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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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denlangBilderundGipsköpfezeigen.OderMusik.Heuteistein volkstümliches Orgelkonzert in der Katharinenkirche –» Georg verschluckt sich vor Lachen. «Na, schön», erkläre ich. «Es ist absurd, sich Riesenfeld dabei vorzustellen; aber warum liebt er nicht wenigstens Operetten und leichte Musik? Wir könnten ihn ins Theater mitnehmen – immer noch billiger als der verdammte Nachtklub!»

«Da kommt er»,sagt Georg.«Frag ihn.»

Wirö nendieTür.DurchdenfrühenAbendsegeltRiesenfeld dieTreppenstufenherauf.DerZauberderFrühlingsdämmerung hat keinen Einfluß auf ihn gehabt, das sehen wir sofort. Wir begrüßen ihn mit falscher Kameraderie. Riesenfeld merkt es, schielt uns an und plumpst in einen Sessel.«Sparen Sie sich die Flausen»,brummt er in meine Richtung.

«Daswollteichsowieso»,erwidereich.«Esfälltmirnurschwer. Das,was Sie Flausen nennen,heißt anderswo gute Manieren.» Riesenfeldgrinstkurzundböse.«MitgutenManierenkommt man heutzutage nicht weit –»

«Womit denn?» fragte ich,um ihn zum Reden zu bringen. «Mit gußeisernen Ellenbogen und einem Gummigewissen.» «Aber Herr Riesenfeld», sagt Georg begütigend. «Sie haben doch selbst die besten Manieren der Welt! Nicht die besten im bürgerlichen Sinne vielleicht – aber sicher sehr elegante –» «So? Wenn Sie sich da nur nicht irren!» Riesenfeld ist trotz seiner Zurückweisung sichtlich geschmeichelt.

«Er hat die Manieren eines Räubers»,werfe ich ein,genau wie Georg es erwartet.Wir spielen dieses Spiel ohne vorherige Proben,alskönntenwiresauswendig.«OdereherdieeinesPiraten. Leider hat er Erfolg damit.»

Riesenfeld ist bei den Räubern etwas zusammengezuckt; der Schuß war zu nahe. Die Piraten versöhnen ihn wieder. Genau

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das war beabsichtigt. Georg holt eine Flasche Rothschen Korn aus dem Fach, in dem die Porzellanengel stehen, und schenkt ein.«Worauf wollen wir trinken?» fragt er.

Gewöhnlich trinkt man auf Gesundheit und gute Geschäfte. Dasistbeiunsetwasschwierig.Riesenfeldistdafürzufeinbesaitet;erbehauptet,soetwasseibeieinemGrabsteingeschäftnicht nureinParadoxon,sondernauchderWunsch,daßmöglichstvieleMenschenstürben.EbensokönnemanaufCholeraundKrieg trinken.Wir überlassen seitdem ihm die Formulierungen.

Er starrt uns schief an,das Glas in der Hand,redet aber nicht. Nach einer Weile sagt er plötzlich in das Halbdunkel hinein: «Was ist eigentlich Zeit?»

GeorgsetzterstauntseinGlasnieder.«DerPfe erdesLebens», erwidere ich ungerührt. Mich kriegt der alte Halunke nicht so leicht mit seinen Tricks. Ich bin nicht umsonst Mitglied des DichterklubsWerdenbrück;wir sind große Fragen gewöhnt.

Riesenfeldbeachtetmichnicht.«WasmeinenSie,HerrKroll?» fragt er.

«Ich bin ein einfacher Mensch»,sagt Georg.«Prost!» «Zeit», beharrt Riesenfeld, «Zeit, dieses Fließen ohne Halt

nicht unsere lausige Zeit! Zeit,dieser langsame Tod.» Dieses Mal setze auch ich mein Glas nieder. «Ich glaube, wir

machenbesserLicht»,sageich.«WashabenSiezuAbendgegessen,Herr Riesenfeld?»

«Halten Sie die Klappe,wenn erwachsene Leute reden»,erwidert Riesenfeld,und ich merke,daß ich einenAugenblick nicht aufgepaßt habe. Er wollte uns nicht verblü en – er meint, was ersagt.Gottweiß,wasihmnachmittagspassiertist!Ichmöchte ihm gerne antworten,daß Zeit ein wichtiger Faktor sei auf dem Wechsel,denerunterschreibensoll–aberichziehevor,meinen Schnaps zu trinken.

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«Ich bin jetzt sechsundfünfzig»,sagt Riesenfeld.«Aber ich erinneremichnochderZeit,alsichzwanzigwar,alswäredaserst ein paar Jahre her.Wo ist all das dazwischen geblieben?Was ist los? Man wacht plötzlich auf und ist alt.Wie ist das bei Ihnen, Herr Kroll?»

«Ähnlich»,erwidert Georg friedlich.«Ich bin vierzig,aber ich fühle mich wie sechzig.Bei mir war es der Krieg.»

Er lügt, um Riesenfeld beizustehen. «Bei mir ist es anders», erkläre ich, um ebenfalls mein Scherflein beizutragen. «Auch durchdenKrieg.Ichwarsiebzehn,alsichhineinging–jetztbin ichfünfundzwanzig,aberichfühlemichnochwiesiebzehn.Wie siebzehnundsiebzig.MiristmeineJugendbeimKommißgestoh len worden.»

«BeiIhnenistdasnichtderKrieg»,erwidertRiesenfeld,deres anscheinendheuteaufmichabgesehenhat,weilZeit,derlangsame Tod,mich noch nicht so erwischt hat wie ihn.«Sie sind nur einfach geistig zurückgeblieben.Im Gegenteil,der Krieg hat Sie sogarfrühreifgemacht;ohneihnständenSieheutenochaufder Stufe eines Zwölfjährigen.»

«Danke»,sage ich.«Welch ein Kompliment! Mit zwölf Jahren istjederMenscheinGenie.ErverliertseineOriginalitäterstmit demEintretenderGeschlechtsreife,vonderSieGranit-Casanova jasoübertriebenvielhalten.EinziemlicheinförmigerErsatzfür denVerlust der Freiheit des Geistes!»

Georg schenkt neu ein.Wir sehen,daß es ein schwerer Abend wird.WirmüssenRiesenfeldausdenSchluchtenderWeltschwermuthervorholen,undkeinervonunshatLust,sichheuteabendauf philosophischePlattheiteneinzulassen.Wirmöchtenamliebsten unter einem Kastanienbaum ruhig, ohne zu reden, eine Flasche Moselweintrinken,anstattinderRotenMühlemitRiesenfeldüber seinverlorenesMannesalterzutrauern.«WennSiesichfürdieRea-

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litätderZeitinteressieren»,sageichmitleichterHo nung,«dann kann ich Sie in einenVerein einführen,in dem Sie lauter Spezialisten dafür tre en werden – den Dichterklub unserer geliebten Heimatstadt.DerSchriftstellerHansHungermannhatdasProblem in einem noch ungedruckten Werke auf etwa sechzig Gedichte ausgewalzt.Wirkönnengleichhingehen;jedenSonntagabendist eineSitzungmitanschließendemgemütlichemTeil.»

«Sind Damen dabei?»

«Natürlichnicht.DichtendeFrauensinddasselbewierechnende Pferde.Ausgenommen natürlich die Schülerinnen Sapphos.» «Woraus besteht dann der gemütliche Teil?» fragt Riesenfeld logisch.

«Daraus, daß über andere Schriftsteller geschimpft wird. Besonders über erfolgreiche.»

Riesenfeld grunzt verächtlich. Ich will schon aufgeben, da flammt gegenüber das Fenster im Hause Watzek auf wie ein beleuchtetes Bild in einem finsteren Museum. Wir sehen Lisa hinter denVorhängen.Sie zieht sich gerade an und trägt nichts außer einem Büstenhalter und einem Paar sehr kurzer weißer Seidenhosen.

Riesenfeld stößt einen Pfi durch die Nase aus wie ein Murmeltier.SeinekosmischeMelancholieistmiteinemSchlageverschwunden.Icherhebemich,umLichtzumachen.«KeinLicht!» faucht er.«Haben Sie denn keinen Sinn für Poesie?»

ErschleichtansFenster.Lisabeginnt,sicheinengesKleidüber denKopfzuziehen.SiewindetsichwieeineSchlange.Riesenfeld schnauft laut.«Eine verführerische Kreatur! Donnerwetter,der Hintern! Ein Traum!Wer ist das?»

«Susanna im Bade»,erkläre ich.Ich will ihm damit zart klarmachen,daßwirimAugenblickdieRollederaltenBöckespielen, die sie beobachten.

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«Unsinn!»DerVoyeurmitdemEinsteinkomplexläßtkeinAuge von dem goldenen Fenster.«Wie sie heißt,meine ich.» «Keine Ahnung.Wir sehen sie zum erstenmal. Heute mittag wohnte sie noch nicht drüben.»

«Tatsächlich?» Lisa hat das Kleid übergezogen und streift es mit den Händen glatt. Georg schenkt hinter dem Rücken Riesenfeldssichundmirein.WirkippendieGläserweg.«EineFrau von Rasse», sagt Riesenfeld, der weiter am Fenster klebt. «Eine Dame,das sieht man.Wahrscheinlich Französin.»

Lisaist,sovielwirwissen,Böhmin.«EskönnteMademoisellede laToursein»,erwidereich,umRiesenfeldnochmehrzureizen. «Ich habe gestern irgendwo hier den Namen gehört.»

«Sehen Sie!» Riesenfeld dreht sich einen Augenblick zu uns herum.«Ich sagte ja,Französin! Man sieht das gleich – dieses je ne sais pas quoi! Finden Sie nicht auch,Herr Kroll?»

«Sie sind hier der Kenner,Herr Riesenfeld.»

Das Licht in Lisas Zimmer erlischt. Riesenfeld stürzt seinen Schnaps in die zugeschnürte Kehle und preßt sein Gesicht wieder gegen das Fenster. Nach einer Weile erscheint Lisa in der Haustüre und geht die Straße hinunter.Riesenfeld sieht ihr nach. «Bezaubernder Gang! Sie trippelt nicht; sie macht lange Schritte. Ein vollschlanker Panther! Frauen, die trippeln, sind Enttäuschungen.Aber diese – für die garantiere ich!»

Ich habe beim vollschlanken Panther rasch noch ein Glas getrunken.GeorgistlautlosgrinsendinseinenStuhlgesunken.Wir haben es geschafft! Jetzt dreht Riesenfeld sich um.Sein Gesicht schimmert wie ein bleicher Mond.

«Licht,meine Herren!Worauf warten wir noch? Rein ins Leben!»

Wir folgen ihm in die milde Nacht. Ich starre auf seinen Froschrücken.Wennichdochauchsoeinfachausmeinengrauen

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Stunden auftauchen könnte wie dieser Verwandlungskünstler, denke ich mit Neid.

Die Rote Mühle ist bombenvoll. Wir bekommen nur noch einen Tisch, der sehr nahe beim Orchester steht. Die Musik ist ohnehin schon laut, aber an unserm Tisch ist sie geradezu betäubend.Wir schreien uns anfangs unsere Bemerkungen in die Ohren; danach begnügen wir uns mit Zeichen wie ein Trio Taubstummer. Die Tanzfläche ist so voll, daß die Leute sich kaum bewegen können.Aber Riesenfeld ficht das nicht an. Er erspäht an der Bar eine Frau in weißer Seide und stürzt auf sie zu.StolzstößtersiemitseinemSpitzbauchüberdieTanzfläche. Sie ist einen Kopf größer als er und starrt gelangweilt über ihn indenRaum,dermitBallonsdekoriertist.Unterhalbaberkocht Riesenfeld wie ein Vesuv. Sein Dämon hat ihn gepackt. «Wie wär’es,wenn wir ihm Schnaps in seinenWein gössen,damit er rascher voll wird?» sage ich zu Georg.«Der Knabe säuft ja wie ein gefleckter Waldesel! Dies ist unsere fünfte Flasche! In zwei Stunden sind wir bankrott,wenn das so weitergeht.Wir haben schon ein paar Hügelsteine verso en, schätze ich. Ho entlich bringt er das weiße Gespenst nicht an den Tisch,so daß wir es auch noch tränken müssen.»

Georg schüttelt den Kopf.«Das ist eine Bardame.Sie muß an die Bar zurück.»

Riesenfeld taucht wieder auf.Er ist rot und schwitzt.

«WasistdasallesgegendenZauberderPhantasie!»brüllteruns durchdenLärmzu.«HandfesteWirklichkeit,gut!Aberwobleibt die Poesie? Heute abend,das Fenster vor demdunklen Himmel

–daswaretwaszumTräumen!EinesolcheFrau–verstehenSie, wie ich das meine?»

«Klar»,schreitGeorgzurück.«Das,wasmannichtkriegt,scheint

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immerbesseralsdas,wasmanhat.DarinliegtdieRomantikund die Idiotie des menschlichen Lebens.Prost Riesenfeld!»

«Ichmeineesnichtsoroh»,heultRiesenfeldgegendenFoxtrott «Ach,wenn das der Petrus wüßte» an.«Ich meine es zarter.» «Ich auch»,brüllte Georg zurück.

«Ich meine es noch zarter!» «Gut,so zart wie Sie wollen!»

DieMusikholtzueinemkräftigenCrescendoaus.DieTanzfläche ist eine bunte Sardinenbüchse.Ich erstarre plötzlich.In die Pratzen eines angekleideten A en gepreßt, schiebt sich rechts in dem Tanzhaufen meine Freundin Erna heran.Sie sieht mich nicht;abericherkenneihrerotenHaareschonvonweitem.Ohne Scham hängt sie an der Schulter eines typischen Schieberjünglings.Ich sitze unbeweglich da – aber ich habe das Gefühl,eine Handgranate verschluckt zu haben.Da tanzt sie,die Bestie,der zehn Gedichte meiner unverö entlichten Sammlung «Staub und Sterne» gewidmet sind, und mir hat sie seit einer Woche vorgelogen,es sei ihr wegen einer kleinen Gehirnerschütterung verboten,auszugehen.Sie sei im Dunkeln gefallen.Gefallen,ja, aber an die Brust dieses Jünglings,der einen zweireihigen Smoking trägt und einen Siegelring an der Pfote, mit der er Ernas Kreuz stützt. Und ich Kamel habe ihr heute nachmittag noch rosa Tulpen aus unserm Garten mit einem Gedicht von drei Strophen, betitelt «Pans Maiandacht», geschickt. Wenn sie das nundemSchiebervorgelesenhat!Ichsehedirekt,wiebeidesich vor Lachen krümmen.

«Was ist los?» brüllt Riesenfeld.«Ist Ihnen schlecht?» «Heiß!» heule ich zurück und fühle,wie mir der Schweiß den Rücken ’runterläuft. Ich bin wütend; wenn Erna sich umdreht, wirdsiemichschwitzendmitrotemKopfsehen–aberichmöchte jetzt um alles in der Welt überlegen, kalt und gelassen wie ein

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Weltmann wirken. Rasch fahre ich mir mit dem Taschentuch übers Gesicht. Riesenfeld grinst mitleidlos. Georg sieht es.«Sie schwitzen selbst ganz nett,Riesenfeld»,sagt er.

«Beimiristdaswasanderes!EsistderSchweißderLebenslust!» brüllt Riesenfeld.

«EsistderSchweißderdahinfliegendenZeit»,krächzeichgiftig und spüre,wie mir dasWasser salzig in die Mundwinkel läuft. Erna ist nahe heran. Sie stiert selig zur Musik hinüber. Ich gebe meinem Gesicht einen leicht erstaunten, überlegen lächelndenAusdruck,währendmirderSchweißjetztdenKragen aufweicht.

«WashabenSiedenn?»schreitRiesenfeld.«Siesehenjaauswie ein mondsüchtiges Känguruh!»

Ichignoriereihn.Ernahatsichumgedreht.Ichblickekühlauf dieTanzendenundmusteresie,bisich,miteinemAufdämmern, so tue,als erkenne ich Erna zufällig.Lässig erhebe ich zwei Finger zum Gruß. «Er ist meschugge», heult Riesenfeld durch die Synkopen des Foxtrotts «Himmelsvater».

Ichantwortenicht.Ichbintatsächlichsprachlos.Ernahatmich überhaupt nicht gesehen.

Die Musik hört endlich auf. Die Tanzfläche wird langsam leer. Erna entschwindet in eine Nische. «Waren Sie eben siebzehn oder siebzig?» heult Riesenfeld.

Da die Musik in diesem Augenblick schweigt, schallt seine Frage mächtig durch den Raum.Ein paar Dutzend Leute sehen zu uns her, und selbst Riesenfeld erschrickt. Ich möchte rasch unterdenTischkriechen;aberdannfälltmirein,daßdieLeute, die hier sind, die Frage einfach für ein Verkaufsangebot halten können,und ich erwidere kalt und laut: «Einundsiebzig Dollar das Stück,und keinen Cent drunter.»

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Meine Antwort erweckt augenblicklich Interesse. «Um was handelt es sich?» fragt ein Mann mit einem Kindergesicht vom Nebentisch her.«Habe immer Interesse für gute Objekte.Cash natürlich.Aufstein ist mein Name.»

«FelixKoks»,erwidereichdieVorstellung,froh,michsammeln zu können. «Das Objekt waren zwanzig Flaschen Parfüm. Der Herr drüben hat leider schon gekauft.»

«Schschsch –» macht eine künstliche Blondine.

Die Darbietungen beginnen.EinAnsager redet Blödsinn und istwütend,weilseineWitzenichtzünden.IchziehemeinenStuhl zurückundverschwindehinterAufstein;fürAnsagerbinichein beliebtes Ziel,und das wäre Ernas wegen heute eine Blamage. Alles geht gut.DerAnsager zieht mißmutig ab,und wer steht auf einmal in einem weißen Brautkleid mit Schleier da? Renée de la Tour.Erleichtert setze ich mich wieder zurecht.

Renée beginnt ihr Duett. Züchtig und verschämt, in hohem Sopran, tiriliert sie als Jungfrau ein paar Verse – dann kommt der Baß und ist sofort eine Sensation.

«Wie finden Sie die Dame?» frage ich Riesenfeld. «Dame ist gut –»

«Möchten Sie sie kennenlernen? Mademoiselle de la Tour.» Riesenfeld stutzt.«La Tour? Sie wollen doch nicht behaupten, daß dieses absurde Naturspiel die Zauberin vom Fenster Ihnen gegenüber ist?»

Ich will es gerade behaupten,um zu sehen,wie er reagiert,da seheichetwaswieeinenengelhaftenScheinumseineElefantennasewehen.OhnezusprechendeutetermitdemDaumenzum Eingang. «Da – dort drüben – da ist sie ja! Dieser Gang! Man kennt ihn sofort wieder!»

Er hat recht. Lisa ist hereingekommen. Sie ist in Gesellschaft von zwei älteren Knackern und benimmt sich wie eine Dame

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feinster Gesellschaft,wenigstens nach Riesenfelds Begri en.Sie scheintkaumzuatmenundhörtihrenKavalierenzerstreutund hochmütig zu.«Habe ich recht?» fragt Riesenfeld.«Kennt man Frauen nicht gleich am Gang?»

«Frauen und Polizisten»,sagt Georg und grinst;aber er blickt ebenfalls wohlgefällig auf Lisa.

Die zweite Nummer des Programms beginnt.EineAkrobatin stehtauf derTanzfläche.Sieistjung,hateinkeckesGesicht,eine kurzeNaseundschöneBeine.SietanzteinenakrobatischenTanz, mit Saltos,Handständen und hohen Sprüngen.Wir beobachten Lisa weiter. Sie scheint am liebsten das Lokal wieder verlassen zu wollen.Das ist natürlich Schwindel;es gibt nur diesen einen NachtklubinderStadt;dasanderesindCafés,Restaurantsoder Kneipen. Deshalb trifft man hier auch jeden, der genug Zaster hat,herzukommen.

«Champagner!» schmettert Riesenfeld mit Diktatorstimme. Ichschreckeauf,undauchGeorgistbesorgt.«HerrRiesenfeld», sage ich.«Der Champagner ist hier sehr schlecht.»

IndiesemAugenblickschautmicheinGesichtvomBodenan. Ich blicke erstaunt zurück und sehe,daß es die Tänzerin ist,die sichsoweitnachhintenheruntergebeugthat,daßihrKopf zwischen den Beinen wieder hervorkommt.Sie sieht eine Sekunde aus wie ein äußerst verwachsener Zwerg. «Den Champagner bestelle ich!» erklärt Riesenfeld und winkt dem Kellner.

«Bravo!» sagt das Gesicht von unten.

Georg zwinkert mir zu.Er spielt die Rolle des Kavaliers,während ich da bin für die unbequemen Sachen; das ist so ausgemachtzwischenuns.«WennSieChampagnerwollen,Riesenfeld, bekommen Sie Champagner», sagt er deshalb jetzt. «Aber Sie sind natürlich unser Gast.»

«Ausgeschlossen! Ich übernehme das! Kein Wort mehr dar-

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