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Hammesfahr Erzahlungen.docx
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13.08.2019
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Ich erinnerte mich plötzlich auch an ihre sonderbare Gewohnheit, meinen Kopf so mit den Händen zu umfassen, dass meine Ohren bedeckt waren, während sie mich küsste.

Und dann dachte ich an meinen Traum, an diesen unerfüllbar scheinenden Wunsch, einmal, nur ein einziges Mal ihren kleinen Wagen zu steuern. Was mir danach noch durch den Kopf ging, war nur ein Bündel von Zahlen und die Bewegungen, die mein Körper bei jeder Fahrt registriert hatte. Wenn ich geahnt hätte, dass Karl im Dorf war... Wie leicht hätte ich ihn überfahren können!

Den Wagenschlüssel fand ich in Nadines Manteltasche. Ich zog mir den Ledermantel an, um in ihrem Wagen keine Spuren am falschen Platz zu hinterlassen. Faserspuren – ich hatte schon gehört, wie verräterisch sie sein können. Das klingt vielleicht, als wäre ich ganz kalt und nüchtern vorgegangen, aber so war es nicht. Es war eher so, dass ein Teil von mir gar nicht registrierte, was der andere tat.

Ich zog mir Handschuhe über und wischte den Schlüssel sorgfältig ab, ehe ich den Wagen öffnete. Die Koffer, von denen sie am Telefon gesprachen hatte, fand ich im Wagenfond. Ich lud sie aus, trug sie zurück ins Haus und setzte anschließend Nadine auf den Sitz, der immer mein Platz gewesen war. Den Kofferraum habe ich nicht kontrolliert.

Ein Fehler; als der Polizist von den Gegenständen sprach, wurde mir ganz heiß. Aber sie hatten sich ihre Version bereits zurechtgelegt, und an meiner zweifelten sie nicht. Wie sollten sie auch? Selbst wenn Karl ihnen eine Beschreibung des Fahrers gegeben hätte, mich hätten sie doch von vornherein ausgeschlossen.

Ich wartete noch, bis ich sicher sein konnte, dass es dunkel genug war. Dann drehte ich den Zündschlüssel und begann zu zählen. Achtzehn vom Anlassen des Motors bis zur Straße, langsames Rollen. Dann ein Dreh nach rechts auf die Straße. Achtunddreißig bis zur ersten Kurve, nur ein sanfter Bogen, und neunundsechzig bis zum Ortsrand. Der Bogen nach links etwas schärfer. Fünfundsiebzig, ehe das Holpern begann. Am Waldsaum brachte ich den Wagen zum Stehen.

Ich will nicht behaupten, es sei ein Kinderspiel gewesen oder ein Spaziergang. Ich will auch die schweißfeuchten Hände in den Handschuhen nicht verschweigen. Es war ein elendes Gefühl, hinter dem Steuer zu sitzen, das Brammen des Motors zu hören und keinen Atem neben mir, das Rollen des Wagens zu fühlen, Nadines Nähe und die Dunkelheit, in der ich lebe. Sie war an dem Abend dunkler als jemals zuvor. Und seitdem ist es so geblieben.

Petra Hammesfahr, geboren 1952, lebt als Schriftstellerin und Drehbuchautorin in der Nähe von Köln. Mit Romanen wie «Die Sünderin», «Die Mutter» und «Das letzte Opfer» erobert sie sich eienen Platz auf den Bestselleristen und forderte immer wieder Vergleiche mit Patricia Highsmith und Stephen King heraus.

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