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01.09.2019
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Deutschland flattert

Von Friedrich Küppersbusch

Vom ankumpelnden Zeitungswerbegeschenk über die Schwarz-Rot-Golf-Version für 3,99 Euro an der Tanke bis zum vaterländischen Kotflügelstander: Deutschland flattert. Bei Gelegenheit der Fußball-WM unternimmt das deutsche Tuch einen neuerlichen Anlauf in die Welt, die ihm bisher meist verboten blieb: in den Alltag. In die Normalität.

"Unsere Fahne flattert uns voran", summt's da widerhallend im Rentnerohr. Passt, aber dummerweise ist dies die alte Innigkeitsprosa von Reichsjugendführer Baldur von Schirach. "Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not Ja, die Fahne ist mehr als der Tod" - so ging's damals weiter im Text und in den Abgrund.

Hymnen, Hauptstadt, Heraldik - nationale Symbole ohne schwere Vorstrafen sind in Deutschland nicht zur Hand. Dabei hat Schwarz-Rot-Gold doch eine eher harmlose Legende zu bieten: Burschenschafter färbten ihre bunten Zivilröcke auf den gemeinsamen Nenner Schwarz, setzten goldene Messingknöpfe auf und applizierten rote Rockaufschläge - fertig. Auf in die Schlacht für "Ehre, Freiheit, Vaterland", die deutschen Gaue zu einen. Mit einigem Recht ließe sich hier vom ersten deutschen Nationaltrikot sprechen. Noch heute sperrt die Deutsche Burschenschaft Ausländer, Frauen, Zivildienstleistende, Juden und Muslime aus - gaudeamus igitur, deshalb also trinken wir.

Schon die Lateiner schauderten ob der deutschen Fahne

Richtig, schon die Lateiner schauderten ob der deutschen Fahne: "Als Getränk dient eine Flüssigkeit aus Gerste oder Weizen, die in einer gewissen Ähnlichkeit mit Wein gegoren wird", staunte der Römer Tacitus über die ollen Germanen. "Wenn man, ihrer Trunksucht entsprechend, ihnen die Menge geben wollte, die sie so heftig begehren, könnte man sieÉ durch dies Laster eher besiegen als durch die Waffen." Bei Caesar waren wir dem Trunk noch abhold, brachten "Menschen von ungeheurer Körpergröße hervor" und verschreckten die Gegner allein "durch den Gesichtsausdruck und das Feuer der Augen". Das klingt nach einer frühen Kreuzung aus Oli Kahn und Didi Hallervorden. Caesars Motive allerdings ähnelten auch eher denen des Trainers, der vor der peinlichen Niederlage den zweitklassigen Provinzklub starkredet zum "erwartet schweren Gegner".

Noch mal Tacitus: "Das germanische Volk kennt nur eine Art von Schauspiel, und es ist bei jeder festlichen Zusammenkunft das Gleiche: Nackte, junge Männer, für die dies ein Vergnügen ist, werfen sich zwischen Schwerter. Die Lust der Zuschauer ist der einzige Lohn für das verwegene Spiel."

In der Abseitsfalle des Deutschtums

So sah man unsere Ahnen: Wir soffen gern, ergötzten uns an unseren blutgrätschenden Jungs, machten als Furcht erregende Krieger von uns reden. Dann muss noch irgendetwas passiert sein, und seitdem können wir kein Fähnchen auf Taxi und Lkw vorbeiknattern sehen, ohne in allgemeine Nationalgrübelei zu verfallen. Rechtzeitig zur patriotischen Aufwallung in Leder ist wieder Hauptversammlung in der Abseitsfalle des Deutschtums.

Manch Feuilletonist töpfert nach alter Ahnen Brauch ein vaterländisch Eimerchen Schnurzkeramik zusammen. "Spiegel"-Kulturchef Matthias Matussek fordert buchdick "eine positive Identifikation mit der Nation", wird deshalb zum ARD-"Presseclub" einberufen. Prompt stellt er dort seine enorm fortgeschrittene nationale Entkrampfung unter Beweis: Aufs Stichwort "Nationalismus" bollert er dreimal "Unverschämtheit" und fordert allseits Entschuldigung. Die Tonart der Deutschen ist schmoll.