Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Sein-und-Zeit1.pdf
Скачиваний:
20
Добавлен:
18.03.2015
Размер:
2.74 Mб
Скачать

142

sich entgegenstürzt. Fürchten für... ist eine Weise der Mitbefindlichkeit mit den Anderen, aber nicht notwendig ein Sich-mit- fürchten oder gar ein Miteinanderfürchten. Man kann fürchten um..., ohne sich zu fürchten. Genau besehen ist aber das Fürchten um... doch ein Sichfürchten. »Befürchtet« ist dabei das Mitsein mit dem Anderen, der einem entrissen werden könnte. Das Furchtbare zielt nicht direkt auf den Mitfürchtenden. Das Fürchten um... weiß sich in gewisser Weise unbetroffen und ist doch mitbetroffen in der Betroffenheit des Mitdaseins, wofür es fürchtet. Das Fürchten um ist deshalb kein abgeschwächtes Sichfürchten. Es geht hier nicht um Grade von »Gefühlstönen«, sondern um existenziale Modi. Das Fürchten um... verliert dadurch auch nicht seine spezifische Echtheit, wenn es sich »eigentlich« doch nicht fürchtet.

Die konstitutiven Momente des vollen Furchtphänomens können variieren. Damit ergeben sich verschiedene Seinsmöglichkeiten des Fürchtens. Zur Begegnisstruktur des Bedrohlichen gehört die Näherung in der Nähe. Sofern ein Bedrohliches in seinem »zwar noch nicht, aber jeden Augenblick« selbst plötzlich in das besorgende In-der-Welt-sein hereinschlägt, wird die Furcht zum Erschrecken. Am Bedrohlichen ist sonach zu scheiden: die nächste Näherung des Drohenden und die Art des Begegnens der Näherung selbst, die Plötzlichkeit. Das Wovor des Erschreckens ist zunächst etwas Bekanntes und Vertrautes. Hat dagegen das Bedrohliche den Charakter des ganz und gar Unvertrauten, dann wird die Furcht zum Grauen. Und wo nun gar ein Bedrohendes im Charakter des Grauenhaften begegnet und zugleich den Begegnischarakter des Erschreckenden hat, die Plötzlichkeit, da wird die Furcht zum Entsetzen. Weitere Abwandlungen der Furcht kennen wir als Schüchternheit, Scheu, Bangigkeit, Stutzigwerden. Alle Modifikationen der Furcht deuten als Möglichkeiten des Sich-befindens darauf hin, daß das Dasein als In- der-Welt-sein »furchtsam« ist. Diese »Furchtsamkeit« darf nicht im ontischen Sinne einer faktischen, »vereinzelten« Veranlagung verstanden werden, sondern als existenziale Möglichkeit der wesenhaften Befindlichkeit des Daseins überhaupt, die freilich nicht die einzige ist.

§ 31. Das Da-sein als Verstehen

Die Befindlichkeit ist eine der existenzialen Strukturen, in denen sich das Sein des »Da« hält. Gleichursprünglich mit ihr konstituiert dieses Sein das Verstehen. Befindlichkeit hat je ihr Verständnis, wenn auch nur so, daß sie es niederhält. Verstehen ist immer gestimmtes.

143

Wenn wir dieses als fundamentales Existenzial interpretieren, dann zeigt sich damit an, daß dieses Phänomen als Grundmodus des Seins des Daseins begriffen wird. »Verstehen« dagegen im Sinne einer möglichen Erkenntnisart unter anderen, etwa unterschieden von »Erklären«, muß mit diesem als existenziales Derivat des primären, das Sein des Da überhaupt mitkonstituierenden Verstehens interpretiert werden.

Die bisherige Untersuchung ist denn auch schon auf dieses ursprüngliche Verstehen gestoßen, ohne daß sie es ausdrücklich in das Thema einrücken ließ. Das Dasein ist existierend sein Da, besagt einmal: Welt ist »da«; deren Da-sein ist das In-sein. Und dieses ist imgleichen »da« und zwar als das, worumwillen das Dasein ist. Im Worumwillen ist das existierende In-der-Welt-sein als solches erschlossen, welche Erschlossenheit Verstehen genannt wurde1. Im Verstehen des Worumwillen ist die darin gründende Bedeutsamkeit miterschlossen. Die Erschlossenheit des Verstehens betrifft als die von Worumwillen und Bedeutsamkeit gleichursprünglich das volle In-der-Welt-sein. Bedeutsamkeit ist das, woraufhin Welt als solche erschlossen ist. Worumwillen und Bedeutsamkeit sind im Dasein erschlossen, besagt: Dasein ist Seiendes, dem es als In-der-Welt-sein um es selbst geht.

Wir gebrauchen zuweilen in ontischer Rede den Ausdruck »etwas verstehen« in der Bedeutung von »einer Sache vorstehen können«, »ihr gewachsen sein«, »etwas können«. Das im Verstehen als Existenzial Gekonnte ist kein Was, sondern das Sein als Existieren. Im Verstehen liegt existenzial die Seinsart des Daseins als Sein-können. Dasein ist nicht ein Vorhandenes, das als Zugabe noch besitzt, etwas zu können, sondern es ist primär Möglichsein. Dasein ist je das, was es sein kann und wie es seine Möglichkeit ist. Das wesenhafte Möglichsein des Daseins betrifft die charakterisierten Weisen des Besorgens der »Welt«, der Fürsorge für die anderen und in all dem und immer schon das Seinkönnen zu ihm selbst, umwillen seiner. Das Möglichsein, das je das Dasein existenzial ist, unterscheidet sich ebensosehr von der leeren, logischen Möglichkeit wie von der Kontingenz eines Vorhandenen, sofern mit diesem das und jenes »passieren« kann. Als modale Kategorie der Vorhandenheit bedeutet Möglichkeit das noch nicht Wirkliche und das nicht jemals Notwendige. Sie charakterisiert das nur Mögliche. Sie ist ontologisch niedriger als Wirklichkeit und Notwendigkeit. Die Möglichkeit als Existenzial dagegen ist die ur-

1 Vgl. § 18,S. 85 ff.

144

sprünglichste und letzte positive ontologische Bestimmtheit des Daseins; zunächst kann sie wie Existenzialität überhaupt lediglich als Problem vorbereitet werden. Den phänomenalen Boden, sie überhaupt zu sehen, bietet das Verstehen als erschließendes Seinkönnen.

Die Möglichkeit als Existenzial bedeutet nicht das freischwebende Seinkönnen im Sinne der »Gleichgültigkeit der Willkür« (libertas indifferentiae). Das Dasein ist als wesenhaft befindliches je schon in bestimmte Möglichkeiten hineingeraten, als Seinkönnen, das es ist, hat es solche vorbeigehen lassen, es begibt sich ständig der Möglichkeiten seines Seins, ergreift sie und vergreift sich. Das besagt aber: das Dasein ist ihm selbst überantwortetes Möglichsein, durch und durch geworfene Möglichkeit. Das Dasein ist die Möglichkeit des Freiseins für das eigenste Seinkönnen. Das Möglichsein ist ihm selbst in verschiedenen möglichen Weisen und Graden durchsichtig.

Verstehen ist das Sein solchen Seinkönnens, das nie als Noch- nicht-vorhandenes aussteht, sondern als wesenhaft nie Vorhandenes mit dem Sein des Daseins im Sinne der Existenz »ist«. Das Dasein ist in der Weise, daß es je verstanden, bzw. nicht verstanden hat, so oder so zu sein. Als solches Verstehen »weiß« es, woran es mit ihm selbst, das heißt seinem Seinkönnen ist. Dieses »Wissen« ist nicht erst einer immanenten Selbstwahrnehmung erwachsen, sondern gehört zum Sein des Da, das wesenhaft Verstehen ist. Und nur weil Dasein verstehend sein Da ist, kann es sich verlaufen und verkennen. Und sofern Verstehen befindliches ist und als dieses existenzial der Geworfenheit ausgeliefertes, hat das Dasein sich je schon verlaufen und verkannt. In seinem Seinkönnen ist es daher der Möglichkeit überantwortet, sich in seinen Möglichkeiten erst wieder zu finden.

Verstehen ist das existenziale Sein des eigenen Seinkönnens des Daseins selbst, so zwar, daß dieses Sein an ihm selbst das Woran des mit ihm selbst Seins erschließt. Die Struktur dieses Existenzials gilt es noch schärfer zu fassen.

Das Verstehen betrifft als Erschließen immer die ganze Grundverfassung des In-der-Welt-seins. Als Seinkönnen ist das In-Sein je Sein-können-in-der-Welt. Diese ist nicht nur qua Welt als mögliche Bedeutsamkeit erschlossen, sondern die Freigabe des Innerweltlichen selbst gibt dieses Seiende frei auf seine Möglichkeiten. Das Zuhandene ist als solches entdeckt in seiner Dienlichkeit, Verwendbarkeit, Abträglichkeit. Die Bewandtnisganzheit enthüllt sich als das kategoriale Ganze einer Möglichkeit des Zusammenhangs von Zuhandenem. Aber auch die »Einheit« des mannigfaltigen Vorhandenen, die Natur,

145

wird nur entdeckbar auf dem Grunde der Erschlossenheit einer Möglichkeit ihrer. Ist es Zufall, daß die Frage nach dem Sein von Natur auf die »Bedingungen ihrer Möglichkeit« zielt? Worin gründet solches Fragen? Ihm selbst gegenüber kann die Frage nicht ausbleiben: warum ist nichtdaseinsmäßiges Seiendes in seinem Sein verstanden, wenn es auf die Bedingungen seiner Möglichkeit hin erschlossen wird? Kant setzt dergleichen vielleicht mit Recht voraus. Aber diese Voraussetzung selbst kann am allerwenigsten in ihrem Recht unausgewiesen bleiben.

Warum dringt das Verstehen nach allen wesenhaften Dimensionen des in ihm Erschließbaren immer in die Möglichkeiten? Weil das Verstehen an ihm selbst die existenziale Struktur hat, die wir den Entwurf nennen. Es entwirft das Sein des Daseins auf sein Worumwillen ebenso ursprünglich wie auf die Bedeutsamkeit als die Weltlichkeit seiner jeweiligen Welt. Der Entwurfcharakter des Verstehens konstituiert das In-der-Welt-sein hinsichtlich der Erschlossenheit seines Da als Da eines Seinkönnens. Der Entwurf ist die existenziale Seinsverfassung des Spielraums des faktischen Seinkönnens. Und als geworfenes ist das Dasein in die Seinsart des Entwerfens geworfen. Das Entwerfen hat nichts zu tun mit einem Sichverhalten zu einem ausgedachten Plan, gemäß dem das Dasein sein Sein einrichtet, sondern als Dasein hat es sich je schon entworfen und ist, solange es ist, entwerfend. Dasein versteht sich immer schon und immer noch, solange es ist, aus Möglichkeiten. Der Entwurfcharakter des Verstehens besagt ferner, daß dieses das, woraufhin es entwirft, die Möglichkeiten, selbst nicht thematisch erfaßt. Solches Erfassen benimmt dem Entworfenen gerade seinen Möglichkeitscharakter, zieht es herab zu einem gegebenen, gemeinten Bestand, während der Entwurf im Werfen die Möglichkeit als Möglichkeit sich vorwirft und als solche sein läßt. Das Verstehen ist, als Entwerfen, die Seinsart des Daseins, in der es seine Möglichkeiten als Möglichkeiten ist.

Auf dem Grunde der Seinsart, die durch das Existenzial des Entwurfs konstituiert wird, ist das Dasein ständig »mehr«, als es tatsächlich ist, wollte man es und könnte man es als Vorhandenes in seinem Seinsbestand registrieren. Es ist aber nie mehr, als es faktisch ist, weil zu seiner Faktizität das Seinkönnen wesenhaft gehört. Das Dasein ist aber als Möglichsein auch nie weniger, das heißt das, was es in seinem Seinkönnen noch nicht ist, ist es existenzial. Und nur weil das Sein des Da durch das Verstehen und dessen Entwurfcharakter seine Konstitution erhält, weil es ist, was es wird bzw. nicht wird, kann es verstehend ihm selbst sagen: »werde, was du bist!«.

146

Der Entwurf betrifft immer die volle Erschlossenheit des In-der- Welt-seins; das Verstehen hat als Seinkönnen selbst Möglichkeiten, die durch den Umkreis des in ihm wesenhaft Erschließbaren vorgezeichnet sind. Das Verstehen kann sich primär in die Erschlossenheit der Welt legen, das heißt das Dasein kann sich zunächst und zumeist aus seiner Welt her verstehen. Oder aber das Verstehen wirft sich primär in das Worumwillen, das heißt das Dasein existiert als es selbst. Das Verstehen ist entweder eigentliches, aus dem eigenen Selbst als solchem entspringendes, oder uneigentliches. Das »Un-« besagt nicht, daß sich das Dasein von seinem Selbst abschnürt und »nur« die Welt versteht. Welt gehört zu seinem Selbstsein als In-der-Welt-sein. Das eigentliche ebensowohl wie das uneigentliche Verstehen können wiederum echt oder unecht sein. Das Verstehen ist als Seinkönnen ganz und gar von Möglichkeit durchsetzt. Das Sichverlegen in eine dieser Grundmöglichkeiten des Verstehens legt aber die andere nicht ab.

Weil vielmehr das Verstehen jeweils die volle Erschlossenheit des Daseins als In-der-Welt-sein betrifft, ist das Sichverlegen des Verstehens eine existenziale Modifikation des Entwurfes als ganzen. Im Verstehen von Welt ist das In-Sein immer mitverstanden, Verstehen der Existenz als solcher ist immer ein Verstehen von Welt.

Als faktisches Dasein hat es sein Seinkönnen je schon in eine Möglichkeit des Verstehens verlegt.

Das Verstehen macht in seinem Entwurfcharakter existenzial das aus, was wir die Sicht des Daseins nennen. Die mit der Erschlossenheit des Da existenzial seiende Sicht ist das Dasein gleichursprünglich nach den gekennzeichneten Grundweisen seines Seins als Umsicht des Besorgens, Rücksicht der Fürsorge, als Sicht auf das Sein als solches, umwillen dessen das Dasein je ist, wie es ist. Die Sicht, die sich primär und im ganzen auf die Existenz bezieht, nennen wir die Durchsichtigkeit. Wir wählen diesen Terminus zur Bezeichnung der wohlverstandenen »Selbsterkenntnis«, um anzuzeigen, daß es sich bei ihr nicht um das wahrnehmende Aufspüren und Beschauen eines Selbstpunktes handelt, sondern um ein verstehendes Ergreifen der vollen Erschlossenheit des In-der-Welt-seins durch seine wesenhaften Verfassungsmomente hindurch. Existierend Seiendes sichtet »sich« nur, sofern es sich gleichursprünglich in seinem Sein bei der Welt, im Mitsein mit Anderen als der konstitutiven Momente seiner Existenz durchsichtig geworden ist.

Umgekehrt wurzelt die Undurchsichtigkeit des Daseins nicht einzig und primär in »egozentrischen» Selbsttäuschungen, sondern ebensosehr in der Unkenntnis der Welt.

147

Der Ausdruck »Sicht« muß freilich vor einem Mißverständnis bewahrt bleiben. Er entspricht der Gelichtetheit, als welche wir die Erschlossenheit des Da charakterisierten. Das »Sehen« meint nicht nur nicht das Wahrnehmen mit den leiblichen Augen, sondern auch nicht das pure unsinnliche Vernehmen eines Vorhandenen in seiner Vorhandenheit. Für die existenziale Bedeutung von Sicht ist nur die Eigentümlichkeit des Sehens in Anspruch genommen, daß es das ihm zugänglich Seiende an ihm selbst unverdeckt begegnen läßt. Das leistet freilich jeder »Sinn« innerhalb seines genuinen Entdeckungsbezirkes. Die Tradition der Philosophie ist aber von Anfang an primär am »Sehen« als Zugangsart zu Seiendem und zu Sein orientiert. Um den Zusammenhang mit ihr zu wahren, kann man Sicht und Sehen so weit formalisieren, daß damit ein universaler Terminus gewonnen wird, der jeden Zugang zu Seiendem und zu Sein als Zugang überhaupt charakterisiert.

Dadurch, daß gezeigt wird, wie alle Sicht primär im Verstehen gründet – die Umsicht des Besorgens ist das Verstehen als Verständigkeit , ist dem puren Anschauen sein Vorrang genommen, der noetisch dem traditionellen ontologischen Vorrang des Vorhandenen entspricht. »Anschauung« und »Denken« sind beide schon entfernte Derivate des Verstehens. Auch die phänomenologische »Wesensschau« gründet im existenzialen Verstehen. Über diese Art des Sehens darf erst entschieden werden, wenn die expliziten Begriffe von Sein und Seinsstruktur gewonnen sind, als welche einzig Phänomene im phänomenologischen Sinne werden können.

Die Erschlossenheit des Da im Verstehen ist selbst eine Weise des Seinkönnens des Daseins. In der Entworfenheit seines Seins auf das Worumwillen in eins mit der auf die Bedeutsamkeit (Welt) liegt Erschlossenheit von Sein überhaupt. Im Entwerfen auf Möglichkeiten ist schon Seinsverständnis vorweggenommen. Sein ist im Entwurf verstanden, nicht ontologisch begriffen. Seiendes von der Seinsart des wesenhaften Entwurfs des In-der- Welt-seins hat als Konstitutivum seines Seins das Seinsverständnis. Was früher1 dogmatisch angesetzt wurde, erhält jetzt seine Aufweisung aus der Konstitution des Seins, in dem das Dasein als Verstehen sein Da ist. Eine den Grenzen dieser ganzen Untersuchung entsprechend befriedigende Aufklärung des existenzialen Sinnes dieses Seinsverständnisses wird erst auf Grund der temporalen Seinsinterpretation erreicht werden können.

1 Vgl. § 4, S. 11 ff.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]