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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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Ehe.ErwarderVormund.AlseresdannvorzweiWochenabholenkonnte,waresnichtsmehrwert,undderBräutigammachte dieVerlobungrückgängig.Erhatteerwartet,wirhättenGeldfür eineguteAussteuer.VorzweiJahrenhätteesnochgereicht,aber jetztistesnichtsmehrwert.MeineTochterhatnurnochgeweint. Dashaternichtausgehalten.Erglaubte,eswäreseineSchuld;er hätte besser aufpassen müssen.Aber es war doch mündelsicher festgelegt, wir konnten es nicht abheben. Die Zinsen waren so höher.»

«Wie hätte er denn besser aufpassen sollen? So etwas passiert heute unzähligen Menschen.Er war doch kein Bankier.» «Nein,Buchhalter.Die Nachbarn –»

«Kümmern Sie sich doch nicht um das,was die Nachbarn sagen.Das ist immer bösartiger Klatsch.Und überlassen Sie alles andere nur Gott.»

Ich fühle, daß ich nicht sehr überzeugend bin; aber was soll man einer Frau in solchen Umständen schon sagen? Das, was ich wirklich denke,bestimmt nicht.

SietrocknetihreAugen.«IchsollteIhnendasgarnichterzählen. Was geht es Sie an? Verzeihen Sie! Aber manchmal weiß man nicht,wohin –»

«Dasmachtnichts»,sageich.«Wirsinddasgewöhnt.Eskommen ja nur Leute hierher,dieAngehörige verloren haben.» «Ja – aber nicht so –»

«Doch»,erkläre ich.«Das passiert in dieser traurigen Zeit viel häufiger,als Sie denken.Sieben allein im letzten Monat.Es sind immer Menschen,die nicht mehr ein noch aus wissen.Anständige Menschen also.Die unanständigen kommen durch.»

Siesiehtmichan.«GlaubenSie,daßmaneinenGrabsteinsetzen darf,wenn er nicht in geweihter Erde liegt?»

«Wenn Sie die Erlaubnis für ein Grab haben, dürfen Sie es.

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Ganzbestimmtauf demstädtischenFriedhof.WennSiewollen, können Sie schon einen Stein aussuchen,Sie brauchen ihn nur zu nehmen,wenn alles in Ordnung ist.»

Siesiehtsichum.Dannzeigtsieauf dendrittkleinstenHügelstein.«Was kostet so einer?»

Es ist immer dasselbe. Nie fragen die Armen sofort, was der kleinstekostet;esist,alstätensieesnichtauseinersonderbaren HöflichkeitvordemTodeunddemToten.Siewollennichtnach dembilligstenzuerstfragen;obsieihndannspäterdochnehmen, ist eine andere Sache.

Ichkannihrnichthelfen,aberdasStückSteinkostethunderttausend Mark. Sie ö net erschrocken die müden Augen. «Das können wir nicht bezahlen.Das ist ja viel mehr,als –»

Ichkannmirdenken,daßesmehristalsdas,wasvonderErbschaft übriggeblieben ist.«Nehmen Sie doch den kleinen hier», sageich.«OdereinfacheineGrabplatte,keinenStein.SehenSie, hieristeine–siekostetdreißigtausendMarkundistsehrschön. Sie wollen doch nur,daß man weiß,wo Ihr Mann liegt,und da ist eine Platte ebensogut wie ein Stein.»

Sie betrachtet die Sandsteinplatte.«Ja – aber –»

Sie hat wahrscheinlich kaum Geld für die nächste Miete,aber sie möchte trotzdem nicht das Billigste kaufen – als ob das dem armen Teufel jetzt nicht ganz egal wäre. Hätte sie statt dessen früher mehr Verständnis für ihn gehabt und weniger mit der Tochter gejammert,dann lebte er vielleicht noch.«Wir können die Inschrift vergolden», sage ich. «Das sieht würdig und vornehm aus.»

«Kostet die Inschrift extra?» «Nein.Sie ist im Preis inbegri en.»

Es ist nicht wahr. Aber ich kann mir nicht helfen; sie ist so spatzenhaft in ihren schwarzen Kleidern.Wenn sie jetzt einen

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langenBibelspruchwill,binichinderPatsche;denauszuhauen würde mehr als die Platte kosten.Aber sie will nur den Namen und die Zahlen 875– 923.

SieziehtausihrerTascheeinenHaufeneinstmalszerknitterter Scheine,diealleglattgestrichenundgebündeltwordensind.Ich holetiefLuft–Vorauszahlung!Dasistlangenichtmehrdagewe- sen.Ernsthaft zählt sie drei Päckchen Scheine ab.Sie behält fast nichts übrig.«Dreißigtausend.Wollen Sie es nachzählen?» «Das brauche ich nicht.Es stimmt schon.»

Es muß stimmen.Sie hat es sicher oft genug gezählt.«Ich will Ihnen etwas sagen», erkläre ich. «Wir geben Ihnen noch eine GrabeinfassungausZementdazu.Dassiehtdannsehrordentlich aus – abgegrenzt.»

Sie sieht mich ängstlich an.«Umsonst»,sage ich.

Der Schein eines kleinen,traurigen Lächelns huscht über ihr Gesicht.

«Das ist das erstemal, daß jemand freundlich zu mir ist, seit espassiertist.NichteinmalmeineTochter–siesagt,dieSchan- de –»

SiewischtsichdieTränenab.Ichbinsehrverlegenundkomme mir vor wie der Schauspieler Gaston Münch als Graf Trast in der «Ehre» von Sudermann im Stadttheater.Um mir zu helfen, gießeichmir,alssiegegangenist,einenSchluckKornein.Dann erinnere ich mich, daß Georg immer noch nicht von seiner Besprechung mit Riesenfeld auf der Bank zurück ist, und ich werdemißtrauischgegenmichselbst;vielleichthabeichdasmit der Frau nur getan,um Gott zu bestechen.Eine gute Tat gegen die andere – eine Grabeinfassung und eine Inschrift gegen ein Dreimonatsakzept Riesenfelds und eine fette Ladung Granit. Das frischt mich so auf, daß ich einen zweiten Schnaps trinke. DannseheichdraußenamObeliskendieSpurendesFeldwebels

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Knopf,holeeinenEimerWasser,umsiewegzuschwemmen,und verfluche ihn laut. Knopf aber schläft in seiner Kammer den Schlaf des Gerechten.

«Nur sechsWochen»,sage ich enttäuscht.

Georglacht.«EinAkzeptaufsechsWochenistnichtzuverachten.Die Bank wollte nicht mehr geben.Wer weiß,wie hoch der Dollar dann schon steht! Dafür hat Riesenfeld versprochen, in vierWochenwiedervorbeizukommen.Dannkönnenwireinen neuenAbschluß machen.»

«Glaubst du das?»

Georg zuckt dieAchseln.«Warum nicht?Vielleicht zieht Lisa ihn wieder her. Er schwärmte auf der Bank noch von ihr wie Petrarca von Laura.»

«Gut,daßersienichtbeiTageundausderNähegesehenhat.» «DasistbeivielenDingengut.»Georgstutztundsiehtmichan. «Wieso bei Lisa? So schlecht sieht sie wahrhaftig nicht aus!» «Sie hat morgens manchmal schon ganze nette Säcke unter den Augen. Und romantisch ist sie bestimmt nicht. Sie ist ein robuster Feger.»

«Romantisch!» Georg grinst verächtlich. «Was heißt das schon!

Es gibt viele Sorten von Romantik. Und Robustheit hat auch ihre Reize!»

Ich sehe ihn scharf an.Sollte er etwa selbst ein Auge auf Lisa geworfenhaben?EristmerkwürdigverschwiegeninseinenpersönlichenAngelegenheiten.«RiesenfeldverstehtunterRomantik bestimmt ein Abenteuer in der großen Welt», sage ich. «Nicht eineA äre mit der Frau eines Pferdemetzgers.»

Georg winkt ab. «Was ist der Unterschied? Die große Welt benimmt sich heute oft vulgärer als ein Pferdemetzger.»

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GeorgistunserFachmannfürdiegroßeWelt.ErhältdasBerliner Tageblatt und liest es hauptsächlich, um den Nachrichten über KunstundGesellschaftzufolgen.Eristausgezeichnetinformiert. Keine Schauspielerin kann heiraten, ohne daß er es weiß; jede wichtigeScheidunginderAristokratieistmitDiamanteninsein Gedächtniseingeritzt.Erverwechseltnichts,selbstnichtnachdrei, vierEhen;esist,alsführeerBuchdarüber.ErkenntalleTheaterau ührungen, liest die Kritiken, weiß über die Gesellschaft am Kurfürstendamm Bescheid, und nicht nur das: er verfolgt auch das internationale Leben, die großen Stars und die Königinnen der Gesellschaft – er liest Filmmagazine, und ein Bekannter in Englandschicktihmmanchmalden«Tatler»undeinpaarandere eleganteZeitschriften.DasverklärtihndannfürTage.Erselbstist nie in Berlin gewesen,und imAusland nur als Soldat,im Kriege inFrankreich.ErhaßtseinenBeruf,aberermußteihnnachdem Tode seinesVaters übernehmen;Heinrich war zu einfältig dafür. Die Zeitschriften und Bilder helfen ihm etwas über die Enttäuschungenhinweg;siesindseineSchwächeundseineErholung. «Eine vulgäre Dame der großen Welt ist etwas für erlesene Kenner»,sageich.«NichtfürRiesenfeld.DiesergußeiserneSatan hat eine mimosenhafte Phantasie.»

«Riesenfeld!» Georg zieht eine geringschätzige Grimasse.Der Herrscher der Odenwaldwerke mit seiner oberflächlichen Lust auf französischeDamenistfürihneintrostloserEmporkömmling.WasweißdieserwildgewordeneKleinbürgerschonüberden deliziösen Skandal bei der Ehescheidung der Gräfin Homburg? Oder über die letzte Premiere der Elisabeth Bergner? Er kennt nicht einmal die Namen! Georg aber weiß den Gotha und das Künstler-Lexikon fast auswendig. «Wir müßten Lisa eigentlich einen Blumenstrauß schicken», sagt er. «Sie hat uns geholfen, ohne daß sie es weiß.»

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Ich sehe ihn wieder scharf an. «Das tu nur selber», erwidere ich.«Sage mir lieber,ob Riesenfeld ein allseitig poliertes Kreuzdenkmal in die Bestellung hineingeschmissen hat.»

«Zwei. Das zweite verdanken wir Lisa. Ich habe ihm gesagt, wirwürdenessoaufstellen,daßsieesimmersehenkönne.Ihm schien etwas daran zu liegen.»

«WirkönneneshierimBüroansFensterstellen.Eswirdmorgens,wennsieaufsteht,undwenndieSonneesbescheint,einen starken Eindruck auf sie machen.Ich könnte Memento mori in Gold draufpinseln.Was gibt es heute bei Eduard?» «Deutsches Beefsteak.»

«GehacktesFleischalso.WarumistzerhacktesFleischdeutsch?» «Weil wir ein kriegerisches Volk sind und sogar im Frieden unsereGesichterinDuellenzerhacken.DuriechstnachSchnaps. Warum? Doch nicht wegen Erna?»

«Nein. Weil wir alle sterben müssen. Mich erschüttert das manchmal noch,trotzdem ich es schon seit einiger Zeit weiß.» «Das ist ehrenwert. Besonders in unserem Beruf. Weißt du, was ich möchte?»

«Natürlich. Du möchtest Matrose auf einem Walfischfänger sein;oderKoprahändlerinTahiti;oderNordpolentdecker,Amazonasforscher, Einstein und Scheik Ibrahim mit einem Harem vonFrauenzwanzigverschiedenerNationen,einschließlichder Zirkassierinnen, die so feurig sein sollen, daß man sie nur mit einerAsbestmaske umarmen kann.

«Das ist selbstverständlich.Aber außerdem möchte ich noch dumm sein; strahlend dumm.Das ist das größte Geschenk für unsere Zeit.»

«Dumm wie Parzival?»

«Weniger erlöserhaft. Gläubig, friedlich, gesund, bukolisch dumm.»

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«Komm», sage ich. «Du bist hungrig. Unser Fehler ist, daß wir weder wirklich dumm noch wirklich gescheit sind. Immer so dazwischen, wie A en in den Ästen. Das macht müde und manchmal traurig.Der Mensch muß wissen,wohin er gehört.» «Tatsächlich?»

«Nein», erwidere ich. «Das macht ihn auch nur seßhaft und dick.Aberwiewärees,wennwirheuteabendinsKonzertgingen, um für die Rote Mühle einen Ausgleich zu scha en? Es wird Mozart gespielt.»

«Ichlegemichheuteabendfrühschlafen»,erklärtGeorg.«Das ist mein Mozart. Geh allein hin. Stelle dich mutig und einsam dem Ansturm des Guten. Es ist nicht ohne Gefahr und richtet mehr Zerstörungen an als schlichte Bosheit.»

«Ja», sage ich und denke an die spatzenhafte Frau vom Vormittag.

Es ist später Nachmittag. Ich lese die Familiennachrichten der Zeitungen und schneide die Todesanzeigen aus. Das gibt mir immer den Glauben an die Menschheit zurück – besonders nach Abenden, an denen wir unsere Lieferanten oder Agenten bewirtenmußten.WennesnachdenTodesanzeigenginge,wäre derMenschnämlichabsolutvollkommen.Esgibtdanurperfekte Väter,makelloseEhemänner,vorbildlicheKinder,uneigennützige,sichaufopferndeMütter,allerseitsbetrauerteGroßeltern,Geschäftsleute,gegendieFranziskusvonAssisieinhemmungsloser Egoist gewesen sein muß,gütetriefende Generäle,menschliche Staatsanwälte,fastheiligeMunitionsfabrikanten–kurz,dieErde scheint,wenn man den Todesanzeigen glaubt,von einer Horde Engel ohne Flügel bewohnt gewesen zu sein, von denen man nichts gewußt hat. Liebe, die im Leben wahrhaftig nur selten rein vorkommt, leuchtet im Tode von allen Seiten und ist das

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häufigste,was es gibt.Es wimmelt nur so von erstklassigen Tugenden,vontreuerSorge,vontieferFrömmigkeit,vonselbstloser Hingabe,und auch die Hinterbliebenen wissen,was sich gehört

– sie sind von Kummer gebeugt,derVerlust ist unersetzlich,sie werden den Verstorbenen nie vergessen – es ist erhebend, das zu lesen,und man könnte stolz sein,zu einer Rasse zu gehören, die so noble Gefühle hat.

Ich schneide die Todesanzeige des Bäckermeisters Niebuhr aus.Er wird als gütiger,treubesorgter,geliebter Gatte undVater geschildert.IchselbsthabeFrauNiebuhrmitaufgelöstenFlechten aus dem Hause fliehen sehen,wenn der gütige Niebuhr mit seinem Hosenriemen hinter ihr her war und auf sie einschlug; undichhabedenArmgesehen,dendertreusorgendeVaterseinemSohneRolandgebrochenhat,alserihnineinemAnfallvon Jähzorn aus dem Fenster der Parterrewohnung warf.Es konnte der schmerzgebeugtenWitwe gar nichts Besseres passieren,als daßdieserWüterichendlich,vomSchlaggetro en,beimBacken derMorgenbrötchenundderHefekuchendahinsank;trotzdem aber glaubt sie das plötzlich nicht mehr. Alles, was Niebuhr angerichtet hat,ist durch den Tod weggewischt.Er ist ein Ideal geworden.Der Mensch,der immer ein erstaunliches Talent zur SelbsttäuschungundLügehat,läßtesbeiTodesfällenbesonders hell glänzen und nennt es Pietät. Das erstaunlichste aber ist, daß er das,was er dann behauptet,selbst bald so fest glaubt,als hätte er eine Ratte in einen Hut gesteckt und gleich darauf ein schneeweißes Kaninchen herausgezogen.

FrauNiebuhrhatdiesemagischeVerwandlungdurchgemacht, als man den backenden Lumpen, der sie täglich verhaute, die Treppeheraufschleppte.Anstattauf dieKniezufallenundGott fürdieBefreiungzudanken,beganninihrsofortdieVerklärung durchdenTod.Weinendstürztesiesichauf denLeichnam,und

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seitdemsindihreAugennichttrockengeworden.IhrerSchwester, diesieandievielenPrügelundanRolandsfalschgeheiltenArm erinnerte,erklärtesieindigniert,dasseienKleinigkeiten,unddie HitzedesBackofensseischulddarangewesen;Niebuhr,inseiner nie ermüdenden Sorge für die Familie, habe zuviel gearbeitet, und der Backofen habe bei ihm ab und zu wie ein Sonnenstich gewirkt. Damit wies sie ihrer Schwester die Tür und trauerte weiter. Sie ist sonst eine vernünftige, redliche und arbeitsame Frau,dieweiß,waslosist,aberjetztsiehtsieNiebuhrauf einmal so,wie er niemals war,und glaubt es fest,und das ist es,was so bewundernswertdaranist.DerMenschistnämlichnichtnurein ewiger Lügner,sondern auch ein ewiger Gläubiger;er glaubt an das Gute und Schöne und Vollkommene, selbst wenn es nicht vorhandenistodernursehrrudimentär–unddasistderzweite Grunddafür,daßmichdasLesenderTodesanzeigenerbautund zum Optimisten macht.

Ich lege die Anzeige Niebuhrs zu den sieben anderen, die ich herausgeschnittenhabe.Montagsunddienstagshabenwirimmer einpaarmehralssonst.DasWochenendetutdas;eswirdgefeiert, gegessen,getrunken,gestritten,sichaufgeregt–unddasHerz,die ArterienundderSchädelhaltenesdiesmalnichtmehraus.Frau NiebuhrsAnzeige lege ich in das Fach für Heinrich Kroll.Es ist ein Fall für ihn.Er ist ein aufrechter Mann ohne Ironie und hat von der verklärenden Wirkung des Todes dieselbe Vorstellung wiesie,solangesiebeiihmeinenGrabsteinbestellt.Eswirdihm leichtfallen,vondemteuren,unvergeßlichenDahingegangenen zu reden, zumal Niebuhr ein Stammtischbruder aus der Gastwirtschaft Blume war.

MeineArbeitistfürheutebeendet.GeorgKrollhatsichmitden neuen Nummern des Berliner Tageblattes und der «Eleganten

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Welt»inseineKojenebendemBürozurückgezogen.Ichkönnte noch die Zeichnung eines Kriegerdenkmals mit bunter Kreide etwasweiterausführen;aberdazuistmorgenauchnochZeit.Ich schließe die Schreibmaschine und ö ne das Fenster.Aus Lisas WohnungtönteinGrammophon.Sieerscheint,völligangezogen diesmal, und schwenkt ein mächtiges Bukett roter Rosen aus dem Fenster.Dabei wirft sie mir eine Kußhand zu.Georg! denke ich.Also doch,dieser Schleicher! Ich deute auf sein Zimmer. Lisa lehnt sich aus dem Fenster und krächzt mit ihrer heiseren Stimme über die Straße:«Herzlichen Dank für die Blumen! Ihr Totenvögel seid doch Kavaliere!»

SiezeigtihrräuberischesGebißundschütteltsichvorLachen über ihrenWitz.Dann holt sie einen Brief hervor.«Gnädigste», krächztsie.«EinBewundererIhrerSchönheiterlaubtsich,Ihnen dieseRosenzuFüßenzulegen.»SieholtheulendAtem.«Unddie Adresse!An die Circe der Hakenstraße 5.Was ist eine Circe?» «Eine Frau,die Männer in Schweine verwandelt.»

Lisabebt,sichtlichgeschmeichelt.DaskleinealteHausscheint mit zu beben.Das ist nicht Georg,denke ich.Er hat nicht völlig denVerstand verloren.

«Von wem ist der Brief?» frage ich.

«Alexander Riesenfeld», krächzt Lisa. «Per Adresse Kroll & Söhne.Riesenfeld!»Sieschluchztfast.«IstdasderKleine,Miese, mit dem ihr in der Roten Mühle wart?»

«Eristnichtkleinundmies»,erwidereich.«EristeinSitzriese und sehr männlich.Außerdem ist er Billiardär!» Lisas Gesicht wirdeinenAugenblicknachdenklich.Dannwinktundgrüßtsie noch einmal und verschwindet.Ich schließe das Fenster.Ohne Grund fällt mir plötzlich Erna ein.Ich beginne unbehaglich zu pfeifenundschlenderedurchdenGartenzumSchuppenhinüber, in dem der Bildhauer Kurt Bach arbeitet.

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