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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Wechsel der Kasusrektionen

Vom stilistisch relevanten Wechsel zwischen den Wortarten wenden wir uns den Möglichkeiten des Wechsels in den Kasusrektionen der Substantive zu, der Fähigkeit bestimmter Wortarten (Verben, Adjektive, Präpositionen), bestimmte Kasus abhängiger Substantive oder Pronomina zu bestimmen, zu »regieren«. Die Erfahrungen der Sprachgeschichte lehren indes, daß derartige Zuordnungen nicht für alle Zeiten gelten. Auch heutzutage ist das Nebeneinander älterer und jüngerer Rektionen zu beobachten, das ein Nebeneinander fast durchweg synonymer Ausdrucksformen im Bereich der Verb-

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ergänzungen ermöglicht. Für die Stilwahl und Stilanalyse kann dabei von Interesse sein, für welche der Wahlmöglichkeiten sich der Autor wiederholt entscheidet.

Doppelformen entstehen hier vor allem aufgrund der zunehmenden Durchsetzung präpositional eingeleiteter Substantive und Substantivgruppen anstelle reiner Objektskasus. Diese Entwicklung betrifft insbesondere den Genitiv und den Dativ. Die Duden-Grammatik (Nr. 5565) führt etwa 70 Verben mit schwankender Rektion auf, die alternative Kasuszuordnungen erlauben. Manche davon spiegeln ein offenbares Nebeneinander älterer und neuerer Gebrauchsweisen, z.B.:

Er erinnerte sich der vergangenen Zeit. – Er erinnerte sich an die vergangene Zeit.

Es lohnt der Mühe nicht. – Es lohnt die Mühe nicht.

Ich kann mich seiner entsinnen. Ich kann mich an ihn entsinnen.

Bei anderen bestehen häufig (vor allem im mündlichen Sprachgebrauch) Zweifel über die richtige Kasusverwendung:

Es kostet mich zehn Mark. – Es kostet mir zehn Mark.

Es kostet für mich zehn Mark.

Das kommt mir teuer zu stehen. – Das kommt mich teuer zu stehen.

Die Füße schmerzen mich. – Die Füße schmerzen mir.

In zahlreichen Fällen ist das Nebeneinander längst grammatisch legalisiert:

Ich schreibe ihm/an ihn. Ich sagte ihm/zu ihm. Ich vertraue ihm/auf ihn. Ein Wagen folgte dem anderen/auf den anderen.

Doch auch bei den Verben, denen die Grammatiken noch eindeutige Kasusrektionen zuordnen, tauchen bereits gelegentlich Präpositionalgefüge auf, die das Zuordnungsverhältnis zwischen Objekt und Verb genauer bestimmen:

Er besann sich eines Besseren. – Er besann sich auf Besseres.

Zuweilen wird statt auf ein abgeleitetes Verb, das den Genitiv fordert, auf die Grundform zurückgegriffen, die ein präpositionales Gefüge erfordert:

Es ermangelt des Wassers in der Burg. – Es mangelt an Wasser in der Burg.

Ältere Wendungen mit Genitivrektion wirken gehobener, vornehmer als die häufiger verwendeten akkusativischen oder präpositionalen Wendungen und finden sich daher zumeist in dichterischen Texten traditioneller Art:

Ja, er empfand Zephyrs schmerzenden Neid auf den Nebenbuhler, der des Orakels, des Bogens und der Kithara vergaß, um immer mit dem Schönen zu spielen. (Th. Mann, »Tod in Venedig«)

Grammatische Varianten innerhalb des Verbsystems

Während im Bereich der substantivischen und adjektivischen Flexion Wahlmöglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks nur zwischen älteren und neueren Kasusbindungen oder unterschiedlichen Wortbildungstypen bestehen, alle

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übrigen grammatischen Beziehungen jedoch eindeutige Festlegungen erfordern, ist das Formensystem des Verbs von vornherein auf die Konkurrenz mehrerer Formklassen angelegt, wie sie sich aus den sprachlichen Oppositionen von Indikativ und Konjunktiv, Aktiv und Passiv sowie aus den verschiedenen Tempusformen (Zeitstufen), resthaft auch aus den verschiedenen Formen des Ausdrucks der Aktionsarten, ergeben.

Dieser Hinweis auf den Reichtum des deutschen Verbalsystems an stilistischen Variationsmöglichkeiten darf nicht so verstanden werden, als gäbe es keine grammatische Formenstrenge, als seien der subjektiven sprachlichen Entscheidung alle Pforten geöffnet. Der einzelne Sprecher ist auch hier an die Beachtung der Grammatikalität, an die Einhaltung des jeweiligen formal-strukturellen Regelsystems und seine paradigmatischen Gruppennormen gebunden. Eine gewisse stilistisch bedeutsame Freiheit bestitzt er jedoch bei der Wahl der genannten sprachlichen Oppositionen. Es ist von seiner Sicht der Dinge und seiner Darstellungsabsicht abhängig, ob er ein Geschehen in der Form des Indikativs oder des Konjunktivs, im Tempus der Gegenwärtigkeit (Präsens) oder in einer der Vergangenheitsformen erzählt, ob er einen Vorgang als andauernd oder abgeschlossen betrachtet und dementsprechend sprachlich kennzeichnet. Sowohl die Wahl der jeweils dominierenden Formklasse (z.B. Präteritum-Indikativ) als auch einzelne Wechsel in alternative Formklassen (z.B. Präteritum-Konjunktiv) sind somit als stilistische Entscheidungen anzusehen. Allerdings werden, wie die funktionale Stilbetrachtung lehrt, derartige Entscheidungen zumeist mit der Wahl einer bestimmten Textform (Gattung) gekoppelt. Wer sich zur Abfassung einer Erzählung entschließt, wählt oft zugleich das Präteritum als dominierende Tempusform, wer eine Gebrauchsanweisung schreiben will, das Präsens usw. (vgl. S. 280ff.).

Neben diesen kategorialen Stilmöglichkeiten bietet das deutsche Verbsystem manche Möglichkeiten der Variation durch umschreibende Nebenformen (z.B. beim Konjunktiv) sowie durch Übergänge in andere Wortarten (z.B. Partizipien, Infinitivsubstantivierungen).

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