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remarque_erich_maria_die_nacht_von_lissabon.doc
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28.03.2016
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Ich lachte. „Den Glauben an den Sinn habe ich längst aufgegeben. Ich wäre sonst bitter wie eine wilde Zitrone geworden."

„Ich hoffe, dein Aberglaube geht nicht zu weit." „Nur so weit, Helen", sagte ich sehr ruhig, „daß ich glaube, wenn ich dir sagte, daß ich dich über alle Maßen liebe, ich erwarten würde, die Gestapo eine Minute später gegen die Tür schlagen zu hören."

Sie hielt eine Sekunde still wie ein Tier, das ein ungewohntes Geräusch gehört hat. Dann wendete sie mir langsam ihr Gesicht zu. Es war erstaunlich, wie es sich verändert hatte. „Ist das wirklich der Grund?" fragte sie leise.

„Es ist nur einer", erwiderte ich. „Wie kannst du erwarten, daß ich Ordnung in meinen Gedanken habe, wenn ich gerade aus einer trostlosen Hölle in ein gefährliches Paradies gespült worden bin?"

„Ich habe manchmal darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn du zurückkämest", sagte sie nach einer Weile. „Es war ganz anders."

Ich hütete mich zu fragen, wie es anders gewesen wäre. Man fragt in der Liebe immer zuviel, und wenn man anfängt, die Antworten wirklich wissen zu wollen, ist sie bald vorbei. „Es ist immer anders", sagte ich. „Gott sei Dank!"

Sie lächelte. „Es ist nie anders, Josef. Es sieht nur anders aus. Ist noch Wein da?"

Sie ging um das Bett herum wie eine Tänzerin, stellte ihr Glas auf den Boden neben sich und streckte sich aus. Sie war braun von einer fremden Sonne und sorglos in ihrer Nacktheit wie eine Frau, die nicht nur weiß, daß sie begehrt wird, sondern der es auch oft gesagt worden ist.

„Wann muß ich gehen?" fragte ich. „Das Mädchen kommt morgen nicht zurück." „Übermorgen?"

Helen nickte. „Es war einfach. Heute ist Sonnabend. Ich habe ihr Urlaub über das Wochenende gegeben. Sie kommt Montag mittag zurück. Sie hat einen Gelieb­ten. Einen Polizisten mit einer Frau und zwei Kindern." Sie sah mich aus halbgeschlossenen Augen an. „Sie war glücklich."

Von draußen kamen Marschtritte und Gesang. „Was ist das?" fragte ich.

„Soldaten oder Hitlerjugend. Irgendeine Gruppe marschiert immer irgendwo in Deutschland."

Ich stand auf und blickte durch einen Spalt in den Vorhängen. Es war eine Abteilung Hitlerjugend.

„Merkwürdig, daß du in deiner Familie so aus der Art geschlagen bist", sagte ich.

„Es muß die französische Großmutter sein", erklärte Helen. „Wir haben eine. Sie wird verheimlicht, als wäre sie jüdisch."

Sie gähnte und streckte sich. Sie war plötzlich ganz gelassen, als hätten wir bereits seit Wochen wieder miteinander gelebt und als bestände auch von draußen keine Gefahr mehr. Wir hatten beide bis jetzt möglichst vermieden, darüber zu sprechen. Helen hatte mich bisher auch mit keinem Wort nach meinem Leben im Exil gefragt. Ich wußte nicht, daß sie mich durchschaut und inzwischen einen Entschluß gefaßt hatte. „Willst du nicht noch schlafen?" fragte sie. Es war ein Uhr nachts. Ich legte mich nieder. „Können wir ein Licht brennen lassen?" fragte ich. „Ich schlafe so besser. Ich bin an die deutsche Dunkelheit noch nicht gewöhnt."

Sie sah mich rasch an. „Laß sie alle brennen, wenn du willst, Liebster."

Wir lagen dicht beieinander. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, daß wir früher einmal jede Nacht im selben Bett miteinander geschlafen hatten. Es war wie ein blasser Schatten, eine Erinnerung ohne Farbe. Helen war da, aber völlig anders, in einer sonderbar fremden Vertrautheit; ich erkannte nur noch das Anonyme an ihr wieder, ihren Atem, den Geruch des Haares, am meisten aber den ihrer Haut, verloren gewesen für so lange Zeit und noch nicht voll wieder da, aber doch schon da und bereits klüger als das Hirn. Der Trost der Haut eines geliebten Menschen! Wieviel klüger ist sie und wieviel ausdrucksvoller als der Mund mit seinen Lügen! Ich lag lange wach in dieser Nacht und hielt Helen in meinen Armen und sah das Licht und den halbhellen Raum, den ich kannte und nicht kannte, und ich fragte mich schließlich nichts mehr. Helen wachte noch einmal auf. „Hast du viele Frauen gehabt in Frankreich?" murmelte sie, ohne die Augen zu öffnen.

„Nicht mehr, als notwendig waren", erwiderte ich. „Und keine so wie dich."

Sie seufzte und wollte sich umdrehen, aber der Schlaf überwältigte sie wieder, bevor sie es tun konnte. Sie sank zurück. Langsam kam der Schlaf auch über mich, die Träume blieben aus, die Stille und der Atem Helens füllten mich, und gegen Morgen erwachte ich, nichts war mehr zwischen uns, was uns trennte, ich nahm sie, und sie kam willig, und wir fielen zurück in den Schlaf wie in eine Wolke, in der es schimmerte und nicht mehr dunkel war."

„Ich telephonierte am Morgen dem Hotel in Münster, in dem ich meinen Koffer gelassen hatte, und erklärte, ich hätte mich in Osnabrück verspätet und würde nachts zurückkommen; man möge das Zimmer für mich halten. Es war Vorsicht; ich wollte nicht wegen Zechprellerei angezeigt und von der Polizei erwartet werden. Eine gleichgültige Stimme antwortete, es sei recht so. Ich fragte, ob Post für mich da sei. Nein, Post sei nicht gekommen.

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