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Text 13.

Hans Scherpner

Hans Scherpner war Sozialarbeitswissenschaftler, er war einer der ersten, der sich mit den historischen Zusammenhänge der Entwicklung der Sozialen Arbeit auseinandersetzte, außerdem entwickelte er und forschte er im Bereich der Methodenlehre.

Hans Scherpner stammte aus bürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater war Versicherungsagent. Er besuchte das Gymnasium seiner Heimatstadt und in sechs weiteren Städten. Nach dem Notabitur 1917 besuchte er in Frankfurt an Main an der Universität Vorlesungen über das Fürsorgewesen bei Christian Jasper Klumker. Er studierte dann nach Kriegsende evangelische Theologie in Tübingen und Marburg. 1922 legte er seine erste theologische Prüfung ab. Danach wandte er sich wieder dem Fürsorgewesen zu und arbeite zunächst ehrenamtlich bei Christian Jasper Klumker am Frankfurter Fürsorgerseminar.

Er erhielt er ein Stipendium des Laura-Spelman-Rockefeller-Memorials, das ihm 1927 bis 1928 einen Forschungsaufenthalt in den Niederlanden ermöglichte. Hier setzte er seine historischen Studien zur Geschichte der Sozialen Arbeit fort. Diese Studien endeten schließlich in seiner Habilitationsschrift "Die Anschauungen über das Armenwesen beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit – ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte zur modernen Fürsorge". 1932 folgte seine Antrittsvorlesung an der Universität Frankfurt zum Thema "Fürsorge und Politik". Zeit seines Lebens beschäftigte er sich mit den Themen: Geschichte der Sozialen Arbeit (da die Entwicklung des Sozialwesens), Ausbildung und Methodik der Sozialen Arbeit und Theorie der Sozialen Arbeit.

Er begriff Fürsorge als persönliche Beziehung zwischen Hilfsbedürftigen und Hilfstätigen. Die gesellschaftlich unterschiedlich organisiert und gestaltet ist, je nach Epoche und Gegebenheiten. Hilfe, im sinne eines sozialarbeiterischen Handelskonzeptes, ist für Scherpner eine Funktion der Gemeinschaft, also ein soziales Phänomen. Sie ist also kein altruistisches Tun oder individuelle Motivation. Hilfe wurzelt für ihn im gemeinschaftlichen Zusammenlebens, des Menschen, in Familie, Nachbarschaft, Sozialraum. Sie wird dann auf Grund steigender Komplexität der Hilfe als Staatsaufgabe gesehen. Hilfe wird folglich von staatlicher Seite organisiert und institutionalisiert. Dabei gibt es weiterhin Abhängigkeiten der fürsorgerischen Hilfe, abhängig von den spezifischen soziokulturellen Gegebenheiten. Es kann daher für Scherpner keinen historisch und zu allen Zeiten allgemeingültigen Begriff von Sozialarbeit geben.

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Des Weiteren sah er Sozialarbeit immer auch als Einzelfallhilfe. Er sah zwei Ebenen der Hilfsbedürftigkeit: materielle Armut/Verarmung und psychische und soziale Verwahrlosung. Er grenzt Politik klar von der Fürsorge ab: Politisches Handeln dient für ihn der Herrschaft als Stabilisator. Es ginge um Machterhalt und individuelle Ansprüche. Für das Fürsorgewesen wäre dies dysfunktional, da diese gerade den Einzelnen, den Schwachen im Blick hat. Er fürchtet schon in seiner Antrittsrede 1932 eine zunehmende Funktionalisierung von Fürsorge durch Politik.

Vor seinem Tod plante er noch ein größeres Buchprojekt unter den Titel: "Einführung in die Methodik der Jugendfürsorge", seine Vorarbeiten fand man in seinem Nachlas. Es wurde leider nicht mehr fertig. Scherpner stand in Auseinandersetzungen mit Alice Salomon und Carl Mennicke. Er begriff Soziale Arbeit philosophisch. Er war ein Kritiker des Juristenmonopoles. Er gilt zur Recht als einer, wenn nicht gar der erste Historiker der Sozialen Arbeit. Er wies immer wieder auf die Zeitgebundenheit von Fürsorge hin [22, c. 701].

Text 14.

Zur Geschichte der Obdachlosigkeit.

Obdachlosigkeit gibt es seit vielen tausend Jahren. Fast alle bekannten Religionen thematisieren sie. Im Mittelalter zogen Bettler umher – nach der christlichen Lehre legitim und ehrenhaft. Arme sollten aufgrund ihres Leides im Diesseits schneller in den Himmel kommen. Reiche Menschen hatten die Möglichkeit zur Sündenvergebung, indem sie den Bedürftigen Almosen gaben. Obdachlosigkeit galt als kein Problem. Sie hatte ihren festen, für das Seelenheil der Reichen auch gebrauchten Platz in der Gesellschaft. Kirchliche Stiftungen, insbesondere die mittelalterliche Caritas organisierten eine Versorgung von Almosen an die Armen. Die sollten im Gegenzug für die Vergebung der Sünden des Spenders beten.

Beginnend in der Reformationszeit führte Wandel der Gesellschaft viele Menschen in Armut und Besitzlosigkeit. Der Dreißigjährige Krieg machte zudem sehr viele obdachlos. Bereits vor dem Ende des Deutschen Reiches wurden erste Regeln im Umgang mit den Armen getroffen, wie nach Prüfung auf Bedürftigkeit ausgehändigte Bettelabzeichen, oder Wanderverbote, die eine Gabe von Almosen an ortsfremde Obdachlose unter Strafe stellten.

Im Absolutismus verabschiedete man sich endgültig von der mittelalterlichen Weise im Umgang mit Obdachlosigkeit und ächtete sie. Evangelische Nützlichkeitsethik und Merkantilismus als

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Wirtschaftssystem begründeten eine gesellschaftliche Moral, in der sich die menschliche Ehre vor allem auf Leistung, materiellen Verdienst, den eigenen Beitrag zur Finanzierung des Staates bezog. Die hierarchisch geprägte Gesellschaft mit unterschiedlichen Klassen sah Arme ohne Erwerbstätigkeit als Plage und zunehmend auch als Asoziale, die umerzogen werden müssen. Zuchthäuser wurden eingeführt, in denen Vagabunden Zwangsarbeit zur Besserung leisten mussten. Die Zuchthäuser stellten einen Produktivitätsfaktor dar, von dem die Gesellschaft profitierte. Ein Zuchthausaufenthalt endete nach der Willkür des Personals in der Regel nur, um Platz für Nachrücker zu schaffen.

Erst mit der Bauernbefreiung änderte sich die gesellschaftliche Situation der Obdachlosen wieder. In den Zuchthäusern waren nur noch Straftäter. Wanderarbeitsstätten versorgten und beherbergten umherwandernde Obdachlose gegen Arbeit. In den überwiegend kirchlichen Einrichtungen herrschten allerdings kaum gute Arbeitsbedingungen. Immer noch stellten Gesetze die Landstreicherei unter Strafe und schränkten die Möglichkeiten der Umherziehenden dadurch stark ein.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Obdachlosigkeit gab es erst in der Weimarer Republik. Ludwig Mayer veröffentlichte eine Studie über einen psychologisch begründeten Wandertrieb und sah Obdachlosigkeit als psychische Krankheit. Tatsächlich führte das dazu, dass wegen Landstreicherei kaum jemand verurteilt wurde, weil Psychologen den Wandertrieb diagnostizierten. Den Irrglauben an so etwas gab es wohl ohne neue wissenschaftliche Erkenntnisse bis in die 1970er Jahre, zwischenzeitlich intensiviert: Man dachte, ein bei Nomadenvölkern besonders häufiges Wandergen verursache eine Erbkrankheit. Wegen des imaginären Relikts von Vorfahren der Menschen als Fluchttiere arbeitete die Obdachlosenhilfe mit völlig falschen Ansätzen und hatte selten Erfolg. Erst seit wenigen Jahrzehnten beforscht man ernsthaft nichtsesshafte Obdachlose.

Seit den 1970er nennen Fachkreise das Wohnungslosigkeit, da sonst vorgetäuscht wird, dass die Personen lediglich mit einem Obdach zu versorgen seien. Öffentliches Obdach wird in der Bundesrepublik jedoch nahezu jedem geboten, der nachfragt (Gesetz zur Sicherheit und Ordnung). Um die besondere Lebenslage aber zu überwinden, soll die Schaffung und Bereitstellung von Wohnraum an erster Stelle stehen [45].

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Text 15.

Individuelle Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit

Mögliche individuelle Folgen der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit, sind psychische und gesundheitliche Probleme, Entqualifizierung (Entwertung der bisher erlangten Qualifizierung), gesellschaftlich-kulturelle Isolation und Verarmung. In vielen Fällen wirkt sich das auch auf die folgenden Generationen aus, denn die Kinder von Arbeitslosen haben schlechtere Chancen geistig und körperlich gesund aufzuwachsen.

Arbeit ist für viele Menschen ein psychosozialer Stabilisierungsfaktor und regelt Tagesstruktur und das soziale Umfeld. Während in ärmeren Ländern bei Arbeitslosigkeit auch heute noch die materielle Not im Vordergrund steht, sind es nach Meinung von Politikern in der Bundesrepublik Deutschland heute vor allem die psychosozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit. Allerdings wird beklagt, dass sich die materielle Situation in Deutschland in jüngster Zeit wieder verschlechtert habe.

Zu den potenziellen psychischen Folgen zählen Hoffnungslosigkeit und Selbstzweifel. Da der persönliche Erfolg und die soziale Anerkennung stark von beruflichen Leistungen abhängen, fehlt dem Arbeitslosen die Bestätigung seiner Umwelt. Darüber hinaus wird kritisiert, dass infolge von Seiten der Politik in den Medien ausgetragenen „Faulheitsdebatten“ ein Klima entstanden sei, das die Diskriminierung von Arbeitslosen begünstige.

Stärker betroffen sind ältere Arbeitslose, die jahrelang an feste Arbeitsstruktur gewöhnt waren und allein stehende Männer, die zu vermehrter Isolation neigen. Folgen können Depressionen, Suchterkrankungen und eine durch Hoffnungslosigkeit und Lebensunlust erhöhte Suizidneigung sein. So kann es zum Abbruch von sozialen Kontakten kommen. Gerade bei Jugendlichen ist Arbeitslosigkeit bedenklich, da ihnen so ein Mittel zur Identitätsentwicklung fehlt.

Hohe Arbeitslosigkeit kann sich auch auf die Arbeitskräfte auswirken, die Arbeit haben. Die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes erzeugt einen starken psychischen Druck. Daher werden Arbeitsplätze wegen des damit verbundenen Risikos auch seltener gewechselt und man verharrt in einer sicheren Tätigkeit, selbst wenn diese einen (z. B. infolge Mobbing) krank und depressiv macht. Das Robert-Koch-Institut stellte fest, dass arbeitslose Menschen einen schlechteren Gesundheitszustand haben als Berufstätige. Ein oder mehrere Jahre lang arbeitslose Männer geben bis vier Mal so häufig einen weniger guten oder schlechten Gesundheitszustand an, wie berufstätige Männer ohne Zeiten von Arbeitslosigkeit.

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Die Sterblichkeit steigt kontinuierlich in Abhängigkeit von der vorausgehenden Arbeitslosigkeitsdauer. Es wurden Hinweise darauf gefunden, dass Arbeitslosigkeit ursächliche Auswirkungen auf die Entwicklung schwerer Krankheiten hat.

Besonders die Psyche leidet unter Arbeitslosigkeit. Bei Personen mit mehr als 2 Jahren Arbeitslosigkeit steigt das Sterblichkeitsrisiko auf das 3.8 fache gegenüber in Beschäftigung stehenden Menschen.

Kinder arbeitsloser Eltern sind in ihrer Intelligenzentwicklung und ihrer sprachlichen Entwicklung benachteiligt Sie reagieren auf die Arbeitslosigkeit häufig mit Entmutigung und Resignation, Verschlechterung der Konzentration, Verhaltenauffälligkeiten und emotionaler Instabilität [27].

Text 16.

Umgang mit hyperaktiven Kindern

Hyperaktivität war vor einigen Jahren noch eher unbekannt und ist mittlerweile zum Schlagwort in der Pädagogik und den Medien geworden. Viele Kinder sind betroffen und die Eltern sind zumeist erst einmal überfordert.

Die Kinder zeigen ein nicht ausreichend kontrollierbares und überaktives Verhalten, auffällig ist eine motorische Unruhe bis hin zu überschießenden Reaktionen. Die Hyperaktivität hingegen ist ein Symptom für eine psychische oder körperliche Erkrankung wie das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Folgende Verhaltensauffälligkeiten treten bei den betroffenen Kindern zu tage, wobei diese nicht gleichzeitig nebeneinander auftreten müssen. Das Kind zeigt eine extreme Hyperaktivität, hat öfters Wutausbrüche und ist gereizt, es lässt sich schnell ablenken, ist unaufmerksam und zeigt in der Schule und im Kindergarten oder zu Hause ein übermäßiges Störverhalten, auch eine Vergesslichkeit fällt auf. Die Kinder zeigen ein unbedachtes und risikoreiches Verhalten. Im schulischen Bereich fällt die Langsamkeit der Aufgabenlösung auf, die Toleranzgrenze um Frustrationen zu ertragen ist sehr gering, zwischen der offenkundigen Intelligenz und den erbrachten Leistungen gibt es eine auffallende Diskrepanz. Um eine Hyperaktivität zu vermuten müssen die Auffälligkeiten über einen längern Zeitraum bestehen. Die Verhaltensmerkmale verursachen bei dem Kind ein deutliches Leiden und schaffen eine erhebliche Beeinträchtigung.

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Hyperaktive Kinder können schon im Säuglingsalter auffällig werden, sie schreien viel, lassen sich kaum beruhigen, schreien besonders laut und schrill, bewegen sich ständig sind quengelig und reizbar und lassen sich auch durch Zuwendung nicht beruhigen. Sie möchten nicht schmusen und keinen körperlichen Kontakt. Im Kleinkindalter fällt eine stark ausgeprägte Trotzphase auf und auffällig ist eine gewisse Zerstörungswut im Umgang mit den Spielsachen. Die Kinder sind immer anstrengend und schwierig und stellen eine Herausforderung für die Eltern dar. Die Verhaltensauffälligkeiten steigern sich über das Kindergartenalter bis hin zum Schulalter. Wenn der Verdacht einer Hyperaktivität besteht, gehört das Kind immer in medizinische und psychologische Hände, um eine körperliche Erkrankung abzuklären und kompetente Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Das Kind braucht Hilfe und Unterstützung, denn sein Verhalten geschieht nicht aus Böswilligkeit.

Ein wahrer Segen für solche Kinder ist es, wenn sie von ruhigen und ausgeglichenen Menschen umgeben sind. Das schafft Vertrauen und gibt Sicherheit. Wir leben in einer Zeit in der Kinder durch die Medien und andere Faktoren einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt sind, davor sollte man hyperaktive Kinder schützen. Ein hyperaktives Kind braucht klare Regeln an denen kann es sich festhalten und orientieren, dies gibt wiederum Sicherheit. Ein strukturierter Alltag ist wichtig, denn dieser gibt einen klaren Weg vor, den das Kind dann gehen kann. Ein Tagesablauf, der aus ständigen Wiederholungen besteht, erleichtert den Alltag. Diskussionen, Machtkämpfe und Streitereien mit dem Kind sind in der Regel sinnlos, es braucht Eltern die konsequent handeln. Auch Schimpfen, Ermahnungen und Kritik prallen an den Kindern eher ab. Vielmehr brauchen sie ein einfühlsames Verständnis und eine hilfreiche Unterstützung. Wenn das Kind wahrgenommen wird, so wird es diese Zuwendung auch spüren, genauso wie die Ernsthaftigkeit hinter jedem Bemühen es zu unterstützen. Und vor allen Dingen braucht es Geduld [44].

Text 17.

Massenmedien im Bezug auf Jugendkriminalität

Medien wie Videofilme, Videound Computerspiele werden durch die Entwicklung und Weiterproduktion immer mehr verbreitet.

Kriegsfilme aktivieren zum Umgang mit Waffen, Einsatz mit Waffen, für kriegerische Gefechte. Dieses Medium putscht zu negative Emotionen, Hass, Verachtung und Vernichtungslust auf. Krieg wird verharmlost und zugleich verherrlicht. Filme wie Rambo zeigen die extreme Gewalt. Die

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Niederlage des Helden bedeutet immer den Tod. Werden bei Videooder Computerspielen die Gegner gekämpft, bekommt man immer wildere und schlimmere Waffen um weiterzuspielen.

Für viele wird diese Spielerei zur Sucht, da sie ständig unter Spannung und Gereiztheit stehen. Viele Jugendliche genießen die Selbstbestätigung des guten Gelingens und des Könnens der Spiele. Nicht wenige beschäftigen sich stundenlang mit solchen Videooder Computersielen, dass sie folglich physisch erschöpft sind und sich auf andere Beschäftigungen nur schwer konzentrieren können. Viele Jugendliche und Kinder rüsten sich auch mit Kriegsspielzeug aus, da sie es bei Freunden auch sehen. Aus den Ninja Filmen und Spielen werden etwaige Waffen wie Wurfsterne, Elektroschocker, Seile und Ketten zum Foltern bekannt.

In den USA wurden Studien über die Auswirkung des Umgangs mit Spielzeugwaffen und Kriegsspielzeug durchgeführt. Ein auffallendes, antisoziales Verhalten bei Kindern, schlagen, andere an den Haaren reißen und andere ärgern ist aufgefallen. Kampfartiges und aggressives Verhalten ist das Endresultat dieser Medien

Horrorfilme, die gewalttätigsten aller Filmkategorien werden in den letzten Jahren in Amerika steigend produziert. Nach einer Studie von NCTV waren 1947 noch keine Horrorfilme verbreitet. Seit 1970 nahm die Gesamtzahl aller Horrorfilmseher um das 300fache zu.

Es ist für Kinder unter 12 Jahre selbstverständlich, bereits Horrorfilme gesehen zu haben. In dieser Medienwelt leben Heranwachsende in bestimmten Situationen und unter bestimmten Bedingungen. Dazu gehören Wohnbedingung und fehlende Freizeitbeschäftigung. Diese Medienwelt wird also von den Jugendlichen als Fluchtweg genommen, wenn sich Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags anbahnen.

Die Weltansicht, die durch die Medienwelt vermittelt wird, ist fiktiv und hat mit der Realität nichts zu tun. Gewalt wird in den fiktiven Darstellungen in großem Ausmaß und außerhalb der gesellschaftlichen Normen, Gesetzte und Werte praktiziert und häufig in bewusste Gegensatz zu ihnen als Selbstjustiz, unversöhnliche Feindschaft, Intoleranz, Herabwürdigung, Schädigung und Vernichtung anderer eingesetzt. Ein durchschnittlicher Jugendlicher sieht in einem Jahr einige Tausende Gewaltakte. Bei Videofilmen bringen Spannung, Gewalt und Härte, sowie die Schauspieler selber, ein großes Ereignis und lassen die Jugendlichen aufleben. In allen Filmen werden extreme physische Vorgänge wie Verfolgungsjagden, Schlägereien, Kämpfe mit Waffen, kriminelle Akte sowie schwerste Körperverletzungen und Mord gezeigt. Mit diesen

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Motiven erleben die Jugendlichen Spannung, und das wiederum ist Befriedigung für die Bedürfnisse nach Erregung und Sensation.

Die technischen Tricks und Gags in den Filmen werden bestaunt. Gerade die technisch grausamen aber perfektioniert dargestellten Szenen des Quälens, Foltern, Tötens sind es, die auf die Kinder wirken und nicht der Inhalt! Viele Kinder und Jugendliche begründen ihren Medienkonsum aus Langeweile, wenn "keine Freunde da sind" oder "nichts los" ist. Langeweile tritt auch ein, wenn emotionale Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Dies ist eine Zeiterscheinung, wie die Berufstätigkeit beider Eltern, die große Zahl der Alleinerzieher oder der eingeschränkten sozialen Kontakte [32].

Text 18.

Spielpädagogik

Spielen ist für Kinder mehr als nur ein Zeitvertreib. Es ist die elementare Form des Lernens und ermöglicht es Kindern ihre Umwelt und ihre individuelle Entwicklung zu begreifen. Sie entwickeln im Spiel ihre sozialen, physischen und psychischen Fähigkeiten, ihr Selbstvertrauen und ihre Identität. Im Spiel messen Kinder ihre Kräfte und lernen sich und andere einzuschätzen. Sie finden spielerisch ihren Platz in der Gruppe, ihrer Umgebung, in der Gesellschaft.

Sie wollen die Welt begreifen und Wissen erwerben. Kinder lernen im Spiel "spielend" selbst komplexe Zusammenhänge, wenn ihnen Zeit und Gelegenheit dazu gegeben wird. Und: Je mehr Spaß das Spielen macht, umso intensiver prägt sich das Gelernte ein.

Heute ist es für viele Kinder schwierig selbst Erfahrungen zu machen. Durch veränderte Wohnsituationen und gravierende Einschränkungen der Spielmöglichkeiten in ihrer direkten Umgebung, sind Kinder auf Erfahrungen aus der "Konserve" – sprich aus Fernsehen, Computer oder Büchern – angewiesen. Gerade im städtischen Umfeld haben viele Kinder meist nur wenige Gelegenheiten für freies Spielen. Klettern auf einem Klettergerüst kann das "Erobern" eines Baumes nicht ersetzen. Doch welche Chance haben Kinder sich und ihre Fähigkeiten unter solchen Bedingungen einzuschätzen? Ist dies ein Grund für die zunehmende Gewalt untereinander? Bleibt den Kindern nur diese Möglichkeit des Kräftemessens?

Vor allem Kinder, die wenig oder keine Spielräume in ihrer Wohnumgebung haben, neigen zur Verhäuslichung. Ist die nähere Umgebung gefährlich, können Spielkameraden nicht aus eigener Kraft

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besucht werden, sind Spielplätze fest vorgegeben und bieten keine Chance der Mitgestaltung und Veränderung, bleibt Kindern oft nichts anderes übrig als zu Hause zu bleiben. Dies ist eine Ursache dafür, dass viele Kinder unter Bewegungsmangel leiden.

Kinder bauen durch Toben, Rennen, Schreien usw. Spannungen ab, bringen Freude und Wut zum Ausdruck und befriedigen ihre Neugier im freien Spiel. Doch wo gibt es für unsere Kinder heute noch Raum dafür? Die mangelnden Möglichkeiten der Kinder die auf sie einströmenden Reize zu verarbeiten führen zu Stress. Immer mehr Kinder leiden unter psychosomatischen Erkrankungen.

Viele Kinder verbringen einige Zeit des Tages in Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Horten und anderen Freizeiteinrichtungen. Es bleibt ihnen so einerseits weniger Zeit für freies, nicht von Erwachsenen angeleitetes und beobachtetes Spiel. Andererseits stellt dies die pädagogischen Fachkräfte dieser Einrichtungen vor neue Aufgaben.

Die Einrichtungen müssen den Kindern Freiräume geben, Rückzugsmöglichkeiten, die Chance sich auszuprobieren und auch erwachsenenfreie Spielmöglichkeiten. Natürlich muss alles im Rahmen der Aufsichtspflicht bleiben. Aber können wir uns hinter ihr verstecken und ihr das überall viel beschworene Wohl des Kindes opfern? Vielmehr müssen wir meiner Meinung nach eine Gratwanderung zwischen Freiheit und Aufsicht wagen.

Wir sind heute mehr denn je gefragt für ausreichende Bewegung zu sorgen und den Kindern Sinneserfahrungen zu ermöglichen, die sie in ihrem häuslichen Umfeld vielfach nicht machen können. Diese sind jedoch für die motorische, kognitive, soziale und psychische Entwicklung von Bedeutung [18].

Text 19.

Schützen Sie Kinder vor Gewalt und Missbrauch

So oder ähnlich lauten Warnungen, die Kinder immer wieder von Ihnen oder von ihren Eltern hören: „Gehe mit keinem Fremden mit!“, „Steig in kein Auto ein, das du nicht kennst!“, „Nimm keine Geschenke oder Süßigkeiten von Unbekannten an!“ Diese Warnungen werden zwar wohlwollend von Ihnen ausgesprochen – dennoch verfehlen sie ihre Wirkung, denn sie bauen auf Verunsicherung, Angst und Vermeidungsverhalten auf.

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Wirkungsvolle Prävention hat zum Ziel, die Kinder aufzuklären und stark zu machen, sodass sie sich selbst vor Gewalt und sexuellem Missbrauch schützen können. Fehlinformierte und verunsicherte Kinder dagegen sind ideale Opfer. Die präventiven Maßnahmen, die Sie ergreifen, sollten den Kindern keine Angst machen, sondern ihnen Wissen vermitteln: Kinder müssen ihre eigene Stärke sehen und ihre Handlungsmöglichkeiten kennen lernen.

Kinder sollten erleben, dass sie das Recht haben, in gewissen Situationen Nein zu sagen. Sie dürfen beispielsweise Grenzen ziehen und deutlich aussprechen, wenn ihnen eine Forderung oder Berührung von Erwachsenen oder anderen Kindern nicht gefällt. Sagen Sie den Kindern ausdrücklich, dass sie sich in diesen Situationen wehren dürfen. Kindern fällt es anfänglich schwer, zu unterscheiden, bei welchen Gelegenheiten ein Nein angebracht wäre.

Thematisieren Sie mit den Kindern immer wieder eigene Stimmungen, Empfindungen und Gefühle. Anlässe für solche Gespräche können in Kindertagesstätten Streitigkeiten zwischen Kindern, Ärger mit Lehrern, Enttäuschungen, Mutproben oder mit Süßigkeiten erkaufte Freundschaften sein. Beobachten Sie deshalb genau die Stimmung und die Gefühlslage der Kinder, damit Sie, wenn dies erforderlich ist, darauf eingehen können.

Durch Gespräche über verschiedene von ihnen erlebte Situationen können die Kinder ihre eigenen Gefühle hinterfragen und lernen dabei, ihre Gefühle nach und nach besser einzuschätzen. Bei den Kindern entwickelt sich so ein Maßstab, der ihnen zeigt, dass ihre eigenen Gefühle in Ordnung sind und dass sie sich jederzeit auf sie verlassen können.

Üben Sie mit den Kindern, zwischen so genannten guten und schlechten Geheimnissen zu unterscheiden. Gute Geheimnisse sind beispielsweise angenehme Überraschungen, Geschenke oder Einladungen zum Geburtstag. Verdeutlichen Sie den Kindern, dass sich bei schlechten Geheimnissen ein ungutes Gefühl und manchmal auch Angst einstellen. Oft sind solche schlechten Geheimnisse mit einer Drohung oder Einschüchterung von anderen Kindern oder Erwachsenen verbunden, die den Kindern vermittelt, dass sie die Botschaft nicht preisgeben dürfen.

Sammeln Sie mit den Kindern viele Beispiele von schlechten Geheimnissen und besprechen Sie in Kleingruppen die Handlungsperspektiven und was Kinder in einer solchen Lage tun können.

Kinder, die Gewalt erleben oder sexuelle Missbrauchserfahrungen machen mussten, entwickeln häufig ein Gefühl, das ihren Körper als Mittel zum Zweck hinstellt, über den sie nicht uneingeschränkt selbst bestimmen

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