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und sagte kein einziges.doc
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09.11.2019
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Ich ging ein paar Schritte rückwärts und setzte mich an den Tisch neben die Kinder.

„Auch Kaffee?", rief das Mädchen.

„Ja, bitte", sagte ich.

Der alte Mann häufte drei Kuchen auf einen Teller und brachte sie mir. Er blieb neben mir stehen. „Vielen Dank", sagte ich, „aber Sie kennen mich doch nicht."

Er lächelte mir zu, nahm die Hände vom Rücken, hielt sie ungeschickt vorne auf den Bauch und murmelte: „Oh, keine Sorge." Ich nickte zu dem Blöden hin, der immer noch auf der Türschwelle saß: „Ist er Ihr Sohn?"

„Mein Sohn", sagte er leise, „und sie ist meine Tochter."

Er warf einen Blick auf das Mädchen hinter der Theke, das die Hebel der Kaffeemaschine bediente.

„Er versteht die Sprache der Menschen nicht, mein Sohn", sagte der alte Mann, „auch nicht die der Tiere, kein einziges Wort kann er sprechen, nur dsu-dsa-dse, und wir", seine Zunge, die er aufgeworfen hatte, um diese Laute zu bilden, fiel wieder flach in den Mund zurück, „wir machen es nach, unfähig und hart, sagen zu-za-ze. Wir sind unfähig", sagte er leise und er hob plötzlich seine Stimme ein wenig, rief „Bernhard", und der Blöde wandte schwerfällig seinen Kopf, ließ ihn sofort wieder nach vorne fallen. Noch einmal rief der Alte „Bernhard", wieder wandte sich das Kind um, sein Kopf plumpste nach vorne zurück wie ein Pendel, und der alte Mann stand auf, nahm das Kind vorsichtig bei der Hand und führte es an den Tisch. Er setzte sich neben mich auf den Stuhl, nahm den Jungen auf den Schoss und fragte mich leise:

„Oder ekeln Sie sich. Sagen Sie es nur."

„Nein", sagte ich, „ich ekele mich nicht." Seine Tochter brachte den Kaffee, setzte die Tasse vor mich hin und blieb neben ihrem Vater stehen. „Sie müssen sagen, wenn es Sie ekelt, wir sind nicht böse, die meisten ekeln sich."

Das Kind war fett, beschmiert, blickte dumpf vor sich hin, lallte sein dsu-dsa-dse, ich sah es genau an, hob den Kopf wieder und sagte: „Nein, ich ekele mich nicht — es ist wie ein Säugling." Ich nahm die Tasse an den Mund, trank den Kaffee, biss in den Kuchen und sagte „Oh, ist Ihr Kaffee gut."

„Wirklich?", rief das Mädchen, „wirklich? Das hat mir heute Morgen ein Mann gesagt — sonst noch nie jemand." „Er ist wirklich gut", sagte ich und ich trank wieder, biss in den Kuchen. Das Mädchen stützte sich auf die Stuhllehne ihres Vaters, sah mich an, dann über mich hinweg.

„Manchmal", sagte sie, „versuche ich mir vorzustellen, was er erlebt, wie er lebt — er ist meistens so friedlich, so glücklich — vielleicht sieht er nur grün und braun, nur zwei Farben — viel­leicht ist die Luft Wasser für ihn, grünes Wasser, weil er sich nur so schwer durch sie hinbewegen kann — grünes Wasser, das sich manchmal bräunlich färbt, durchbrochen von schwärzlichen Striemen wie bei einem alten Film — manchmal weint er auch, das ist schrecklich, wenn bestimmte Geräusche kommen, das Knirschen der Straßenbahnen, das hohe Pfeifen im Radio — wenn das kommt, dann weint er."

„Oh", sagte ich, „er weint?"

„Oh, ja", sagte sie und ihr Blick kam zurück, sie sah mich an, ohne zu lächeln, „er weint oft, und immer, wenn diese hellen Geräusche kommen. Er weint dann heftig und die Tränen rinnen in den Schmier um seinen Mund. Es ist das einzige, was er essen mag: Süßes, Milch und Brot — alles, was nicht süß ist, nicht Milch oder Brot — alles bricht er wieder aus. Oh, Verzeihung", sagte sie, „Sie ekeln sich jetzt?"

„Nein", sagte ich, „erzählen Sie doch von ihm."

Sie blickte wieder über mich hinweg, legte ihre Hand auf den Kopf des Blöden. „So wie es schwer für ihn ist, sein Gesicht, seinen Körper gegen das Fließen der Luft zu bewegen — so schrecklich muss es für ihn sein diese Geräusche zu hören. Vielleicht hat er immer das sanfte Brausen von Orgeln im Ohr, eine braune Melodie, die er allein hört — vielleicht hört er einen Sturm, der unsichtbare Bäume zum Rauschen bringt. Saiten so dick wie Arme kommen zum Klingen — ein Summen, das ihn ruft, das zerstört wird." Der alte Mann hörte ihr wie verzückt zu, hielt seine Hände um den Leib des Blöden geschlungen und achtete nicht darauf, dass Marmelade und Zucker auf seine Rockärmel fielen. Ich trank noch einmal Kaffee, biss in den zweiten Kuchen und fragte leise das Mädchen: „Woher wissen Sie es?" Sie sah mich an, lächelte und sagte: „Oh, ich weiß nichts — aber vielleicht — es muss etwas in ihm sein, was wir nicht kennen, ich versuche es mir vorzustellen — manchmal auch schreit er plötzlich auf, ganz plötzlich, kommt zu mir gerannt und ich lasse seine Tränen in meine Schürze fließen — ganz plötzlich, wenn er an der Tür sitzt — und ich denke mir, dass er dann mit einem Male alles so sieht, wie wir es sehen — plötzlich — nur für eine halbe Sekunde, dass es wie Schrecken in ihn eindringt: Menschen, wie wir sie sehen, Autos, Bahnen — alle Geräusche. Dann weint er lange." Die Kinder, die in der Ecke gesessen hatten, standen auf, schoben ihre Teller von sich weg, gingen an uns vorbei und ein keckes kleines Mädchen mit grüner Mütze rief: „Anschreiben bitte — hat die Mutter gesagt."

„Ja, ist gut", sagte der alte Mann und lächelte ihnen nach. „Ihre Frau", fragte ich leise, „seine Mutter ist tot?"

„Ja", sagte der Mann, „sie ist tot — eine Bombe zerriss sie auf der Straße, riss ihr den Kleinen vom Arm, der auf einen Strohballen fiel und schreiend gefunden wurde."

„War er von Geburt...?", fragte ich stockend.

„Von Geburt", sagte das Mädchen, „er war immer so, es rinnt, rinnt alles an ihm vorbei — nur unsere Stimmen erreichen ihn, die Orgeln in der Kirche, das schrille Knirschen der Straßenbahn und das Chorgebet der Mönche. Aber essen Sie doch, oh, Sie ekeln sich doch."

Ich nahm den letzten Kuchen, schüttelte den Kopf und fragte: „Die Mönche hört er, sagen Sie?"

„Ja", sagte sie milde in mein Gesicht hinein, „er muss sie hören. Wenn ich zu den Mönchen gehe, am Bildonerplatz, Sie wissen — wenn sie dort ihr Chorgebet singen — dann verändert sich sein Gesiсht, wird schmal, sieht fast streng aus — jedes Mal erschrecke ich — und er lauscht, ich weiß, er hört sie, erlauscht, ganz anders ist er dann, er hört die Melodie der Gebete und weint, wenn die Mönche aufhören. Oh, Sie staunen!", sagte sie lächelnd, „essen Sie doch."

Ich nahm den Kuchen wieder in meine Hand, biss hinein, spürte, wie die warme Marmelade in meinem Mund zerging.

„Sie müssen oft mit ihm hingehen", sagte ich, „zum Bildonerplatz."

„Oh, ja", sagte sie, „ich gehe oft mit ihm dorthin, obwohl es mich so erschreckt. Mögen Sie noch Kaffee?"

„Nein, danke", sagte ich, „ich muss gehen." Ich blickte sie zögernd an, auch den Blöden und sagte leise: „Ich möchte es einmal sehen."

„In der Kirche?", fragte sie, „bei den Mönchen?"

„Ja", sagte ich.

„Oh, dann kommen Sie doch — schade, dass Sie gehen — Sie kommen zurück, nicht wahr?" „Ich komme wieder", sagte ich, „ich muss ja noch zahlen."

„Nicht deswegen, bitte — kommen Sie wieder."

Der Alte nickte zu ihren Worten. Ich trank den letzten Schluck Kaffee aus, stand auf und klopfte die Kuchenkrümel von meinem Mantel.

„Ich komme wieder", sagte ich, „es ist so schön bei Ihnen."

„Heute noch?", fragte das Mädchen.

„Heute nicht", sagte ich, „aber bald, vielleicht morgen früh — und oft — zu den Mönchen gehe ich mit."

„Ja", sagte sie. Sie reichte mir ihre Hand, ich hielt sie einen Augenblick fest, diese sehr leichte weiße Hand, ich blickte in ihr blühendes Gesicht, lächelte und nickte dem alten Manne zu. „Bernhard", sagte ich leise zu dem Blöden, der den Kuchen zwischen seinen Fingern zerkrümelte, aber er hörte mich nicht, schien mich nicht einmal zu sehen — er hatte die Lider fast ganz geschlossen, rötliche entzündete Lider.

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