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Text 1 Das globale Gedächtnis
Seit der Mitte des 19. Jh. haben eine Reihe von technologischen Errungenschaften dazu geführt, dass der Mensch dabei ist, sich in seinem Verhältnis zur Umwelt völlig neu zu definieren. Den Anfang dieser Entwicklung machte die Dampfmaschine. Mit ihrer Hilfe wurde es möglich, in wenigen Stunden Entfernungen zu bewältigen, für die man vorher Tage oder Wochen benötigt hätte. Die Entdeckung der Elektrizität wenige Jahrzehnte später und ihre Anwendung auf das Telefon schufen die Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen in hunderten von Kilometern Entfernung miteinander nahezu ohne Zeitverlust unterhalten konnten. Plötzlich spielten Distanzen keine Rolle mehr, Informationen flossen von einem Ende des Globus zum anderen, die Welt wurde zum Dorf.
Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Erfindung des Internets 1969. Mit seiner Hilfe kann der Mensch nicht nur direkt mit anderen Menschen kommunizieren, sondern auch Informationen abrufen, die im Netz gespeichrt sind. Dies ist ein gewaltiger Schritt, wenn man bedenkt, dass “am anderen Ende der Leitung” nun nicht mehr ein Mensch sitzen muss, mit dem man einfach nur redet, sondern man stattdessen auf seine Gedanken, Arbeiten und Wissenshorizonte zugreifen kann. Das Netz ist nämlich nicht nur Kommunikationsmedium, sondern gleichzeitig Wissensspeicher. Millionen von miteinander verbundenen Hauptrechnern konservieren eine Unmenge von Daten, zu denen jeder, der sich ins Netz einloggt, unbeschränkten Zugang erhält. Denn das Internet hat keinen Besitzer und demzufolge gibt es keine Zensur.
Jeder kann nicht nur alles lesen, sondern auch selbst Informationen jeglicher Art ins Netz einspeisen. Selbst wenn vielen Internet-Surfern, die einfach nur chatten, online einkaufen oder sich Musik herunterladen, diese Dimension kaum bewusst ist, tragen sie allein schon dadurch, dass sie sich am globalen Datentransfer beteiligen, dazu bei, dass das Internet mehr und mehr zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit wird.
Das Internet ist auf dem besten Wege, ein neues Zeitalter einzuleiten. Dampfmaschine, Eisenbahn, Elektrizität, Telefon und Satellit haben zwar bereits dazu beigetragen, dass die Bewohner der Erde einander näher rückten. Das Internet jedoch beschleunigt diesen Prozess gewaltig und beraubt zugleich uralte Wertvorstellungen, wie die vom Territorium, vom materiellen Besitz und vom Nationalstaat, ihrer traditionellen Bedeutung. Im 21, Jh. wird es keine Rolle mehr spielen, wer man ist, wo man lebt und was man besitzt. Es wird darauf ankommen, über Informationen zu verfügen, diese für sich zu nutzen und anderen zur Verfügung zu stellen, und dafür ist das weltweite Datennetz die ideale Voraussetzung.
Das Internet hat die Chance, die sechs Milliarden Menschen der Erde zu einem funktionierenden Organismus zusammenzuschmelzen. Es wächst mit jeder Stunde, und mit jeder Stunde, in der es wächst, wird es mehr und mehr zum globalen Gehirn, zum wichtigsten Organ der Menschheit.