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Sowinski-Deutsche_Stilistik.doc
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Möglichkeiten der Umformung oder des Wechsels grammatischer Kategorien als Stilmittel

Wenn wir eingangs eine Stilauffassung hervorhoben, die im Stil die jeweilige Art und Weise der Verwendung möglicher Sprachmittel begreift, so setzt dies voraus, daß es innerhalb des Inventars sprachlicher Ausdrucksmittel Variationsmöglichkeiten gibt, die es uns erlauben, den gleichen Sachverhalr, die gleiche Information, auf verschiedene Weise auszusagen. Indem sich der Sprecher für bestimmte Ausdrucksmöglichkeiten entscheidet, realisiert er seinen Stil, eine ihm eigene Darstellungsweise, die aus dem Zusammenwirken bestimmter Ausdrucksabsichten und persönlicher Spracheigenheiten (internalisierter Darstellungsmuster) entsteht und zugleich die Neigung zu bestimmten Sichtweisen oder Akzentuierungen erkennen läßt.

Die Zusammenstellung und Beschreibung des Inventars der möglichen Ausdrucksmittel und Regeln einer Sprache (ihrer »langue«) obliegt der jeweiligen Grammatik. Es bleibt eine Aufgabe einer systematisierenden Stilistik, die Wahlmöglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks zusammenzustellen und nach ihrer stilistischen Bedeutung zu charakterisieren, um auf diese Weise für Stilgestaltung und Stilanalyse das Repertoire der grammatischen Stilmittel bewußt zu machen.

Im folgenden sollen daher die grammatischen Möglichkeiten der Ausdrucksvariation, soweit sie stilistisch relevant sein können, einander gegenübergestellt werden.1 Es handelt sich dabei vor allem um Formen des Wechsels zwischen den Wortarten, den Tempus-, Modus- und genera verbi-Formen des Verbs, den Numeri und den Kasus der Substantive, die untereinander ausgetauscht werden können und daher als stilistische Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Stilprobleme der Wortartendifferenzierung

Wir beginnen mit einigen grundsätzlichen Erwägungen zur Wahl der Wortarten im Deutschen:

Die deutsche Sprache verfügt – wie die meisten idg. Sprachen – über die drei wichtigsten Wortarten Verb, Substantiv, Adjektiv, die sprachliche Aussagen über die Wirklichkeiten des Denkens und Seins ermöglichen, und mehrere rein funktionale Wortarten (deren Zahl verschieden festgelegt wird), die Verbindungen zwischen den genannten semantisch starken (autosemantischen) Wortarten knüpfen und damit geschlossene Aussagen über die außersprachliche Wirklichkeit ermöglichen. Den einzelnen Wortarten können im Rah-

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men der Sprachverwendung bestimmte Stilwirkungen zukommen2, doch soll darüber an anderer Stelle gesprochen werden (vgl. S. 213ff.).

»Die Wortarten unterscheiden sich auf die besondere Weise, in der sie an der sprachlichen Erschließung der Welt teilnehmen, und durch das Vorhandensein oder das Fehlen einer Formenwelt«, so formuliert die Duden-Grammatik3 Wesen und Leistung der Wortarten.

Die Verben erfassen die außersprachliche Wirklichkeit als Geschehen oder Sein sowie unter den grammatischen Kategorien der Personalität, der Zeitlichkeit, der Wirklichkeit oder Möglichkeit, der Momentanität oder Dauer, Intensität und Wiederholung.

Die Substantive nennen und benennen Einzelheiten der Wirklichkeit als Gegen-stände oder begriffliche Einheiten im Rahmen der Kategorien von Zahl und gram-matischem Geschlecht sowie in der variablen Beziehung zu anderen Wortarten, besonders zum Verb, die sich in der Formenabwandlung (Deklination) ausdrückt.

Die Adjektive schließlich spiegeln »die Stellungnahme eines Sprechers zu den Wesen oder Dingen (Substantiven), zum Sein oder Geschehen (Verben), zu Eigenschaften selbst (Adjektiven oder Partizipien) oder auch zu Umständen (Adverbien)«4 in der Form von Urteilen, Charakterisierungen oder bloß registrierenden Kenntnisnahmen, in bestimmten Fällen auch unter der Kategorie der Steigerung bzw. des Vergleichs (Komparation).

Obgleich diese drei Wortarten unterschiedliche Funktionen im Rahmen der sprachlichen Wirklichkeitsspiegelung und in der zwischenmenschlichen Kommunikation erfüllen, sind sie in vielen Fällen in der Lage, das gleiche Geschehen der Wirklichkeit sprachlich zu fassen, wenn auch unter den verschiedenen Perspektiven der jeweiligen sprachlichen Leistung. Für die Sprachverwendung und somit für die stilistische Gestaltung einer Aussage bedeutet dies, daß bestimmte Phänomene der Wirklichkeit in dreifacher Weise sprachlich »begriffen« werden können, als Geschehen oder Zustand, als einzelne Erscheinung (Wesen) oder als Feststellung oder Urteil; z.B.:

Er zürnt. – Er ist voller Zorn. – Er ist zornig.

Nur bei wenigen Sachverhalten ist die dreifache Aussagemöglichkeit in der gleichen Weise wie hier realisierbar. Andere Aussagen werden nur bei Zusätzen oder Abwandlungen kongruent, z.B.:

Er freut sich darüber. – Er ist voller Freude darüber. – Er ist erfreut/froh darüber.

Wieder andere Aussagen lassen sich auf diese Art nur teilweise variieren; meistens ist dabei die adjektivische Ausdrucksmöglichkeit nicht gegeben:

Er kommt um 12 Uhr an. – Seine Ankunft ist/erfolgt um 12 Uhr.

Bei anderen Verben ist eine synonyme Aussage durch eine andere Wortart nicht möglich.

Trotzdem kann die Aussage über einen Sachverhalt mit Hilfe verschiedener Wortarten in vielen Fällen als eine stilistische Möglichkeit betrachtet werden, die unterschiedliche Ausdrucksnuancen zuläßt. Seine Ankunft wirkt zweifellos statischer, sachlicher als das verbale Er kommt an ... Die moderne Transformationsgrammatik wird einen Satz wie Seine Ankunft ist um 12 Uhr

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formal in eine Tiefenstruktur Er kommt um 12 Uhr an überführen. Über die stilistische Angemessenheit der einen oder anderen Formulierung ist damit jedoch nichts weiter gesagt, lediglich eine Ausdrucksvariation für die Fälle bewiesen, in denen eine Oberflächenstruktur aus einer semantisch gleichen Tiefenstruktur transformierbar ist.

Das Beispiel zeigt auch, daß der Wortbildung für derartige Fragen der Aussagenvariation eine große Bedeutung zukommt. Das Verbalsubstantiv Ankunft ermöglichte erst die Umwandlung eines Verbalsatzes mit ankommen in einen Nominalsatz. Alle anderen Verbalsubstantive, z.B. die verschiedenen nomina actionis wie Lauf, Start, Sprung, Schritt, die auf -ung (Rettung, Geltung usw.), auf -nis (Bekenntnis etc.) sowie substantivierte Infinitive erlauben dies in unterschiedlicher Weise. Außerdem können auch nomina agentis (auf -er) als Varianten eingesetzt werden:

Er sprang am besten. – Sein Sprung war der beste. – Er war der beste Springer.

Seine Wunde heilte sehr schnell. – Die Heilung seiner Wunde vollzog sich sehr schnell.

Er wußte um die Sache. – Sein Wissen um die Sache.

Er gestand gestern. – Er legte gestern ein Geständnis ab.

Nicht jede Umwandlung dieser Art ergibt jedoch den gleichen Sinn und ist stilistisch brauchbar:

Sie schrieb sehr gut. – Sie hatte eine sehr gute Schrift.

Ist nicht ohne weiteres aussagekongruent, da der erste Satz sich auch auf Stil Ausdrucksvermögen, Phantasie u.a. beziehen kann, der zweite dagegen nur auf die Handschrift.

Weitere Ausdrucksvariationen sind mit Hilfe der Partizipien möglich. Da die meisten infiniten Perfektformen ebenso wie alle Präsenspartizipien in verbaler und adjektivischer wie auch in substantivischer Verwendung auftreten können, bieten sich hier weitere Austauschgelegenheiten:

Die Nachricht bestürzt uns. – Die Nachricht ist für uns bestürzend. – Die für uns bestürzende Nachricht ... (Das Bestürzende der Nachricht).

Er rief ihn an. – Er ist von ihm angerufen worden. – Der von ihm Angerufene.

Fast ebenso reichhaltig wie die Substitutionen zwischen Verben und Substantiven sind die zwischen Adjektiven (einschließlich der Partizipien) und Substantiven.

Die einfachste Form des Wortartentausches ist hier die Substantivierung von isolierten Adjektiven durch Zufügung eines Artikels:

Er ist grün – der Grüne; er ist am fleißigsten – der Fleißigste; er ist gestern verstorben – der gestern Verstorbene ...

Da zahlreiche Adjektive (auf -ig, -haft, -isch, -voll) von Substantiven gebildet sind, ergeben sich verschiedene Ausdruckssubstitutionen, wenn das Lexem der adjektivischen Ableitung als Substantiv noch die gleiche Bedeutung bewahrt:

Er war sehr fleißig. – Er zeigte großen Fleiß.

Sie kleidete sich modisch. – Sie kleidete sich nach der Mode.

Er war ganz hoffnungsvoll. – Er war voller Hoffnung.

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Im umgekehrter Weise können substantivische Ableitungen von Adjektiven (auf -keit, -heit) mit den entsprechenden Adjektiven wechseln (geringe Bedeutungsunterschiede sollen dabei unberücksichtigt bleiben):

Sie wollen frei bleiben. – Sie wollen ihre Freiheit bewahren.

Alle Dinge sind vergänglich. – Die Vergänglichkeit aller Dinge ...

Er war ganz benommen. – In seiner Benommenheit ...

Der abstrakte Charakter, der mit den Adjektivlexemen bereits angedeutet ist, wird durch die Substantivierungen noch gesteigert; insoweit sind die Aussagenpaare nicht ganz kongruent, können jedoch wegen des gleichen Sachbezugs und der semantischen Ähnlichkeit als stilistische Variationen gelten. Die stilistische Substituierbarkeit zwischen Adjektiven und Verben ist weniger ausgebildet. Zwar gibt es die Möglichkeit, bestimmte Adjektivlexeme zur Verbbildung zu nutzen, z.B.: grün → grünen; hell → erhellen, aufhellen; einig → einigen; doch spielen dabei die Aktionsarten der jeweiligen Verben eine besondere Rolle. Adjektivlexeme liegen fast ausschließlich faktitiven oder ingressiven bzw. inchoativen Verben zugrunde, die die Realisierung eines Zustandes oder den Beginn bzw. Verlauf einer Entwicklung anzeigen (ahd. jan- und ên-Verben). Soll eine Bedeutungsgleichheit zwischen Adjektivsätzen und den entsprechenden Verbsätzen erreicht werden, so muß das Verb der Adjektivsätze diese zugrunde liegende Aktionsart ebenfalls ausdrücken (z.B. grün werden: grünen, größer machen: vergrößern).

Da als Verbergänzung der einzelnen Adjektive fast nur semantisch schwache Verben wie »werden« und »machen« in Frage kommen, empfiehlt sich allerdings meistens, bei den abgeleiteten Verben zu bleiben, die gefälliger wirken und das Prozeßhafte des Vorgangs stärker suggerieren.

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