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und sagte kein einziges.doc
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09.11.2019
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Ich hob meinen Kopf und küsste ihn.

Er ließ mich los, half mir in den Mantel und ich packte unsere Sachen in meine Tasche, während er sich anzog. „Glücklicher", sagte er, „waren die, die sich nicht liebten, als sie heirateten. Es ist schrecklich sich zu lieben und zu heiraten."

„Vielleicht hast du Recht", sagte ich.

Es war noch immer dunkel und im Flur roch es aus der Ecke, in der die Toilette war. Das Restaurant unten war geschlossen, es war auch niemand zu entdecken, keine Tür war auf und Fred hing den Schlüssel an einen großen Nagel neben dem Eingang zum Restaurant.

Die Straße war voller Mädchen, die in die Schokoladenfabrik gingen: Ich war erstaunt über die Heiterkeit auf ihren Gesichtern, die meisten gingen Arm in Arm und lachten miteinander.

Als wir in die Imbissstube traten, schlug es von der Kathedrale viertel vor sieben. Das Mädchen wandte uns den Rücken zu, bediente die Kaffeemaschine. Es war nur ein Tisch frei. Der Blöde hockte nahe am Ofen, lutschte seine Zuckerstange. Es war warm und rauchig. Das Mädchen lächelte mich an, als sie sich herumdrehte, sagte „Oh", sah dann Fred an, wieder mich, lächelte und lief an den freien Tisch um ihn abzuwischen. Fred bestellte Kaffee, Brötchen und Butter.

Wir setzten uns und es tat mir wohl zu sehen, dass sie sich wirklich freute: Ihre Ohren waren ein wenig gerötet vor Eifer, als sie die Teller für uns zurecht machte. Aber ich hatte keine Ruhe, dachte dauernd an die Kinder und es wurde kein gutes Frühstück. Auch Fred war unruhig. Ich sah, dass er nur selten zu dem Mädchen hinblickte, mich anzusehen versuchte, wenn mein Blick nicht auf ihm lag, und jedes Mal, wenn ich ihn anblickte, sah er weg. Es kamen viele Leute in die Bude, das Mädchen gab Brötchen aus, Wurst und Milch, zählte Geld hin, nahm welches entgegen und manchmal blickte sie zu mir hin, lächelte mir zu, als müsse sie ein Einverständnis bestätigen, Einverständnis über etwas, was sie stillschweigend vorauszusetzen schien2. Wenn es etwas ruhiger wurde, ging sie zu dem Blöden, wischte ihm den Mund ab, flüsterte ihm seinen Namen zu. Und ich dachte an alles, was sie mir über ihn erzählt hatte. Ich erschrak sehr, als plötzlich der Priester eintrat, bei dem ich gestern gebeichtet hatte. Er lächelte dem Mädchen zu, gab ihm Geld und bekam eine rote Packung Zigaretten über die Theke gereicht. Auch Fred sah ihm gespannt zu. Dann riss der Priester die Packung auf, sein Blick streifte gleichgültig das Lokal, er sah mich und ich sah, dass er erschrak. Er lächelte nicht mehr, steckte die Zigarette lose in die Tasche seines schwarzen Mantels, wollte auf mich zukommen, wurde rot und trat wieder zurück.

Ich stand auf und ging auf ihn zu.

„Guten Morgen, Herr Pfarrer", sagte ich.

„Guten Morgen", sagte er, blickte verlegen um sich und flüsterte: „Ich muss Sie sprechen, ich war heute Morgen schon bei Ihnen zu Hause."

„Mein Gott", sagte ich.

Er nahm die Zigarette aus der Manteltasche, steckte sie in den Mund und flüsterte, während er das Streichholz anriss: „Sie sind absolviert, es gilt — ich war sehr dumm, verzeihen Sie."

„Vielen Dank", sagte ich, „wie war es zu Hause?"

„Ich sprach nur mit einer älteren Dame. War es Ihre Mutter?"

„Meine Mutter?", fragte ich entsetzt.

„Besuchen Sie mich einmal", sagte er und ging sehr schnell hinaus.

Fred schwieg, als ich zum Tisch zurückkam. Er sah sehr gequält aus. Ich legte meine Hand auf seinen Arm. „Ich muss gehen, Fred", sagte ich leise.

„Noch nicht, ich muss mit dir sprechen."

„Es geht hier nicht, später. Mein Gott, du hattest die ganze Nacht Zeit."

„Ich komme zurück", flüsterte er, „bald. Hier ist Geld für die Kinder, ich versprach es ihnen ja. Kauf ihnen etwas dafür, vielleicht Eis, wenn sie mögen."

Er legte eine Mark hin. Ich nahm sie und steckte sie in die Manteltasche.

„Später", flüsterte er, „bekommst du das, was ich dir schulde."

„Ach, Fred", sagte ich, „lass doch das."

„Nein", sagte er, „es ist mir so schwer daran zu denken, dass ich dich vielleicht..."

„Ruf mich an", flüsterte ich zurück.

„Du kommst, wenn ich anrufe?", fragte er.

„Vergiss nicht, ich habe noch einen Kaffee zu zahlen und drei Kuchen."

„Ich denke daran, willst du wirklich schon gehen?"

„Ich muss."

Er stand auf, ich blieb sitzen und sah zu, wie er an der Theke stand und wartete. Das Mädchen lächelte zu mir hin, als Fred bezahlte, und ich stand auf und ging mit Fred zur Tür. „Kommen Sie wieder?", rief sie, ich rief zurück: „Ja", und warf noch einen Blick auf den Blöden, der mit der abgelutschten Holzstange im Mund dort hockte.

Fred brachte mich zum Bus. Wir sprachen kein Wort mehr miteinander, küssten uns schnell, als der Bus kam, und ich sah ihn dort stehen, wie ich ihn so oft gesehen habe: schlecht angezogen und traurig. Ich sah noch, wie er langsam zum Bahnhof ging, ohne sich noch einmal umzuwenden.

Meine Abwesenheit kam mir unendlich lange vor, als ich die schmutzige Treppe zu unserer Wohnung hinaufstieg, und es fiel mir ein, dass ich die Kinder noch nie so lange allein gelassen habe. Es war unruhig im Haus, die Wasserkessel pfiffen, die Radios gaben ihre amtliche Heiterkeit her und im ersten Stock schimpfte Mesewitz mit seiner Frau. Hinter unserer Tür war Stille: Ich drückte die Klingel dreimal, wartete und hörte endlich die Kinder, als Bellermann öffnete. Ich hörte sie alle drei, begrüßte Bellermann nur flüchtig und lief an ihm vorbei ins Zimmer um die Kinder zu sehen: Sie saßen um den Tisch herum so ordentlich, wie sie bei mir nie sitzen, ihr Gespräch, ihr Lachen verstummte, als ich eintrat: Nur einen einzigen Augenblick lang war es still, und tiefe Beklemmung befiel mich: Ich hatte Angst — nur diesen Augenblick lang, aber ich vergesse ihn nicht, diesen Augenblick.

Dann standen die beiden Großen auf, umarmten mich und ich nahm den Kleinen auf den Arm, küsste ihn und spürte, wie die Tränen mir übers Gesicht liefen. Bellermann war schon im Mantel, er hielt den Hut in der Hand. „Waren sie brav?", fragte ich.

„Ja", sagte er, „sehr", und die Kinder blickten ihn an und lächelten.

„Warten Sie", sagte ich. Ich setzte den Kleinen in seinen Stuhl, nahm meine Geldtasche aus der Schublade und trat mit Bellermann in den Flur. Ich sah Frau Frankes Hut, Herrn Frankes Kappe auf der Garderobe liegen und grüßte Frau Hopf, die vom Clo kam. Sie trug Papilloten im Haar, hatte eine Illustrierte unter dem Arm. Ich wartete, bis sie in ihrem Zimmer war, sah Bellermann an und sagte:

„Vierzehn, nicht wahr?"

„Fünfzehn", sagte er und lächelte mir zu.

Ich gab ihm fünfzehn Mark, sagte: „Vielen Dank auch", und er sagte: „Oh, nichts zu danken", dann steckte er den Kopf noch einmal in die Tür unseres Zimmers, rief: „Auf Wiedersehen, Kinder" und die Kinder riefen: „Auf Wiedersehen."

Ich umarmte sie alle noch einmal, als wir allein waren, blickte sie forschend an, aber ich konnte in ihren Gesichtern nichts entdecken, was meine Angst gerechtfertigt hätte. Seufzend fing ich an, ihnen Brote für die Schule zurecht zu machen: Clemens und Carla kramten in ihren Kisten her­um. Carla schläft in einem amerikanischen Feldbett, das wir tagsüber zusammenklappen und an die Decke hängen, Clemens auf einem alten Plüschsofa, das längst zu kurz für ihn geworden ist. Bellermann hatte sogar die Betten gemacht.

„Kinder", sagte ich, „der Vater lässt euch grüßen. Er hat mir Geld für euch gegeben."

Sie sagten nichts.

Carla trat neben mich, nahm ihr Butterbrotpaket. Ich blickte sie an: Sie hat Freds dunkle Haare, seine Augen, die so plötzlich abirren können3.

Der Kleine spielte in seinem Stühlchen, sah manchmal zu mir hin, als wolle er sich meiner vergewissern, und spielte dann weiter.

„Habt ihr schon gebetet?" „Ja", sagte Carla.

„Vater kommt bald zurück", sagte ich und ich spürte eine große Zärtlichkeit für die Kinder, musste an mich halten um nicht schon wieder zu weinen.

Wieder sagten die Kinder nichts. Ich blickte Carla an, die neben mir auf dem Stuhl saß, in einem Schulbuch blätterte und lustlos an ihrer Milch trank. Und plötzlich sah sie zu mir auf und sagte ruhig: „Er ist gar nicht krank, er gibt ja noch Stunden."

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