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  1. Neologismen

Neue Wörter, die im gesellschaftlichen Sprachverkehr auftauchen, können verschiedene „Schicksale“ haben. Aus stilistischer Sicht werden sie in drei Gruppen gegliedert:

  1. Wörter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem bestimmten Anlass entstehen und allmählich als lexische Normen in den Wortschatz der Literatursprache und literarischen Umgangssprache aufgenommen werden. Sobald sie im aktiven Wortschatz des Sprachsystems einen festen Platz eingenommen haben, hören sie auf, Neologismen zu sein, obwohl sie noch längere Zeit linguistische Anzeichen der Neuheit bewahren und außerlinguistische Konnotationen erwecken. Wir nennen sie Neologismen bestimmter Zeitabschnitte, z.B. LPG – Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft; Atomantrieb.

  2. Wörter, die gleichfalls durch historische Umstände bedingt, neu entstehen und im Laufe einer gewissen Zeit in fast allen kommunikativen Bereichen intensiv gebraucht werden. Dann aber gehen sie in den passiven Wortbestand über – sie werden durch neue gesellschaftliche Faktoren dazu gezwungen. Aus diesem „Ruhestand“ holt man sie nur mehr zu stilistischen Zwecken hervor, zur Untermalung des Zeitkolorits oder auch zur individualisierenden Porträtzeichnung (z.B. die für das „dritte Reich“ typische Lexik).

Hierher gehören auch Wörter, die zwar als Lexeme schon bisher im Sprachsystem existierten, jedoch aus bestimmten gesellschaftlichen Gründen ihre lexische und stilistische Bedeutung wesentlich veränderten und ein außerordentlich hohes Häufigkeitsvorkommen erlangten. Mit dem Verschwinden ihres Änderungsanlasses gehen sie nun entweder in den passiven Wortschatz über oder sie kehren zu ihrer früheren lexisch-stilistischen Bedeutung und ihrer alten Gebrauchsfrequenz über. Beide Unterarten nennt man vorübergehende Neologismen.

  1. Wörter, die auf der Stufe individueller Verwendung (mit bestimmter stilistischer Motivierung) stehen bleiben – die einmaligen (okkasionellen) Neologismen, z.B. die Montagmorgenstadt: laut, volkreich, lebendig (Brežan, Reise nach Krakau), dazu aber auch Wörter, die als Ausgangspunkt offener Reihen zur Herausbildung analoger Neologismen führen können – zu potentiellen Neologismen, denen meist keine besonderen stilistischen Funktionen eignen.

Die beiden ersten Gruppen neuer Wörter (a – Neologismen bestimmter Zeitabschnitte und b – vorübergehende Neologismen) charakterisieren unmittelbar das Zeitkolorit. Der jüngsten Zeit entstammen die Komposita Umweltschutz, umweltfreundliche Gasautos u.a.m.

Bei den vorübergehenden Neologismen lassen sich zwei Untergruppen absondern. Eine Illustration zum ersten Typ: Coventri, eine englische Industriestadt, wurde als eines der ersten Angriffsziele der faschistischen Luftkriegsführung im November 1940 fast völlig zerstört. Dieses Ereignis rief das Verb coventrieren in der übertragenen Bedeutung von „ausradieren“ hervor – ein „Modewort“ der Nazipresse. Man drohte, London und andere Städte zu coventrieren, falls sie sich nicht ergeben. Dieses Wort, Zeugnis der barbarischen Kriegshandlungen, ist mit dem endgültigen Sieg über Hitlerdeutschland in Vergessenheit geraten.

Zu den Wörtern der zweiten Untergruppe vorübergehender Neologismen gehören z.B. Lexeme, die in der Nazizeit semantisch und stilistisch umgedeutet und umgewertet wurden. Schon zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert waren das Adjektiv fanatisch, sowie die Substantive Fanatiker, Fanatismus ins Deutsche eingedrungen; sie galten als tadelnde Bezeichnung für jedwede hemmungslos rasende Leidenschaft. Unter der faschistischen Herrschaft wurden aber diese Ausdrücke zu positiven Werturteilen, zu Schlüsselwörtern der Sprache des „dritten Reiches“ (fanatisches Gelöbnis, Bekenntnis).

Als vorübergehende Neologismen dieser Untergruppe können auch Modewörter unterschiedlicher Perioden angesehen werden, die eine Zeitlang nach ihrem Auftauchen im Sprachverkehr übermäßig viel gebraucht werden, dann aber, sobald sie schon abgenutzt sind, durch neue, ausdrucksstarke Nachfolger abgelöst werden. Vgl.: fabelhaft, sagenhaft, toll, einmalig, erstklassig u.a.m. Diese und ähnliche Lexeme können ebenso zur typisierenden historischen oder sozialen wie auch zur individualisierenden Koloritzeichnung verwendet werden.

Stilistische Anachronismen (Zeitwidrigkeiten). Damit wird ein Stilmittel gemeint, wo ein Wort oder eine Redewendung in Bezug auf eine Zeit gebraucht werden, in der sie, zusammen mit dem entsprechenden Begriff, entweder noch nicht oder schon nicht mehr im Umlauf sind. Betrachten wir den Gebrauch eines Wortes oder einer Redewendung für die Epoche, in der sie noch nicht existieren. Eine solche Verwendung steht meist im Dienst von Witz und Satire oder bezweckt Anspielung auf bestimmte Zeitereignisse. So ist es, wenn Weinert in der „Bänkelballade vom Kaiser Nero“ über Bomben, Benzin und Bars spricht. So ist es, wenn er in dieser beißenden Satire auf den Naziterror (nach dem Reichstagsbrand 1933) die verhafteten Christen auf der Flucht erschießen lässt, wenn er von der Leibschutzstaffel des Kaisers Nero erzählt. In den letzten zwei Beispielen üben die Anachronismen (d.h. im konkreten Fall die Verwendung von Nazimodewörtern in Bezug auf die neronische Zeit) die klare Funktion von Anspielungen als Stilmittel der politischen Satire aus.

Sprachliche Anachronismen entstehen auch bei zeitwidrigem Gebrauch der Wortbedeutung, so etwa, wenn das Wort Kumpel in der Erzählung aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht in seiner damaligen Bedeutung (Arbeiter in Bergwerken), sondern in der neuen Bedeutung als familiär-umgangssprachliche oder saloppe Anrede im Verkehr beliebiger Arbeitskollegen verwendet würde.

Eine zweite Art des Anachronismus entsteht dadurch, dass Wörter, die heute schon als Historismen gelten, in Bezug auf die Gegenwart angewendet werden. Auch sie stehen meist im Dienst von Humor und Satire. Es handelt sich um einen harmlosen Witz, wenn Touristen, auf ihrer Wanderung an einem See angelangt, am Ufer ein Boot alter Bauart entdeсken und, gutmütig, es als Arche Noah bezeichnen. Hier nähert sich der Anachronismus seinem Wesen nach dem Tropus.