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Wort und Wortbedeutung als Stilmittel

Über den Begriff des Wortes herrscht in der Wortforschung wenig Überein-stimmung,4 Es genügt hier aber, als Wörter alle selbständig vorkommenden, isolier- und hervorhebbaren Laut- und Bedeutungseinheiten aufzufassen. Auch Redewendungen, Redensarten sind zu berücksichtigen. Für den Stil

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ist besonders die semantische Leistung der Wörter als Bedeutungsträger wichtig.

Durch zum Teil sehr alte Übereinkommen der Sprachgemeinschaften sind bestimmten Lautkombinationen bestimmte Bedeutungen zuerkannt worden. Die so entstandenen Wörter als Einheiten von Lautzeichen und Sinn ermöglichen erst die sprachliche Verständigung. Da solche Wortbedeutungen jedoch im Laufe der Zeit Schwankungen und Veränderungen unterliegen, zudem mitunter recht komplexer Natur sind und bei unterschiedlichen Kontextbedingungen (Situationen etc.) semantisch verschieden akzentuiert werden, bieten sich für den Sprachausdruck wie für die stilistische Gestaltung recht vielfältige Variationsmöglichkeiten. Zur Verdeutlichung genügt es, auf die ältere, von O. Erdmann6 herausgearbeitete Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenbedeutung (begrifflichen Inhalt, Nebensinn und Gefühls- und Stimmungsgehalt) der Wörter hinzuweisen, die heute als denotative und konnotative Bedeutung bezeichnet werden. Während der denotative Sinn der Wörter verhältnismäßig fest ist (zumindest für eine gewisse Zeit) und als allgemeiner Sinn (lexikalische Bedeutung) in den Wörterbüchern »notiert« werden kann, wird der (mitunter sehr subjektive) konnotative Sinn (die Mitbedeutung) oft erst durch den spachlichen wie situativen Kontext erkennbar.7 Aus einer der Bedeutungsschichten eines Wortes ergibt sich zudem die Möglichkeit zur Verwendung in »übertragener« (metaphorischer) Bedeutung wie auch zur Erzielung einer bestimmten Stilfärbung.8

In der stilistischen Textgestaltung werden die Stilwerte der konnotativen wie der übertragenen Bedeutungen häufig aktualisiert und intensiviert, um bestimmte Stilwirkungen zu erreichen. Vielen Wörtern ist dabei eine Stilfärbung eigen, die sich sowohl aus dem üblichen Verwendungsbereich und Häufigkeitsgrad als auch aus der vorhandenen oder ihnen im Kontext zuerkannten Nebenbedeutung der Wörter ergibt. E. Riesel spricht von einer funktionalen und semantisch expressiven Stilfärbung der Wörter.9 Die funktionale Stilfärbung ist die »spezifische Atmosphäre«, die einem Wort »innerhalb dieser oder jener funktionalen Verwendungsweise der Sprache«10 zukommt, die in der Gesamtheit des funktional bestimmten Textes oder in der isolierten Verwendung in einem stilistisch anderen Kontext spürbar wird, wo dieses Wort wegen seiner Stilfärbung mitunter als Stilbruch wirkt. Wir verdeutlichen das an einem Beispiel: Das Substantiv Inanspruchnahme, das nach dem Muster von Landnahme, Rücksichtnahme u.ä. aus dem Funktionsverb in Anspruch nehmen gebildet ist, gehört funktional und usuell zur Stilschicht der Sprache des öffentlichen Verkehrs, insbesondere der »Behördensprache«. Es läßt sich als begriffliche Kennzeichnung eines bestimmten Vorgangs in Sätzen wie Die Inanspruchnahme dieser Haushaltsmittel darf nur nach Zustimmung des Finanzausschusses erfolgen angemessen verwenden und trägt neben anderen Wörtern dieses Bereichs zur besonderen Stilprägung solcher Texte bei.11 Erschiene nun dieses Wort in einem stilistisch anderen Kontext, beispielsweise in einem persönlichen Bericht, anstelle von

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aufsuchen – in Anspruch nehmen: Meine Inanspruchnahme des Arztes erfolgte gestern nachmittag für: Ich suchte gestern nachmittag den Arzt auf, so wäre die Stilfärbung des Behördenstils unverkennbar; dieses Wort würde dann in diesem Kontext (persönl. Bericht in 1. Person) unangemessen erscheinen.

Nicht ganz so störend wirkte das Beispiel einer semantisch-expressiven Stilfärbung in einem anderen Kontext, wie etwa bei einer Vertauschung der Wörter Kopf und Haupt, die aufgrund ihrer Beziehung auf dem gleichen außersprachlichen Gegenstand als »begriffliche Synonyme« angesehen werden können, jedoch unterschiedliche Silfärbungen aufweisen. Während Kopf heute als übliche umgangssprachliche Bezeichnung des vorderen (oberen) Körperendes ein Wort ohne besondere Stilfärbung ist und nur in einigen übertragenen Bedeutungen (z.B. er ist der Kopf der Bande = der Klügste, Maßgebliche) durch die Bildhaftigkeit expressiver wirken kann, besitzt das Wort Haupt aufgrund seiner Altertümlichkeit von vornherein eine Stilfärbung der Exzeptionellen, Poetischen, und paßt deshalb nicht in die Umgangssprache. Sätze wie Mein Haupt schmerzt mir. Ich habe eine Wunde am Haupt sind daher stilwidrig; eine Verwendung mit einem ähnlich archaischen Verb (z.B. Er entblößte sein Haupt) oder in übertragender Bedeutung (Das Haupt der Familie) wäre dagegen in einer entsprechenden textlichen Umgebung stilistisch angemessen.

Zu den konnotativ wie kontextuell bzw. funktional bedingten Stilfärbungen können subjektiv bestimmte Gefühlswertungen hinzutreten, die besonders im mündlichen Ausdruck oder stärker persönlichen Texten sichtbar werden.

Die angeführten Beispiele zeigen, daß nicht alle Wörter eine bestimmte Stilfärbung mitbringen oder im Kontext erlangen; ein großer Teil des Alltagswortschatzes sowie alle Synsemantika (Konjunktionen, Präpositionen usw.) – soweit sie nicht eine altertümlich oder funktional eingeschränkte Stilfärbung aufweisen (z.B. weiland, betreffs) – sind dementsprechend als »nullexpressiv« anzusehen.12

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