- •Verlag von s. Hirzel in leipzig
- •I. Das Chortitzaer Mennonitengebiet(1)
- •II. Das Neusatzer Kolonistengebiet(1)
- •III. Das Zьrichtaler Kolonistengebiet
- •IV. Das Molotschnaer Kolonistengebiet(1)
- •V. Das Molotschnaer Mennonitengebiet(1)
- •VI. Das Schwedengebiet(2)
- •VII. Das Mariupoler Kolonisten- und Mennonitengebiet(4)
- •VIII. Alt-Danzig
- •X. Rybalsk(3)
- •XI. Die Kolonie Neudanzig
VI. Das Schwedengebiet(2)
1. Klosterdorf(3)
Abdruck des von J. Stach unter dem Titel "KurzgefaЯte
Ьbersicht der Grьndung und des Bestehens der Kolonie
Klosterdorf vom Jahre 1848" verцffentlichten Berichts aus:
Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1915, 3. Jg., Eugenfeld
(1914).
Die Kolonie ist im Jahre 1805 gegrьndet, die Hдuser sind aber 1806 in zwei
Reihen gebaut worden. Sie liegt am Dnjepr, 82 Werst von Cherson entfernt.
Bodenbeschaffenheit, Verhдltnisse der Dnjeprinseln, Unterstьtzung seitens der
Krone, Ansiedlung, Heimsuchungen und Entwicklung des Wohlstandes genau so wie in
Mьhlhausendorf und Schlangendorf(4).
Da die Kolonie unweit eines Klosters angelegt ist(5), so erhielt sie von den
Herren General Kontenius(6) und Hofrat Schilkow(7) den Namen Klosterdorf. Von
den 30 ursprьnglichen Familien(8) stammen 8 aus Bцhmen, 7 aus Mainz am Rhein, 8
aus Baden und 7 aus der Kurpfalz. Zur Auswanderung sind sie durch den Kommissar
Ziegler veranlaЯt worden(9). Von Grodno bis Jekaterinoslaw wurden sie von einem
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(1) Mit den Worten: "So berichtet der Chronist Ende der ersten Hдlfte des 19.
Jhs." schlieЯt hier der unbekannte Herausgeber seinen Auszug aus dem
Gemeindebericht.
(2) Dieses Gebiet war ursprьnglich zur Besiedlung mit Schweden bestimmt, die
1782 hier die Kolonie Alt-Schwedendorf begrьndeten. Vgl. I PSZ Bd. 26 Nr.
19372, 6. April 1800 (wo fдlschlich als Grьndungsjahr 1787 angegeben wird),
ferner die Jubilдumsschrift von Wilhelm Isert: Statistisch-historische
Beschreibung der Kolonien im schwedischen Gebiet betreff ihres 100-jдhrigen
Bestehens. Odessa 1904; Neuer Haus- und Landwirtschaftskalender fьr deutsche
Ansiedler im sьdlichen RuЯland. Odessa 1905, und den Gemeindebericht aus dem
Jahre 1848 in: Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1915, 3. Jg., Eugenfeld
(1914), S. 147-148.
(3) Russischer Name: Kostyrka, vgl. auch S. 166.
(4) Dieser Satz stammt wohl von S. Stach.
(5) 7 Werst von Klosterdorf entfernt liegt das orthodoxe
Grigorjewskij-Bizjukow-Kloster, vgl. Semenov-Tjan-Sanskij a.a.O. Bd. 14, S.
641.
(6) Vgl. S. 35 Anm. 4.
(7) Der Name lieЯ sich nicht ermitteln, vgl. aber Scholkow.
(8) 1857: 35 Wirtschaften (176 Mдnner) auf 2100 Desj. und 10 landlose Familien
(29 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 30.
(9) Vgl. S. 29.
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Soldaten(1), von Jekaterinoslaw bis an Ort und Stelle von General Kontenius und
Hofrat Schilkow gefьhrt. Bis zum Aufbau der Erdhьtten wurden sie in
Alt-Schwedendorf einquartiert. Ihr vom Ausland mitgebrachtes Besitztum bestand
aus einer Anzahl Pferden, wovon einige Familien zwei, die meisten aber nur eines
besaЯen.
Schulz: Josef Hinkel.
Schullehrer: Nikolaus Luft.
2. Mьhlhausendorf(3)
Abdruck des von J. Stach unter dem Titel "KurzgefaЯte
Ьbersicht der Grьndung und des Bestehens der Kolonie
Mьhlhausendorf aus dem Jahre 1848" verцffentlichten Berichts
aus Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1915, 3. Jg.,
Eugenfeld (1914).
Die Niederlassung der Ansiedler und Ankunft an Ort und Stelle erfolgte im Jahre
1805, die Anlegung und der Bau der Hдuser 1806. Bis zum Aufbau der Hдuser wurden
die Kolonisten teils in Alt-Schwedendorf untergebracht, teils muЯten sie sich
eigene Hьtten bauen.
Die Kolonie befindet sich an der nцrdlichen Seite des Flusses Dnjepr, am FuЯ des
Berges, eine halbe Werst sьdlich von Alt-Schwedendorf(3), 80 Werst von der
Kreis- und Gouvernementsstadt Cherson entfernt. Sьdwestlich erstreckt sich eine
Niederung, die vom Dnjepr durchstrцmt wird und viele kleine Inseln aufweist. Auf
diesen Inseln, sowohl diesseits als jenseits des Dnjeprs befinden sich Pappeln,
Weiden, Strauchwerk, sowie Rohr und Schilf. Auch Heu wдchst auf den Inseln, doch
kann die Heuernte von jenseits des Dnjepr erst dann eingebracht werden, wenn der
Dnjepr fest zugefroren ist; auf diese Weise geht bei gelinden Wintern durch die
alljдhrlich stattfindenden Ьberschwemmungen im Frьhling viel Heu verloren. Das
der Kolonie zugeteilte Land erstreckt sich 10 Werst weit nach Nordosten und ist
am Dorf eine, weiter entfernt zwei Werst breit. Es ist hoch gelegen, nicht zu
uneben und hat einen gelblehmigen, sandigen, hitzigen Boden, auf welchem jede
Getreideart bei gьnstiger Witterung und dьnner Aussaat gedeiht. Eine dichte
Aussaat hat keine Aussicht auf einen guten Ertrag. Am FuЯe des Berges auf der
Dnjeprseite befinden sich auch Kalksteine, derer sich die Kolonisten zum
Mauerwerk bedienen. Im Jahre 1847 ist auf Anordnung der Obrigkeit eine
Waldplantage angelegt worden.
Vor Anlegung der Kolonie befand sich hier eine Windmьhle mit einem kleinen Haus.
Beides gehцrte dem Schwedendorfer Kolonisten Herrmann(4), der es auch gebaut
hatte. Die Herren Kontenius und Hofrat Schilkow(5) gaben der neuen Kolonie den
Namen Mьhlhausendorf, weil nicht allein die Mьhle hier gestanden war, sondern
auch der Fьhrer und Schulz der Kolonie vom Auslande her aus Mьhlhausen stammte.
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(1) Vgl. I PSZ Bd. 27 Nr. 20691.
(2) Anfдnglich auch Mьhldorf genannt.
(3) Vgl. S. 163 Anm. 2.
(4) Im Verzeichnis der Alt-Schwedendorfer Wirte aus dem Jahre 1805 bei Isert
a.a.O. S. 20 wird ein Karl Herrmann genannt.
(5) Vgl. S. 163 Anm. 7.
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Die Kolonie ist ursprьnglich von 16 Familien angelegt worden, welche mit
Ausnahme einer einzigen deutsch-bцhmischen Familie aus Цsterreich und
Wьrttemberg stammten. Sie hatten in ihrer Heimat Zeitungsnachrichten empfangen,
daЯ der Kaiser im Sьden seines Reiches Land an deutsche Kolonisten unter
gьnstigen Privilegien abgebe und waren, ohne eine Partie zu bilden, auf eigenes
Risiko aufgebrochen. Grodno war ihr Sammelplatz. Dort wдhlten sie sich zum
Fьhrer aus ihrer eigenen Mitte den Kolonisten Karl Waser(1).
Von Grodno an bekamen die Ansiedler 25 Kop. Banko Nahrungsgelder auf die Seele.
Zur Ansiedlung erhielten sie nach ihrer Ankunft in Jekaterinoslaw 160 Rubel
Banko VorschuЯ von der Krone. An Ort und Stelle wurde ihnen Bauholz zugeteilt.
Die eigenen aus der alten Heimat mitgebrachten Mittel hatten sie bereits auf der
Reise verzehrt.
In den ersten Jahren nach der Ansiedlung(2) zeichneten sich die Kolonisten durch
Trдgheit, Gleichgьltigkeit, ProzeЯsucht und Trunksucht aus. Mit dem Schulwesen
war es schlecht bestellt(3). Da sie die Landessprache nicht verstanden, so
wurden sie von den Einheimischen vielfach betrogen, belogen und bestohlen. Das
ungewohnte Klima raffte viele hinweg. Doch gelangten sie trotz manchen
Schwierigkeiten und Hindernisse, wenn nicht zum Wohlstand, so doch zu ungleich
besseren moralischen und цkonomischen Verhдltnissen. In den Jahren 1821 bis 1824
richteten Heuschrecken, 1825 die Viehseuche, 1840 bis 1843 Feldmдuse groЯen
Schaden an.
Schulmeister: Johann Michael WeiЯ
Schulz: Christian Rast.
3. Schlangendorf(4)
Abdruck des von J. Stach unter dem Titel "KurzgefaЯte
Ьbersicht der Grьndung und des Bestehens der Kolonie
Schlangendorf aus dem Jahre 1848" verцffentlichten Berichts
aus: Jahrbuch des "Landwirt" fьr das Jahr 1915, 3. Jg.,
Eugenfeld (1914).
Die Kolonie ist im Jahre 1806 angelegt und gebaut worden, liegt am Dnjepr, 9
Werst von Berislaw und 79 Werst von Cherson entfernt. Ihre sьdliche Grenze ist
der FluЯ Konka. Schlangendorf hat an den in der Beschreibung von Mьhlhausendorf
erwдhnten Inseln teil. Das Land ist genau so beschaffen, wie das von
Mьhlhausendorf. Die 19 Familien dieser Kolonie bauten ihre Hдuser nicht, wie es
sonst ьblich war, in zwei, sondern in einer Reihe. Als Hofrat Schilkow(5) das
neue Dorf besichtigte, tadelte er diese Anlage und sagte: "Euer Dorf habt ihr
gebaut wie eine Schlange, alles nebeneinander, - so soll es denn auch
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(1) Karl Waser stammt also vermutlich aus Mьhlhausen, vgl. oben.
(2) 1857: 35 Wirtschaften (149 Mдnner) auf 2100 Desj. und 3 landlose Familien
(16 Mдnner), vgl. Klaus a.a.O. Beilage 2, S. 30.
(3) Vgl. S. 31 Anm. 5.
(4) Russischer Name: Gadjucaja.
(5) Vgl. S. 163 Anm. 7.
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Schlangendorf heiЯen!" Von den 19 Familien stammten die meisten aus PreuЯen,
drei aus Pommern und eine aus Schlesien(1).
Veranlassung und Umstдnde der Einwanderung sind hier ganz dieselben wie in
Mьhlhausendorf. In Jekaterinoslaw gab ihnen das Vormundschaftskontor als Fьhrer
den Schreiber Peter Schmidt(2).
Fertige Hдuser wurden nicht vorgefunden. Die Kolonisten erhielten Nahrungs- und
VorschuЯgelder sowie Baumaterial von der Krone. Sie waren alle arm. Diejenigen,
die noch einiges Vermцgen aus ihrem Vaterland mitgebracht hatten, verloren
dasselbe unterwegs in der Nдhe von Schitomir(3), wo in einem Wirtshause bei der
Nacht Feuer ausbrach und alle Habseligkeiten verzehrte. Zwei alte Leute, die auf
dem Wagen schliefen, fanden in den Flammen ihren Tod. Zur Armut gesellten sich
in der neuen Heimat die Krдnklichkeit und Sterblichkeit in den ersten Jahren.
Auch war Schlangendorf den gleichen Heimsuchungen wie Mьhlhausendorf ausgesetzt.
Schulz: Peter Tomm.
Beisitzer: Michael Oppenlander,
Karl Gretschmann.
Schullehrer: Johann Kawalsky.