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Kapitel 20.doc
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Kapitel 20 Wer sich in ein Interview begibt ...

In seinem guten Anzug, mit Schlips, Gitarre und Blumenstrauß, stand er um acht Uhr vor Martha Guthmanns Wohnungstür.

Susi öffnete ihm und freute sich nicht wie sonst, wenn er zu Besuch kam. Sie sagte nur "Ach du", und das so, als ob sie jemand anderen erwartet hätte.

Bastian küsste sie auf die Wange. "Ja, was ist? Staunst du nicht, dass ich schon um acht Uhr da bin?"

"Wenn du erst Lehrer bist, musst du jeden Morgen um acht Uhr da sein."

"Und über meinen Schlips und den Anzug sagst du gar nichts? Hast du mich je mit einem Schlips gesehen?"

Susi sah Bastian-mit-Schlips an und meinte, er wäre auch danach gebunden. "Komm 'rein. Sie ist total geklatscht."

Martha Guthmann saß in einem lila Kleid am Küchentisch, vor sich eine aufgeschlagene Zeitung. Sie hatte hektische Flecken im Gesicht und nahm Bastians Eintritt kaum wahr.

Bastian legte seinen Strauß ab, stimmte seine Gitarre und sang:

"Ich mag dich so, ich hab' kein Geld,'

und du magst rosa Rosen.

Was glaubst du, was ich angestellt

für deine rosa Rosen?

Der Gärtner hat sie angebaut,

die Nacht war schwarz,

der Hund war laut.

Ich habe sie dennoch geklaut

für dich — die rosa Rosen."

Er stellte seine Gitarre ab und wickelte den Strauß aus. Es handelte sich um bunte Astern. Mit den rosa Rosen hatte es nicht geklappt, und zum Umdichten war ihm keine Zeit mehr geblieben – außerdem: Was reimte sich schon auf Astern?

"Da, Omi, zu deinem Siebzigsten. Außerdem schenke ich dir noch den Griff an einer Tiefkühltruhe, die Susi und Karli dir schenken." Er küsste sie auf beide glühen­den Wangen. "Alles Liebe, Schöne, Gesundheit und einen Dukatenscheißer."

Großmutter war zu Tränen gerührt. Das lag an seinem selbst gemachtem Gesangstück. Schöne, gefühl­volle Musik ging ihr immer an die Nieren. (Sie war sogar überzeugt, dass auf Beerdigung halb so viele Leute weinen würden, wenn der Trauergottesdienst ohne musikalische Untermalung abgehalten würde.)

"Vielen Dank, Bub, danke — dein Lied war hübsch. Aber ich darf gar nicht an Schlager denken." Sie deutete auf die Zeitung. "Hast du schon gelesen? Nein. Es ist zum Heulen, Bub, aber erst mal musst du frühstücken."

Bastian schaute auf die vielen Torten und Kuchen, die in der Küche herumstanden.

"Hast du zufällig ein Stück Torte?"

Während Susi ihm auftat, litt Martha Guthmann laut vor sich hin.

"Da, Bub – hör dir das zu, was hier steht: 'Die alte Frau Guthmann' — in Klammern '70' — kannst du mir mal sagen, weshalb sie hinter jeden, über den sie schreiben, das Alter setzen müssen?"

"Stört es dich, wenn die Leser erfahren, dass du heute siebzig geworden bist?"

"Nein."

"Na also."

"Aber stell dir vor, ich wäre fuffzig geworden und hätte noch Chancen!" Sie nahm die Zeitung vor die Nase und las vor: '"Die alte Frau Guthmann (70) zitterte vor Glück, als sie Ferry Blanc gegenüberstand.'" Verzweifelter Blick auf Bastian. "Bub, ich hab' nicht gezittert. Warum sollt' ich denn auch gezittert haben!?"

Da Susi eine Gabel vergessen hatte, nahm Bastian sein Stück Cremetorte in die Hand und biss davon ab. "Schmeckt sagenhaft."

"Und dann hör dir das an: 'Es war das größte Erlebnis ihres langen, arbeitsamen Lebens." Die Zeitung sank knisternd in Großmutters Schoss. "Größtes Erlebnis. Bei denen piept es doch! Herrgottzeiten, was hat's in meinem Leben alles gegeben! Ausgerechnet dieser Ferry Blanc... Und du lachst auch noch!" fuhr sie Bastian an.

"Es gibt ein modernes Sprichwort. Das heißt: 'Wer sich in ein Interview begibt, kommt darin um."

Großmutter nahm die Zeitung wieder auf. "Jetzt kommt die größte Frechheit. Hör zu: 'Die Greisin weinte vor Rührung, als ihr Ferry Blanc zum Abschied seinen neuesten Hit vorsang.' — Der und gesungen! Dass ich nicht lache! Der hat nicht mal pieps gesagt."

Erneutes Türklingeln unterbrach ihren Gram.

"Schon wieder! Das kann ja heut noch schlimm wer­den!" sagte sie befriedigt. "Susi, gehen Sie?" Und zu Bastian: "Die Greisin weinte vor Rührung. So 'n Blödsinn. Ich hab' nicht geweint, und Bub — schau mich an —, bin ich eine Greisin?"

Er hatte plötzlich eine Mordswut auf diesen Reporter, diesen blöden Hund, den! Er wollte ihr so viel Tröstendes sagen, aber er hatte den Mund voll Cremetorte, und dann kam Susi mit einem Schmucktelegramm herein.

"Gib den Boten ein Stück Kuchen", sagte Großmutter und öffnete den Umschlag. Sie las laut:

"Frau Guthmann zum siebzigsten Geburtstag die herzlichsten Wünsche. Professor Dr. Klein."

Der Kummer über die "Greisin" war vergessen.

Sie schaute überwältigt um sich. "Der Chefarzt von dem Krankenhaus, wo ich damals gelegen hab'. Der Chef persönlich gratuliert mir!"

"Und wenn man bedenkt, dass sein Titel zwei Worte gekostet hat", lachte Bastian und liebte Kathinka für diesen Einfall.

Obgleich sie böse mit ihm war, hatte sie im Namen des Chefarztes an seine Großmutter telegrafiert.

Schon wieder klingelte es. Was für ein Tag!

Susi rannte zur Tür.

Und Großmutter las zum fünften Mal das Telegramm. Was immer an Glückwünschen, Besuchern und Präsenten an diesem Tag auf sie zukommen mochte — das Telegramm vom Chefarzt würde das Höchste bleiben.

Bastian ging auf den Flur hinaus, als er Karlis Stimme hörte. Und konnte kaum glauben, was er dort sah: Karl und Susi lächelten und lächelten sich zur Begrüßung unerschöpflich an.

"Wie geht es Ihnen?"

"Und Ihnen?"

Mehr fiel den beiden nicht ein.

Bastian stand daneben und staunte. Was sollten denn das werden? Etwa ein neuer Referendar aus Köln? Schlitterte die Susi schon wieder in eine Liebe hinein, die sich nach dem Abklingen des ersten Enthusiasmus als Irrtum herausstellte!? Klappzahn war kein Mann für sie. Viel zu egozentrisch und zu bequem. Mädchen durften keine zu hohen Ansprüche an ihn stellen. Sie durften auch nicht zu weit entfernt von ihm wohnen — wegen dem lästigen nächtlichen Heimbringen. Wenn er irgendwelche Komplikationen befürchtete, ließ er sie fal­len wie eine heiße Kartoffel.

Eines Tages würde er ein adrettes, ein wenig fades, aber nicht unvermögendes Mädchen "aus guter Familie" heiraten. Auf keinen Fall eine arme Kirchenmaus mit unehelichem Kind.

Sollte er Susi warnen? Aber wer springt schon aus einem fahrenden Zug?

Und dann ärgerte sich Bastian. Immer seine Freundinnen! Erst Katharina Freude. Bei der hatte Klapp­zahn nicht landen können. Jetzt ging er auf Susi los und, wie es schien, mit mehr Erfolg.

Er räusperte sich.

Karl bemerkte ihn zuerst. "Gut, dass du da bist. Du musst mir helfen. Allein schaff ich das Ding nicht herauf."

Die Brüder gingen zum Auto hinunter, um die Kühlbox zu holen. Es war die kleinste und billigste, die Karl hatte auftreiben können.

Bastian konnte sich dabei einen Kalauer nicht verkneifen. "Ich möchte wissen, was aus warmen Gefühlen wird, die mit dem Kauf einer Gefrierdingsda begonnen haben", sagte er.

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