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remarque_erich_maria_die_nacht_von_lissabon.doc
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28.03.2016
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Ich mußte an den toten Schwarz denken. „Wollen wir hingehen?" fragte ich Helen.

„Nicht jetzt. Laß uns zurückgehen." Ich wollte nicht, daß sie die Tote noch einmal sähe; aber sie ließ sich nicht abhalten. Als wir zurückkamen, hatte sich die Concierge beruhigt. Vielleicht hatte sie auch die Kette und den Ring schätzen lassen. „Die arme Frau", sagte sie. „Jetzt hat sie nicht einmal einen Namen."

„Hatte sie gar keine Papiere?" „Sie hatte ein Saufconduit. Das haben die andern genommen, bevor die Polizei kam, und Streichhölzer gezogen, wer es bekommen sollte. Die Kleine mit den roten Haaren hat es gewonnen."

„Ach so, natürlich; die hat ja gar keine Papiere. Es war der Toten sicher recht." „Wollen Sie sie sehen?" „Nein", sagte ich. „Ja", sagte Helen,

Ich ging mit ihr. Die Tote war völlig ausgeblutet. Als wir heraufkamen, waren zwei Emigrantinnen dabei, sie zu waschen. Sie drehten sie gerade um wie ein weißes Brett. Die Haare hingen zu Boden. „Raus!" zischte eine mir zu.

Ich ging. Helen blieb. Nach einiger Zeit kam ich

zurück, um sie zu holen. Sie stand allein in der schmalen Kammer am Fußende des Bettes und starrte auf das weiße, eingefallene Gesicht, in dem ein Auge nicht ganz geschlossen war. „Komm jetzt", sagte ich.

„So sieht man dann aus", flüsterte sie. „Wo wird sie begraben?

„Ich weiß es nicht. Da, wo die Armen begraben werden. Wenn es etwas kostet, wird die Concierge schon dafür sammeln."

Helen erwiderte nichts. Die kalte Luft wehte durch das offene Fenster. „Wann wird sie begraben?" fragte sie.

„Morgen oder übermorgen. Vielleicht wird sie auch abgeholt zu einer Obduktion."

„Warum! Glaubt man nicht, daß sie sich getötet hat?"

„Das wird man schon glauben."

Die Concierge kam herauf. „Sie wird morgen abgeholt für eine Klinik zur Autopsie. Die jungen Ärzte lernen operieren an solchen Leichen. Ihr kann's ja gleich sein, und es kostet so nichts. Wollen Sie eine Tasse Kaffee?"

„Nein", sagte Helen.

„Ich brauche eine", erwiderte die Concierge. „Sonderbar, wie es einen aufregt, was? Dabei müssen wir doch alle sterben."

„Ja", sagte Helen. „Aber keiner will es glauben."

Nachts erwachte ich. Sie saß im Bett und schien zu horchen. „Riechst du es auch?" fragte sie. „Was?"

„Die Tote. Man riecht sie. Schließ das Fenster." „Man riecht nichts, Helen. Das geht nicht so schnell."

„Man riecht es."

„Es sind vielleicht die Zweige." Die Emigranten hatten gesammelt und ein paar Lorbeerzweige und eine Kerze zu der Toten hineingestellt.

„Wozu haben sie die Zweige hineingestellt? Sie wird morgen zerstückelt, und dann werfen sie die Stücke in einen Eimer und verkaufen sie als Abfallfleisch für Tiere."

„Sie verkaufen sie nicht. Sie lassen die autopsierte Leiche verbrennen oder begraben", erklärte ich und legte den Arm um Helen. Sie wich mir aus. „Ich will nicht zerstückelt werden", sagte sie.

„Warum solltest du denn zerstückelt werden?" „Versprich mir das", sagte sie, ohne mich zu hören. „Das kann ich dir leicht versprechen." „Schließ das Fenster. Ich rieche es wieder." Ich stand auf und schloß das Fenster. Draußen stand ein heller Mond, und die Katze hockte neben dem Fenster. Sie fauchte und sprang weg, als der Flügel des Fensters sie streifte. „Was war das?" fragte Helen hinter mir. „Die Katze."

„Sie spürt es auch, siehst du? Ich drehte mich um. „Sie sitzt hier jede Nacht und wartet, daß der Kanarienvogel aus seinem Käfig herauskommen soll. Schlaf weiter, Helen. Du hast geträumt. Man riecht wirklich nichts vom andern Zimmer her."

„Dann bin ich es, die riecht?"

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