalstils) sichtbar, durch den sich der Ausdruck des einen Sprechers in nichtnormierten Texten vom Ausdruck anderer Sprecher abhebt. Zweifellos wird der Individualstil auch von den übrigen Faktoren mitbestimmt. Die Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten erlaubt es jedoch, sich so oder anders zu äußern.

In der Entwicklungsgeschichte der Stillehre waren die Akzente nicht zu allen Zeiten gleichmäßig auf alle drei Faktoren verlagert. Die rhetorische Ausdruckslehre der Antike rückte zunächst die Wirkung der Rede auf das Publikum, auf das es ja in den Volks- und Gerichtsversammlungen besonders ankam, in den Vordergrund. Mit der Entwicklung und normativen Verwendung bestimmter Stilmittel in bestimmten Redeformen gewann der Bezug auf Gattungen und Textsorten stärkere Geltung und behielt sie bis ins 18. Jh., wo sich, zumindest im Bereich der Dichtung und des persönlichen Briefes, mit der Ablösung der Regelpoetik durch die Erlebnispoetik das Ideal des Individualstils durchsetzte.

In der Aufsatzlehre als Lehre und Übung der Stilformen vollzogen sich ähnliche Wandlungen. Hier blieb allerdings die rhetorische Auffassung des Stils, die im Schulaufsatz die Nachahmung vorbildlicher Muster betonte, länger wirksam, bis sie durch eine stärkere Gattungsbindung ergänzt und verdrängt wurde. Durch die pädagogischen Reformbestrebungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. setzte sich dann die Vorstellung vom individuellen Sprachstil im Schulaufsatz stärker durch; dieser geriet aber in die Gefahr, die Sachbindung im »freien« und »spachschaffenden« Aufsatz zu verlieren. Die schulische Aufsatzlehre der Gegenwart sucht deshalb die Sach- und Gattungsbindung der Aufsätze mit der Förderung des individuellen Ausdrucks zu verbinden. H. Helmers kennzeichnet diese Entwicklung als Epochen der Imitation, der Reproduktion und der Produktion.1

Die bisher genannten Bezüge und die Arbeitsweisen der Aufsatzlehre verdienen auch vom einzelnen Sprecher, der einen besseren Sprachstil anstrebt, beachtet zu werden. Insbesondere gilt dies für die Funktion des Textes und die stilistischen Anforderungen, die durch die jeweilige Textsorte gestellt werden. Die Berücksichtigung des Partnerbezuges veranlaßt hingegen oft erst die entscheidenden testlichen Prägungen. Imitative Arbeitsweisen der Text- und Stilgestaltung an Hand von Vorlagen und Musterbüchern (z.B. Briefstellern für Geschäftsbriefe) sind noch heute für einige Textsorten (z.B. Briefe, Gesetze) üblich. Sie tragen allerdings dazu bei, daß ältere Ausdrucksweisen länger als angemessen tradiert werden und so die Gefälligkeit und Verstehbarkeit der Texte beeinträchtigen (z.B. im »Behördendeutsch«). Hier sollte die Besinnung auf einen natürlicheren, kommunikativ und sachlich angemessenen Ausdruck korrigierend wirken. Textmuster sollten also Anregungen zur eigenen Textgestaltung bieten und nicht kopiert werden.

Die »freie« Textgestaltung muß zum planlos assoziierenden Sprachausdruck führen, wenn man darunter die Lösung von jeder Gegenstands- und Partnerbindung, also ein ungezwungenes »Drauflosschreiben«, versteht. Die Initia-

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toren dieser Aufsatzlehre hatten dies wohl kaum im Sinn, vielmehr nur den Verzicht auf einengende Schreibregeln und Textmuster; sie erstrebten die Forderung des erlebniserfüllten Ausdrucks. An die Stelle der Muster- und Gegenstandsbindung tritt nun die Anknüpfung an die erlebnisstarke Situation. Daß diese ein wichtiger Antrieb für alle Sprachäußerungen und Stilgestaltungen ist, besonders bei den imaginativ sensibleren Kindern, wird man kaum bestreiten können.

Die situative Bindung der Stilaufgaben sollte jedoch nicht bei der Förderung der Sprecherleistung verweilen, sondern auch den Partner- und Gegenstandsbezug der Texte berücksichtigen. Anzustreben ist eine ausgewogene Synthese zwischen den Anforderungen der drei Relationen an die Testgestaltung. Eine Berücksichtigung der verschiedenen Textsorten in der schulischen Aufsatzlehre sucht dem gerecht zu werden.

Ziel der didaktischen Stillehre muß es dabei sein, den Sprecher dazu anzuleiten, sich nicht nur sprachlich richtig, sondern auch stilistisch passend (d.h. zweck- und partnerbezogen) auszudrücken, »die Fülle der Ausdrucksmöglichkeiten zu erkennen und die verschiedenen Stilmittel in angemessener Weise verwenden zu lernen«2.

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