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Präteritum (Imperfekt)

Das Präteritum oder Imperfekt ist die wichtigste Form zum Ausdruck eines als zurückliegend betrachteten Geschehens oder Zustandes, die nur noch als Erinnerung bewußt sind oder durch eine literarische Darstellung bewußt gemacht werden sollen.26 Das Geschehen wird durch das Präteritum in eine größere Distanz zum Präsens des Erlebens gerückt, als dies durch das Perfekt möglich wäre, obwohl es auch als Opposition zu beiden Tempora im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch begegnen kann. Das Präteritum ist die älteste Form der deutschen Vergangenheitstempora. Darauf weist schon die synthetische Bildungsweise hin. Erst im Laufe des Spätmittelalters setzten sich die übrigen (zusammengesetzten) Vergangenheitstempora durch und übernahmen Aufgaben, die ursprünglich allein vom Präteritum erfüllt worden waren.

Die synthetische Bildungsweise des Präteritums bietet stilistisch manche Vorteile gegenüber den »zusammengesetzten« Tempora: die präteritalen Formen wirken kürzer und verlangen keine Satzklammern, zumindest nicht durch die bei anderen Tempora übliche Trennung von finiten und infiniten Verbteilen. Das Präteritum wird daher mitunter auch dort gewählt, wo es sich um einzelne resultative Aussagen handelt, die eine Verwendung des Perfekts angebracht erscheinen ließen, z.B. bei Kennzeichnung von Dienstleistungen, Herstellernamen u.ä.:

Die Titelseite gestaltete Max M. – Sie hörten Nachrichten.

Man hat derartige Präteritumsformen, soweit sie dem Bestreben nach Nachahmung dichterischer Ausdrucksweisen entstammen, etwas spöttisch als »Ästhetenpräteritum« bezeichnet.27 Allerdings trifft diese Charakterisierung nur zu, wenn das Präteritum befremdend wirkt, etwa im mündlichen Sprach-

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gebrauch (vgl. ich tat es – ich habe es getan), jedoch nicht, wo es um kurze schriftliche Kennzeichnungen eines Vorgangs geht. Von solchen Einzelverwendungen abgesehen, erweist sich das Präteritum vor allem als Tempus der erzählerischen Kontinuität, des erzählerischen Zusammenhangs. Selbst dort, wo dieser fehlt, kann das Präteritum (in Verbindung mit der inhaltlichen Aussage des Verbs) einen solchen suggerieren:

Sie gingen nach Hause. – Sie sahen den Film. – Ich hörte den Schuß.

Bestimmend dafür ist die allgemeine Leistung des Präteritums, das den Eindruck eines ablaufenden Geschehens vermittelt, selbst dann, wenn es sich nur um momentane Vorgänge oder resultative Mitteilungen handelt28:

Das Glas zerbrach. Die Glocke schlug eins. Er erkannte die Zusammenhänge.

Soll das Momentane oder Abgeschlossene des Vorgangs bei gleichzeitiger Wahrung des Erzähltempus betont werden, so verwendet man entsprechende Zeitadverbien, die den perfektiven Aspekt vermitteln:

Plötzlich zerbrach das Glas. In diesem Augenblick erkannte er die Zusammenhänge.

Die Verwendung des Perfekts zerstörte hier nicht mir die erzählerische Kohärenz, sondern würde auch die Erzählperspektive verändern, indem sie das Geschehen stärker an die Sicht und Gegenwart des konstatierenden Berichterstatters bände:

In diesem Augenblick hat er die Zusammenhänge erkannt.

Das Abrücken des Geschehens vom Standpunkt des Sprechers, das durch das Präteritum bewirkt wird, macht es für die Darstellung fiktiver Geschehnisse, wie sie in der erzählenden Literatur geboten werden, besonders geeignet. Der Verlauf einer Erzählung kann so eine eigene Zeitabstufung gewinnen, die nicht mehr von der zeitlichen Fixierung des Geschehens im Hinblick auf den Erzähler abhängig ist, sondern sich nach textimmanenten Angaben aufbaut:

Sieben Jahre waren vorüber. Reinhard sollte zu seiner weiteren Ausbildung die Stadt verlassen. Elisabeth konnte sich nicht in den Gedanken finden, daß es nun eine Zeit ganz ohne Reinhard geben werde ... (Th. Storm, »Immensee«)

Der Aufbau eigener Zeitstrukturen innerhalb der vom Präteritum geschaffenen Zeitebenen kann zur Ausbildung eines erzählerischen Futurs führen, das mit Hilfe des Präteritums und adverbialer Zeitangaben ausgedrückt wird29:

Morgen war Weihnachten. – In einer Stunde rief ihn der Vater. – Am Abend mußte er die Arheit fertig haben. – Beim nächsten Mal konnte er das nicht hinnehmen.

In einer mündlichen Sprechsituation wirken derartige Sätze, die zugleich Vergangenheit und Zukunft signalisieren, paradox. Verständlich werden sie vor allem aus der vom Erzähler mitgeteilten Bewußtseinssituation der handelnden Personen, wie sie sich in den stilistischen Sonderfomien des inneren Monologs, noch mehr in der Form der erlebten Rede spiegelt, die an anderer Stelle erläutert werden (vgl. S. I54ff.). Eine solche Wendung kann allerdings auch aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers vorgebracht werden, der damit die Situation seiner Roman-(Novellen- etc.)Figuren ver-

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deutlichen will. Der Fortgang der Erzählung könnte dann etwa das vorzeitige Handeln der Personen kennzeichnen:

Morgen war Weihnachten. Hans hatte noch keine Vorbereitungen für das Fest getroffen.

Für Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit gelten dann ähnliche futurische bzw. konjunktivische Ausdrucksformen:

Morgen war Weihnachten. Er wußte nicht, was er dann tun sollte (wo er dann sein würde).

Die wichtigste Opposition zum Präteritum bleibt jedoch weiterhin, ganz im Sinne der consecutio temporum, das Plusquamperfekt, das die Vorzeitigkeit signalisiert.

Daß auch Präsens und Perfekt als Oppositionen des Präteritums begegnen können, wurde bereits erwähnt. Präsens und Präteritum treten einander oft im Eingang von Erzählungen oder Erzählabschnitten gegenüber. Das Präsens gibt dabei meistens allgemeingültige Vorbemerkungen zur nachfolgenden Erzählung oder entsprechende Nachbemerkungen zum Erzählten, etwa in der Form moralischer oder sachlicher Erläuterungen:

Es gibt so wunderliche Herrschaften, daß es niemand bei ihnen aushalten könnte, wenn es nicht ebenso schlaues Gesinde gäbe. Einer verlangte früh im Bett ein Glas Wasser von seinem Bedienten ... (J. P. Hebel, »Wunderlichkeit«)

Dieses erläuternde Präsens unterscheidet sich vom »historischen Präsens« durch das Verlassen der Erzählebene. Hier wendet sich der Autor unmittelbar an das Publikum, während er mit Hilfe des »präsens historicum« nur das Geschehen verlebendigt, aber im Bereich der Erzählung bleibt.

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