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Parenthese

Der Einschub eines kontextfernen Satzes oder Satzteils in einen bestehenden Satz wird im täglichen Sprachgebrauch kaum noch als Besonderheit empfunden, so sehr ist diese Form – die Parenthese (gr. Einschiebung) – bereits heimisch geworden. Man verwendet sie, wenn man einen Gedanken einfügen will, der in den Redezusammenhang gehört, sich aber weder als Vorschaltsatz oder als Nachtrag noch zur Einbeziehung als untergeordneter Gliedsatz eignet, zumindest nicht ohne Formveränderung. Die Parenthese ist oft das Ergebnis eines plötzlichen Einfalls, eines assoziativen Denkens, und deshalb besonders im Gespräch anzutreffen, findet sich aber auch bei einzelnen auktorialen Erzählern wie in Ich-Erzählungen. In mündlicher Rede verlangt der Einschubsatz (»Gastsatz«)36 eine andere, meist tiefere Stimmlage im Vortragston, in der schriftlichen Fixierung eine Kennzeichnung des Einschubs durch Gedankenstriche, Klammern oder Kommata.

Die Parenthese ist meistens ein Teil des Autorkommentars bzw. der Erzählerrede. Sie kann als solche verschiedene Funktionen übernehmen: eine ergänzende Funktion, indem sie bestimmte Erläuterungen nachholt:

Ein so unverhoffter und merkwürdiger Tag erschien vor nunmehr etwa vier Monaten – wir stehen augenscheinlich am Anfang des Februars –, und an diesem Tage sah ich etwas ausnehmend Hübsches. (Th. Mann, »Der Bajazzo«)

Sie kann in Form einer allgemeinen Bemerkung oder einer Frage die Erzählung verzögern und Spannung wecken:

Ottilie ward einen Augenblick – wie soll man’s nennen – verdrießlich, ungehalten, betroffen; ... (Goethe, »Die Wahlverwandtschaften«)

Sie kann eine Rechtfertigung oder Selbstdarstellung des Erzählers enthalten:

Der andere mochte drinnen auf dem sicheren Ende der improvisierten Schaukel hocken, und da Rudolf – ich sag es ungern – ein türkischer Junge ist, graute mir vor dem Wagstück. (C. F. Meyer, »Jürg Jenatsch«)

Mitunter kontrastieren »Stammsatz« und »Gastsatz«, indem der Einschub das Geschehen des Hauptsatzes satirisch beleuchtet:

... und auf dem dortigen Observatorium zeigt man noch einen überaus künstlichen Einschachtelungsbecher von Holz, den er [Kurfürst JanWillem] selbst in seinen Freistunden – er hatte deren täglich 24 – geschnitzelt hat.

(H. Heine, »Ideen. Das Buch Le Grand«)

Auch eingeklammerte Anfügungen können hierzu gezählt werden:

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Wir sahn dich durch den Schlachtendonner reiten

(auf Ansichtskarten und im Lesebuch).

(E. Weinert, »Wilhelm hat Geburtstag«)37

Schließlich ist noch auf eingeschobene Wendungen an das Publikum hinzuweisen, die der Form des Beiseitesprechens in Lustspielen ähnelt:

Die Augen der Helden sind schön – Madame, riechen Sie nicht Veilchenduft? – sehr schön, und doch so scharf geschliffen ...

(H. Heine, »Ideen. Das Buch Le Grand«)

Die häufige Verwendung von Parenthesen kann als Kennzeichen des Indivi-dualstils mancher Autoren gelten. Kleist, Jean Paul, Heine, Thomas Mann u.a. machen von dieser Möglichkeit in unterschiedlicher Weise Gebrauch und beleben dadurch ihre Gedankengänge und Darstellungen. Stellung und Länge des Einschubs sind für die Wirkung des Stils mitunter wichtig.

Außerhalb der Dichtung sind Parenthesen nur in Reden und Vorträgen, Kommentaren und Erläuterungen, Beschreibungen und Briefen ich-bezogener und auktorialer Autoren anzutreffen. Als Parenthesen sind Einzelwörter ebenso möglich wie Satzgefüge; die Stellung in der Satzmitte wird bevorzugt. Die Grenzen zum Nebensatz sind dabei oft nur formaler Natur. So kann z.B, ein Redner auf bereits Gesagtes in Form eines Nebensatzes oder einer Parenthese hinweisen:

Der Vorgang vollzieht sich, wie wir bereits sagten, in der Weise, daß ...

Der Vorgang – wir sagten es bereits – vollzieht sich so ...

In einigen Grammatiken werden auch Interjektionen und Anredenominative zur Parenthese gezählt38, doch ist hier der inhaltliche Situationsbezug zum Kontext meistens enger:

Ach, wäre es hier!

Recht eng ist auch das Verhältnis zwischen Parenthese und Appositionen sowie verkürzten Haupt- und Gliedsätzen. Als Appositionen gelten substantivische Ergänzungen, meistens in Nachstellung und im gleichen Kasus (vgl. S. 125f.), neuerdings auch gelegentlich nur im Nominativ39:

Pescara, der große Belagerer, wird sie schnell wegnehmen ...

(C. F. Meyer, »Die Versuchung des Pescara«)

Er legte seine Hand auf Labiaks Kopf, glatter, fester Kegelkopf.

(A. Seghers, »Gefährten«)

Der Kasuswechsel rückt derartige »freie Appositionen« in die Reihe der Parenthesen. Ihre Gestaltungsfreiheit ist zwar weniger groß, erlaubt jedoch kurze Zusätze in der Form des Einzelworts sowie längere in der Form der Relativsätze:

Pinnau, braver, also armer Leute Sohn, von oft bewiesenem Fleiß, der das Baden im Pregelstrom angefangen hat, noch einiges – und Poesie auch – aber was wird schon aus ihm ... (J.Bobrowski, »Epitaph für Pinnau«)

In der Gegenwartsliteratur scheint die Apposition, die ja einer nachträglich korrigierenden oder ergänzenden Autorhaltung entspringt, zurückzutreten. Dafür findet sie sich häufiger in beschreibenden und anpreisenden Werbetexten, auch wenn sie hier graphisch oft vom Bezugswort (Artikelname) getrennt erscheint:

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Frische Leute reden über Schöneres : vivimed ein erfreuliches Thema.

Dugena – ]eunesse, junge, liebenswerte Mode. Ein Pop-Modell in 800er Silber.

(Uhrenwerbung)

Bayerischer Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas.

(Touristikwerbung)

Als verkürzte Sätze in ähnlicher Nachstellung wie die Appositionen kommen hauptsächlich einfache oder erweiterte Adjektive und Adverbien, Partizipien und Infinitive in Frage, die durch Komma (oder Gedankenstrich, bei Isolierungen auch durch Punkte) vom Kontext abgetrennt werden. In den Grammatiken sind solche Bildungen als »satzwertige« Satzglieder bezeichnet.40 Häufig handelt es sich um satzwertige Partizipien I oder II (Zustandspassivformen) oder deren elliptische Ergänzungen, denen Formen von »sein« oder »haben« zugedacht werden können, sowie um satzwertige Infinitive mit »zu«, »um zu«, »ohne zu«:

Hier unten aufgestellt,

Kriegsgeräte, nachtgefärbt

unter dem. Sternbild des Schützen

(Nelly Sachs, »Hier unten aufgestellt«)

Als Waagrechte durchschneidet fast die Hälfte des Bildes ein Ackerrand. Parallel zu ihm, tiefer, die Mauer eines Friedhofes, nur ein Ausschnitt von dem Teil, wo sie in einem rechten Winkel endet. Deutlich die Feldsteine, breite Platten, alles aufeinander geschichtet, und zwischen diesen beiden Linien bewegt sich der Karren. (Wolfgang Maier, »Adam, wie geht's?«)

Hier erlaubt der Kontext den Verzicht auf finite Verbformen der »Hauptsätze«. Absolute Nominative und Adjektiv- bzw. Partizipformen genügen zum Verständnis solcher Informationen. Die Auslassung semantisch schwacher Verben (z.B. »sein«, »haben«), die sich auch in der Umgangssprache häufig findet, kennzeichnet die Satzverkürzung der folgenden Beispiele:

Erstaunlich, wie gefräßig sie jetzt wurde.

(Otto F. Walter, »Der Knecht Kaspar«)

Gut, tritt ans Fenster!

(H.Piontek, »Vor Augen«)

Mitunter kann durch die Sonderstellung und Abtrennung eines normalen Satzadverbs (meist in Nachstellung) die gleiche Stilwirkung solcher Satzverkürzungen erreicht werden:

Ich tat das, zitternd.

(Th. Bernhard, »Im Armenhaus«)

Enger an den Satz gebunden erscheinen satzwertige Infinitive:

Wie ein Silberfisch anzuschauen, flog ich durch die Regionen des Äthers ...

(H. Kasack, »Das unbekannte Ziel«)

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