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Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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schossen (§ 212), er hat auf eine fremde Brille getreten (§ 303), er ist mit dem Wagen

 

 

bei Rotlicht über eine Kreuzung gefahren (§ 315c) usw.

 

 

Vorstellungsunwert

 

38

 

Der Täter hatte bei seinem Verhalten eine Vorstellung, die das Strafrecht missbilligt,

 

 

nämlich die Vorstellung, dass er sich falsch verhält und dadurch einen schlimmen Erfolg

 

 

anrichtet, also durch einen Verhaltensunwert einen Erfolgsunwert verursacht: Er hat

 

 

„vorsätzlich“ (s. §§ 15, 16 I 1), „absichtlich oder wissentlich“ (z. B. § 258 I) gehandelt

 

 

oder hatte eine „Vorstellung von der Tat“ (§ 22).

 

 

Motivunwert

 

39

 

Der Täter hat bei seinem Verhalten ein Motiv gehabt, das das Strafrecht missbilligt: Er

 

 

handelte aus Mordlust (§ 211), in Bereicherungsabsicht (§ 253) usw.

 

 

Diese vier Unwertarten bilden die Bestandteile des objektiven und des subjektiven Un-

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rechts:

 

 

Objektives Unrecht

 

41

 

Erfolgsund Verhaltensunwert sind die Bestandteile des objektiven Unrechts. Ob sie für

 

 

eine Strafbarkeit nötig sind, richtet sich immer nach den jeweiligen Strafvorschriften.

 

 

Wenn sie nötig sind, müssen sie immer gemeinsam vorliegen: Der Erfolgsunwert muss

 

 

auf dem Verhaltensunwert beruhen. Schlichter gesagt: Das Fehlverhalten des Täters

 

 

muss den Erfolg verursacht haben. – Es passiert häufig, dass Erfolgsund Verhaltens-

 

 

unwert nicht gemeinsam vorliegen. Beispiele: Ein alter Mensch entschläft friedlich in

 

 

seinem Bett; sein Tod ist ein Erfolgsunwert, aber er beruht auf niemandes Fehlverhalten.

 

 

Oder: Attentäter A will auf den Politiker P schießen, aber die Kugel löst sich nicht; das

 

 

Ziehen des Abzugshahns ist ein rechtlich missbilligtes Verhalten, es ist aber zu keinem

 

 

Erfolgsunwert gekommen, weil P nicht einmal in die Gefahr einer Verletzung geraten

 

 

ist.

 

 

Subjektives Unrecht

 

42

 

Vorstellungsund Motivunwert sitzen im Kopf des Täters und sind die Bestandteile des

 

 

subjektiven Unrechts. Sie können getrennt voneinander vorliegen. Ob sie für eine Straf-

 

 

barkeit nötig sind, richtet sich immer nach den jeweiligen Strafvorschriften.

 

 

Hinweis: „Verhaltensunwert“, „Vorstellungsunwert“ und „Motivunwert“ sind allesamt ungebräuchliche Wor-

43

te. Diese drei Unwertarten werden in den meisten strafrechtlichen Texten nicht klar auseinander gehalten,

 

sondern pauschal unter der Bezeichnung „Handlungsunwert“ erfasst. Wenn Sie das Wort lesen, müssen sie

 

jedes Mal dem Textzusammenhang entnehmen, was der Autor gerade meint. Meist ist entweder der Verhal-

 

tensoder der Vorstellungsunwert gemeint oder beide zusammen; der Motivunwert für sich allein kommt so

 

gut wie nie zur Sprache.

 

 

Aus Erfolgsund Verhaltensunwert (also dem objektiven Unrecht) einerseits und Vorstel-

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lungsunwert (also subjektivem Unrecht) andererseits lassen sich die wichtigsten

 

Deliktsarten zusammensetzen (der Motivunwert spielt dabei keine Rolle):

 

 

Stand: 17. Juli 2012

Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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Subjektives Unrecht (Vorstellungsunwert)

Vorstellung: „Kopfschmerzen

 

 

 

 

 

 

 

 

vorsätzliche

 

Versuch

 

 

 

Vollendung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Steinwurf.“durch

 

 

 

 

fahrlässige

 

 

 

 

 

 

Vollendung

 

Kopfschmerzen durch Steinwurf

 

 

 

 

 

 

 

Objektives Unrecht

 

(Erfolgsund Verhaltensunwert)

 

Abbildung 2: Das Zusammenspiel von objektivem und subjektivem Unrecht

45

Machen Sie sich das Zusammenspiel der Unwertarten an den folgenden Fällen klar, indem

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Sie sich fragen, ob A wegen Körperverletzung strafbar ist!

 

Fall 9: Frau A lässt gerne Steine auf dem Wasser springen. Eines Tages gerät ihr wie so

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oft ein Wurf ganz schlecht, und der Stein trifft ihren Freund N schmerzhaft am

 

Kopf.

 

N hat Schmerzen (Erfolgsunwert) wegen des gefährlichen Steinwurfs der A (Verhaltensun-

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wert). Für dieses objektive Unrecht kann A wegen eines fahrlässigen vollendeten Delikts

 

bestraft werden, nämlich wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229).

 

Fall 10: Frau A ist böse auf ihren Freund N und wirft einen Stein nach ihm. Sie trifft den

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N aber nicht.

 

N hat keine Schmerzen. Seine Gesundheit ist zwar in Gefahr gewesen; es gibt aber bei den

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Körperverletzungsdelikten (§§ 223 ff.) keinen Straftatbestand, der eine bloße Verletzungs-

 

gefahr als Erfolg genügen lässt; also liegt kein Erfolgsunwert vor. Ein Verhaltensunwert

 

hingegen liegt zwar durchaus vor, denn A hat mit ihrem Wurf unerlaubt die Gefahr ge-

 

schaffen, dass es zu einer Verletzung des N, also einem Erfolgsunwert kommt. Aber der

 

Verhaltensunwert allein genügt eben nicht für das objektive Unrecht eines Körperverletzungsdeliktes. – A hat sich aber vorgestellt, sie würde dem N Schmerzen zufügen, und

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Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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zwar durch den gefährlichen Steinwurf. Für diese durch den Wurf betätigte böse Vorstellung (Vorstellungsunwert), also für das von ihr in die Welt gesetzte subjektive Unrecht, kann sie bestraft werden, und zwar wegen eines versuchten Delikts, nämlich wegen versuchter Körperverletzung (§§ 223 I, II, 22; die versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 224 I Nr. 2, II, 22 soll außer Betracht bleiben).

Fall 11: Frau A ist böse auf ihren Freund N und wirft einen Stein nach ihm. Zu ihrer Freude trifft sie ihn auch tatsächlich schmerzhaft am Kopf.

N hat Schmerzen (Erfolgsunwert) wegen des gefährlichen Steinwurfs der A (Verhaltensunwert), getragen von As böser Vorstellung, dem N durch den gefährlichen Steinwurf Schmerzen zuzufügen (Vorstellungsunwert). Hier liegen also objektives und subjektives Unrecht vor, und sie kommen sogar derart zusammen, dass sie sich „decken“: A hat genau den Unwert (objektiv) verwirklicht, den zu verwirklichen sie sich (subjektiv) vorgestellt hat. Sie kann deshalb nicht nur für objektives und subjektives Unrecht getrennt bestraft werden, sondern sogar für beides zusammengenommen, und das heißt: wegen eines vorsätzlichen vollendeten Delikts, nämlich aus § 223 I (§ 224 I Nr. 2 soll außer Betracht bleiben).

2.Das Zusammenspiel von Tatbestand und Rechtswidrigkeit

In unserem Strafrecht gilt für die Feststellung des Unrechts (fast) immer ein Regel- Ausnahme-Verhältnis:

Wenn ein Verhalten einen Straftatbestand verwirklicht, dann ist es in der Regel auch rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit fehlt ausnahmsweise dann, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Machen Sie sich das noch einmal am Fall 7 klar!

III. Welche Arten von Straftaten gibt es?

Im StGB und in anderen Gesetzen gibt es zahlreiche Straftatbestände, und alle sind sie verschieden. Es gibt aber einige Gesichtspunkte, unter denen man sie klassifizieren kann. Man kann sie einteilen nach den geschützten Rechtsgütern (sogleich unter 1), nach der Intensität des Angriffs auf das Rechtsgut (sodann unter 2) und nach der Art des Angriffs auf das Rechtsgut (schließlich unter 3).

1.Die geschützten Rechtsgüter

Straftatbestände schützen Rechtsgüter. Also kann man die Straftatbestände danach einteilen, welche Rechtsgüter sie schützen. Es gibt z. B. Straftatbestände zum Schutz des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der persönlichen Freiheit, des Eigentums und des Vermögens, um nur die wichtigsten zu nennen. Das Strafrecht bemüht sich, solche Straftatbestände in Abschnitten zusammenzufassen, die dasselbe Rechtsgut schützen. Sehen sie sich dazu noch einmal die soeben genannten Rechtsgüter an und dann die Überschriften des 16., 17., 18., 19. und 22. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB. Dieses Ziel ist aber nicht rein verwirklicht. Ein Grund ist, dass manche Straftatbestände mehrere Rechtsgüter schützen; etwa der Raubtatbestand (§ 249 I) schützt die Willensfreiheit und das Eigentum. Ein anderer Grund ist, dass das Gesetz manchmal noch genauer nach der Art der Rechtsgutsbeeinträchtigung unterscheidet; Diebstahlsund Sachbeschädigungstatbestand (§§ 242 I und 303 I) schützen beide das Eigentum, stehen aber in verschiedenen Abschnitten. Ein dritter Grund ist, dass das Gesetz manchmal umgekehrt verschiedene Rechtsgüter unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfasst; darum hat es sich vor allem im

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28. Abschnitt bemüht, wo z. B. Brandstiftungsund Verkehrsdelikte als „Gemeingefährliche Straftaten“ zusammengefasst sind. Ein vierter Grund ist, dass das Gesetz manchmal Delikte zum Schutz sehr verschiedener Rechtsgüter zusammenfasst, weil die einzelnen Straftatbestände zu wenige für eigene Abschnitte wären; die besten Beispiele dafür sind der 17. (Straftaten gegen die öffentliche Ordnung) und der 25. Abschnitt (Strafbarer Eigennutz).

2.

Die Intensität des Angriffs auf das Rechtsgut

 

Die „klassischen“ Straftaten sind Verletzungsdelikte. Bei ihnen nimmt das Rechtsgut

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wirklich Schaden, so z. B. in §§ 212, 223 und 303.

 

Etwas „moderner“ sind die sog. Gefährdungsdelikte. Bei ihnen gerät das Rechtsgut nur

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in Gefahr. Es gibt sie in zwei Formen:

 

 

Bei den konkreten Gefährdungsdelikten (sprachlich genauer, aber ganz unüblich: De-

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likte konkreter Gefährdung) ist im Straftatbestand die Gefahr für das Rechtsgut als

 

 

Merkmal genannt. Beispiele sind §§ 221 I und 315c I. Aus diesen Vorschriften kann

 

ein Angeklagter nur verurteilt werden, wenn nach der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zur Überzeugung des Gerichts erwiesen ist, dass es wirklich zu der im Tatbestand genannten Gefahr gekommen ist (§§ 261, 267 I 1 StPO).

Bei den abstrakten Gefährdungsdelikten (sprachlich genauer, aber ganz unüblich: 60 Delikte abstrakter Gefährdung) ist im Straftatbestand nicht einmal die Gefahr für das Rechtsgut als Merkmal genannt; man erklärt den Straftatbestand nur damit, dass in

ihm ein Verhalten unter Strafe gestellt ist, weil es typischerweise („abstrakt“) gefährlich ist. Das beste Beispiel hierfür ist § 316 I: Betrunken Auto zu fahren ist („abstrakt“) gefährlich und wird deshalb bestraft, auch wenn dadurch nichts und niemand konkret in Gefahr geraten ist. Aber vergleichen Sie die Strafdrohung des § 316 I mit der des § 315c I Nr. 1 Buchst. a: Führt die Trunkenheitsfahrt doch zu einer („konkreten“) Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Menschen, dann ist die Strafe konsequenterweise höher.

3.Die Arten des Angriffs auf ein Rechtsgut

Diese Einteilung ist zum Verständnis des Allgemeinen Teils des Strafrechts die wichtigste.

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Hier finden sich alle Deliktstypen, für die es im Allgemeinen Teil besondere Vorschriften

 

gibt.

 

 

a)

Das vorsätzliche vollendete Handlungsdelikt

 

Fall 12: A grillt in seinem Garten Lammfleisch. Seinen Bruder K, der nebenan wohnt, är-

62

 

gert das sehr, denn der hat nur Maiskolben zum Grillen. K geht mit A aufs Feld

 

 

und erschlägt ihn dort mit einem Stein.

 

Lesen Sie §§ 212 I und §§ 15, 16 I 1 sowie § 8!

 

K hat einen Totschlag gemäß § 212 I begangen (Mord gemäß § 211 soll außer Betracht

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bleiben). § 212 I nennt nur die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. § 15 ergänzt ihn

 

um die subjektive Tatbestandsvoraussetzung, dass der Täter „vorsätzlich“ handeln muss.

 

Was Vorsatz ist, lässt sich jedenfalls zum Teil im Umkehrschluss aus § 16 I 1 herleiten:

 

Vorsatz ist die Kenntnis aller objektiven Tatbestandsumstände, und zwar „bei Begehung

 

der Tat“. Das wiederum erklärt § 8: Es ist der Moment der Tathandlung, also im Fall 12 der

 

Schlag mit dem Stein.

 

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Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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b) Das fahrlässige vollendete Handlungsdelikt

 

 

Fall 13: A fährt zu schnell und kann deshalb nicht mehr rechtzeitig bremsen, als das Kind

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K hinter seinem Ball her auf die Fahrbahn läuft. K und der Ball überstehen den

 

Unfall nicht.

 

 

Lesen Sie §§ 222, 303 I und § 15, außerdem § 276 II BGB!

 

 

A hat eine fahrlässige Tötung und eine fahrlässige Sachbeschädigung begangen. Die fahr-

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lässige Tötung ist gemäß § 222 strafbar; die fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar

 

(wohl ist A zivilrechtlich zum Schadenersatz verpflichtet). Was Fahrlässigkeit ist, lässt sich dem Strafrecht nirgends entnehmen. Aber § 276 II BGB ist immerhin eine Hilfe, auch wenn umstritten ist, ob diese Norm auch für das Strafrecht gilt. – Im Strafrecht gibt es noch eine gesteigerte Form der Fahrlässigkeit: die Leichtfertigkeit (z. B. in § 251: Raub mit Todesfolge). Sie liegt vor, wenn der Täter die gebotene Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen hat; wenn er missachtet hat, was „mit Händen zu greifen“ war.

c)Das Teilvorsatzdelikt (die „Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination“)

Fall 14: T schließt den O in einem alten Bunker ein, um ihn zu ärgern. Aus Versehen lässt

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er den O dort verhungern.

 

T hat den O vorsätzlich eingesperrt, sich also wegen Freiheitsberaubung strafbar gemacht

67

(§ 239 I). Dadurch hat er den Tod des O verursacht und somit die Voraussetzungen des

 

§ 239 IV erfüllt. Zur Strafbarkeit gehört aber auch noch, dass dem T hinsichtlich der To-

 

desfolge „wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt“; das ordnet § 18 an. Weil auch diese Vo-

 

raussetzung erfüllt ist, hat T sich wegen „Freiheitsberaubung mit Todesfolge“ (§ 239 IV)

 

strafbar gemacht. – Machen Sie sich klar, dass T die Freiheitsberaubung vorsätzlich, den

 

Tod aber nur fahrlässig verursacht hat! Für § 239 IV ist also nur zum Teil Vorsatz nötig, in

 

ihm sind Vorsatz und Fahrlässigkeit kombiniert.

 

d)

Das versuchte Handlungsdelikt

 

Fall 15: Grundstückseigentümer E ärgert sich maßlos darüber, dass der Hund des Nach-

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barn N ständig seinen Vorgarten verschmutzt. Als er eines Tages mit dem Wagen

 

 

von der Arbeit kommt, sieht er N mit dem Tier an der Leine über die Straße ge-

 

 

hen. E tritt auf das Gaspedal, um Hund und Herrchen zu töten. Die beiden können

 

 

sich aber retten.

 

Lesen Sie §§ 212 I, 303, 17 Nr. 1 TierSchG und §§ 22, 23 I, II, 12!

 

A hat einen Totschlag (§ 212 I) versucht (Mord, § 211, soll außer Betracht bleiben), außer-

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dem

hat er eine Sachbeschädigung (§ 303 I) und eine Wirbeltiertötung (§ 17 Nr. 1

 

TierSchG) versucht. Der Totschlagsversuch ist strafbar gemäß §§ 23 I, 12 I, 212 I; der

 

Sachbeschädigungsversuch ist es gemäß § 303 II; der Wirbeltiertötungsversuch ist straflos.

 

Die Strafe für einen Versuch ist dem Strafrahmen für das vollendete Delikt zu entnehmen;

 

sie kann aber gemildert werden (§ 23 II).

 

Gibt es übrigens auch die Kombination des bloß fahrlässigen versuchten Handlungsdelik-

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tes? Nein. Der Versuch setzt nach § 22 die „Vorstellung“ von der Tatbestandsverwirkli-

 

chung voraus. Diese Vorstellung ist im Kopf des Täters dasselbe wie der in § 16 I 1 be-

 

schriebene Vorsatz. Der Versuchstäter handelt also immer vorsätzlich, niemals bloß fahr-

 

lässig.

 

Fall 16: T ist gerade dabei, den O zu erwürgen, als die Kirchenglocken läuten und ihn

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versöhnlich stimmen. Er lässt O los.

 

Stand: 17. Juli 2012

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T hat einen Totschlag versucht (§§ 212 I, 22, 23 I, 12 I). Er hat aber freiwillig die weitere 72 Ausführung der Tat aufgegeben. Damit hat er die Voraussetzungen eines Rücktritts nach

§ 24 I 1 Alt. 1 erfüllt und wird deshalb nicht wegen seines Totschlagsversuches bestraft. – Wohl aber wird er wegen vollendeter Körperverletzung (§ 223 I) bestraft, weil er den körperlich misshandelt hat.

e)Das Unternehmensdelikt

Fall 17:

Der Terrorist T versucht, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion her-

73

 

 

beizuführen, um dadurch Menschen zu töten. Sein Plan misslingt: Es explodiert

 

 

 

schon nichts.

 

T hat die Straftat des § 307 I vollendet. Denn das dort Geschilderte „unternimmt“, wer es

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vollendet oder auch nur versucht. Das legt § 11 I Nr. 6 fest. Der „Witz“ der Unternehmens-

 

delikte ist also, dass ein Verhalten, das in der Sache nur ein Versuch ist, formal als Vollen-

 

dung behandelt wird. Das bedeutet z. B., dass es für T keine Möglichkeit einer Strafmilde-

 

rung gibt (denn § 23 kommt für ihn nicht zur Anwendung).4

 

f)

Das Unterlassungsdelikt

 

Fall 18:

J joggt am Strand. Er sieht ein fremdes Kind ertrinken, läuft aber weiter, weil er

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kein kaltes Wasser mag.

 

J ist strafbar wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c). Die dort beschriebene Hilfspflicht trifft jeden, auch wenn er nur in einer Allerweltsbeziehung zu dem hilfsbedürftigen Menschen steht.

Fall 19: Vater V geht mit seinem Sohn S im Januar an den Ostseestrand. S will unbedingt 76 ins eiskalte Wasser. Als er dort einen Krampf bekommt und ertrinkt, hilft V ihm nicht.

a)V erkennt zwar die Not des S, aber ihm ist der Tod des lästigen Essers sehr willkommen.

b)V sieht und hört zwar den Kampf des S, hält das Ganze aber für einen albernen Spaß.

c)Wie Variante a; aber V hätte in dem eiskalten Wasser wegen einer bislang unerkannten Herzschwäche selber den Tod gefunden, bevor er S gerettet hätte.

Unterscheiden Sie die „echten Unterlassungsdelikte“ (in Fall 18 und auch hier in Fall 19: 77 § 323c) von den „unechten“ (hier §§ 212, 222 mit § 13): Bei den „echten“ ist das Unterlas-

sen schon im Tatbestand als strafbares Verhalten beschrieben. Bei den „unechten“ lesen die Tatbestände sich so, als sei dort nur ein Handeln beschrieben; und § 13 stellt klar, dass man auch diese Tatbestände durch Unterlassen begehen kann. Außerdem stellt § 13 klar, dass man die schwere Strafe aus dem „unechten“ Unterlassungsdelikt (sie ist so schwer wie die für einen handelnden Täter) nur dann verdient, wenn in einer besonderen Beziehung zum hilfsbedürftigen Menschen stand.

V ist im Fall 19 a strafbar wegen eines Totschlags durch Unterlassen, §§ 212 I, 13 (Mord

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durch Unterlassen, §§ 211, 13, soll außer Betracht bleiben).

 

V ist im Fall 19 b strafbar wegen einer fahrlässigen Tötung durch Unterlassen; §§ 222, 13.

79

V ist im Fall 19 c strafbar wegen eines versuchten Totschlags durch Unterlassen, §§ 212 I,

80

13, 22, 23 I, 12 I.

 

Die Strafe für das unechte Unterlassungsdelikt kann gemildert werden (§ 13 II).

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4 Vgl. S/S-Eser27 § 11 Rn 50; MüKoStGB-Radtke § 11 Rn 83.

Stand: 17. Juli 2012

Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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V hat im Fall 19 Var. a und c auch eine unterlassene Hilfeleistung begangen (§ 323c). Die-

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ses Delikt tritt aber hinter § 212 bzw. §§ 212, 22 zurück. Zu dieser sog. Gesetzeskonkur-

 

renz s. unten vor Fall 26.

 

 

g)

Die Handlungs-Unterlassungs-Kombination

 

 

Auch zwischen Handlungsund Unterlassungsdelikten gibt es Mischformen.

 

83

Fall 20: A verursacht einen Verkehrsunfall. Als die Geschädigten ihn am Unfallort nach

84

 

Namen, Anschrift und Ausweis fragen, verrät er nichts. Als einer der Geschädig-

 

 

ten sagt, er habe die Polizei gerufen, sie sei gleich da, schaut A auf die Uhr, sagt

 

 

„Ich muss weg!“ und fährt davon.

 

 

A hat sich strafbar gemacht gemäß § 142 I Nr. 1 (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). 85 Dort ist tatbestandlich vorausgesetzt, dass A erstens es unterlässt, bestimmte Angaben zu machen, und zweitens den Unfallort verlässt. Hier verbinden sich also Handlungsund Unterlassungsteile zu einem Straftatbestand.

h) Täterschaft und Teilnahme

 

Fall 21: T möchte X, Y und Z töten.

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a)Den X streckt er mit einem tödlichen Schuss nieder.

b)Den Y lässt er von dem Landstreicher L erschießen, indem er dem L androht, anderenfalls ihn zu töten.

c)Den Z ertränkt er in der Ostsee, und zwar gemeinsam mit seinem Freund M, der ebenfalls den Tod des Z wünscht.

Abwandlung: M ist geisteskrank, T weiß das nicht.

T ist im Fall 21 a strafbar aus § 212 I wegen Totschlags. Er hat die Tat „selbst“ begangen,

87

§ 25 I Alt. 1 (sog. unmittelbare Täterschaft). Weil das der Normalfall ist, erwähnt man das

 

in einem Strafrechtsgutachten meist gar nicht.

 

T hat im Fall 21 b den L so unter Druck gesetzt, dass er ihn „wie ein menschliches Werk-

88

zeug“ eingesetzt hat. Deshalb ist T für Ls Verhalten genauso verantwortlich wie in Var. a

 

für sein eigenes. Das Gesetz nennt dies eine Tatbegehung „durch einen anderen“ (§ 25 I

 

Alt. 2); dasselbe meint man mit der weit verbreiteten Bezeichnung „mittelbare Täter-

 

schaft“. Weil die Tatbegehung durch einen anderen ein Ausnahmefall ist, wird § 25 I Alt. 2

 

immer erwähnt und man sagt: „T ist strafbar wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft

 

(§§ 212 I, 25 I Alt. 2).“

 

Im Fall 21 c hat T den Z getötet, aber nicht allein, sondern er hat die Straftat „gemein-

89

schaftlich“ mit einem anderen begangen (§ 25 II), nämlich mit M. Das nennt man „Mittä-

 

terschaft“. – In einem Gutachten würde man die Strafbarkeit von T und M sogleich ge-

 

meinsam prüfen und am Ende sagen: „T und M haben sich wegen eines Totschlags in Mit-

 

täterschaft strafbar gemacht (§§ 212 I, 25 II).“

 

In der Abwandlung von Fall 21 c haben T und M ebenfalls gemeinschaftlich einen tatbes-

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tandlichen und rechtswidrigen Totschlag begangen. M hat aber gemäß § 20 ohne Schuld

 

gehandelt, sodass er nicht bestraft werden kann. T hingegen hat schuldhaft gehandelt und

 

wird also bestraft. Dass M keine Schuld hatte, ist für Ts Strafbarkeit ohne Bedeutung (s.

 

§ 29). Allein T wird verurteilt, aber wegen „Totschlags in Mittäterschaft“. Machen Sie sich

 

klar, dass das seltsam klingt, aber tatbestandlich ganz richtig ist.

 

Fall 22: Der Skinhead S wird von seiner Freundin A darum gebeten, ihren Exfreund E zu-

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sammenzuschlagen. Weil S gerade keinen Führerschein hat, lässt er sich von sei-

 

Stand: 17. Juli 2012

Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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nem eingeweihten Kumpel G auf dem Motorrad zu E bringen, schlägt E nieder

 

und fährt mit G wieder davon.

 

 

S ist strafbar wegen Körperverletzung (§ 223 I). – Zu dieser „rechtswidrigen Tat“ (definiert

92

in § 11 I Nr. 5) ist er von A durch ihre Bitte bestimmt worden. Deshalb ist sie strafbar we-

 

gen Anstiftung zur Körperverletzung (§§ 223 I, 26). Sie wird gemäß § 26 als Anstifterin

 

gleich einem Täter bestraft. – G hat dem S bei der Tat Hilfe geleistet und ist deshalb straf-

 

bar wegen Beihilfe zur Körperverletzung (§§ 223 I, 27). Seine Strafe ist niedriger, weil

 

gemäß § 27 II 2 die Strafe für den Gehilfen gemildert werden muss.

 

 

Fall 23: F fährt mit dem Auto von seiner Stammkneipe weg, obwohl er weiß, dass er be-

93

trunken ist. Schon beim Ausparken schlägt er aus Versehen das Lenkrad kaum ein

 

und kommt nur mit Glück am neuen Mercedes des Gastes G heil vorbei. Eigent-

 

lich wollte F gar nicht mehr fahren; aber sein Zechkumpan Z hatte ihn dazu über-

 

redet, weil er sogar wünschte, das Auto des G möge Schaden nehmen.

 

 

F ist strafbar wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, und zwar wegen des Teilvorsatzde-

94

liktes gemäß § 315c I Nr. 1 Buchst. a, III Nr. 1: Er ist vorsätzlich betrunken gefahren und

 

hat dadurch fahrlässig eine fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet. – Z ist strafbar

 

wegen Anstiftung dazu. Gemäß § 26 ist zwar nur die Anstiftung zu einer „vorsätzlich be-

 

gangenen“ Tat strafbar; aber gemäß § 11 II sind solche teilvorsätzlich begangenen Taten

 

wie die des F „vorsätzlich“ im Sinne des StGB.

 

 

Fall 24: T und M lungern auf der Straße herum. Als sie den P aus seinem Porsche ausstei-

95

gen sehen, beschließen sie spontan, ihn auszurauben. Als sie gerade losgehen

 

wollen, kriegen sie aber Skrupel und beschließen rasch, es doch lieber zu lassen.

 

T und M haben sich wegen Verabredung eines Verbrechens (Raub, §§ 249 I, 25 II, 30 II,

96

12) strafbar gemacht. Sie sind aber gemäß § 31 I Nr. 3 strafbefreiend zurückgetreten.

 

 

IV. Die Rechtsfolgen einer Straftat

1.Freiheitsund Geldstrafe

a)

Die Strafrahmen

 

Lesen Sie §§ 211, 212 I und 285 als Beispiele für die Strafdrohungen in den Straftatbe-

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ständen und dann die allgemeinen Regeln in §§ 38, 39, 40 I, II und IV!

 

b)

Die Strafrahmenverschiebungen

 

aa) Für besonders schwere oder minder schwere Fälle einer Straftat droht das Gesetz im

98

Besonderen Teil manchmal eine höhere bzw. niedrigere Strafe an. Gelegentlich gibt es zu

 

einer Straftat sogar beides, so z. B. zum Totschlag (§ 212 I) in § 212 II die Strafschärfung

 

und in § 213 die Strafmilderung.

 

bb) Neben den Strafrahmenverschiebungen im Besonderen Teil gibt es auch im Allgemei-

99

nen Teil welche, zwar (zurzeit) keine Strafschärfungen, aber zahlreiche Strafmilderungen,

 

z. B. die schon bekannten §§ 13 II, 23 II, 27 II 2. Dort ist aber nur angeordnet, ob gemil-

 

dert werden kann oder muss. Wie gemildert wird, richtet sich nach § 49.

 

Fall 25: Weil Hansa Rostock gegen den VfL Bochum verloren hat, bemüht der Hansa-Fan

100

 

H sich, seinen Ärger in Bier zu ertränken. Als er schon erheblich angetrunken ist

 

 

(2,5 ‰ BAK), bricht sein Ärger sich aber doch Bahn, und H schlägt den Bo-

 

Stand: 17. Juli 2012

Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

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chum-Fan B so brutal zusammen, dass Bs linker Arm gelähmt bleibt. Das hatte H

 

 

allerdings nicht gewollt.

 

 

H hat eine schwere Körperverletzung begangen (§ 226 I Nr. 2). Seine Alkoholisierung hat

101

aber seine Schuldfähigkeit erheblich vermindert, sodass seine Strafe gemildert werden

 

kann (§ 21). Die Strafmilderung ist nach § 49 I zu berechnen: Die in § 226 I angedrohte

 

Höchststrafe von 10 Jahren ist gemäß § 49 I Nr. 2 auf drei Viertel herabzusenken, also auf

 

7 Jahre und 6 Monate. Die in § 226 I angedrohte Mindeststrafe von einem Jahr ermäßigt

 

sich gemäß § 49 I Nr. 3 Unterabs. 3 auf drei Monate. – Beachten Sie: Weil § 21 die Schuld

 

nicht ausschließt, gehört er im Gutachten auch nicht in den Prüfungspunkt „Schuld“; dort

 

wird nur festgestellt, ob der Täter schuldhaft gehandelt hat oder nicht. Vielmehr gehört

 

§ 21 hinter der Schuld in den Prüfungspunkt „Strafrahmenverschiebung“.

 

 

cc) In § 12 III finden Sie eine Merkhilfe dazu, was es für Strafrahmenverschiebungen gibt:

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Dort sind alle Arten genannt.

 

 

c)

Die Konkurrenzen

 

 

aa)

Gesetzeskonkurrenz

 

 

Lesen Sie noch einmal Fall 12! K hat dort neben dem Totschlag (Mord soll außer Betracht

103

bleiben) auch eine Körperverletzung nach § 223 I begangen. Außerdem hat er die Straftat-

 

bestände der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 I Nr. 2: gefährliches Werkzeug) und der

 

Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227) erfüllt. Aber das darin beschriebene Unrecht ist

 

in § 212 schon vollständig enthalten. Deshalb wird K nur eines Totschlags schuldig ge-

 

sprochen, und seine Strafe wird nur aus § 212 genommen. Die anderen Delikte „treten im

 

Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück“, wie man zu sagen pflegt.

 

 

Die Gesetzeskonkurrenz ist manchmal gesetzlich angeordnet, z. B. in § 246 I a. E. Bei-

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spiel: Wer einen Diebstahl begeht (§ 242 I), macht sich damit gleichzeitig einer Unter-

 

schlagung schuldig, aber schuldig gesprochen und bestraft wird er nur aus § 242 I.

 

 

bb) Tateinheit und Tatmehrheit (auch: Idealund Realkonkurrenz)

 

 

Fall 26: T nimmt über Weihnachten an einer Karibikkreuzfahrt teil. Mit den Eheleuten

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Herrn M und Frau F, die an seinem Tisch sitzen, hat er sich nach kurzer Zeit so

 

 

sehr zerstritten, dass er ihren Tod will. Eines Nachts schubst er beide mit einem

 

 

Stoß über die Reling.

 

 

 

Abwandlung: Am 1. Weihnachtstag stößt er den M über die Reling, am zweiten

 

 

die F.

 

 

Vergleichen Sie hier einerseits § 52 und andererseits §§ 53, 54!

 

 

T hat im Grundfall mit einem Stoß, also durch „dieselbe Handlung“ zwei Menschen getö-

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tet, also zwei Totschläge begangen (§ 212 I; § 211 soll außer Betracht bleiben). Er be-

 

kommt dafür gemäß § 52 I eine Strafe aus dem Strafrahmen des § 212. – Das Gesetz

 

spricht hier von „Tateinheit“, viele sagen dazu „Idealkonkurrenz“.

 

 

In der Abwandlung hat T ebenfalls zwei Menschen getötet (§ 212). Er hat das aber nicht

107

durch „dieselbe Handlung“ getan. Er hat vielmehr „mehrere Straftaten“ (§ 53 I) begangen.

 

Für ihn wird in einem ersten Schritt für jeden Totschlag eine Strafe aus dem Strafrahmen

 

des § 212 festgesetzt. Dann wird aus diesen beiden Strafen eine Gesamtstrafe gebildet. Die

 

muss gemäß § 54 I 2 höher sein als die höchste ermittelte Einzelstrafe, gemäß § 54 II kann sie sogar deutlich höher sein. – Das Gesetz spricht hier von „Tatmehrheit“, viele sagen dazu „Realkonkurrenz“.

Stand: 17. Juli 2012

Hardtung/Putzke: Lehrskript Strafrecht AT, 1. Kapitel: Einführung und Überblick

17

d)Die konkrete Strafzumessung (§ 46)

Fall 27: Wie Fall 25. Aber H war nüchtern. Hinsichtlich der schweren Verletzung des B

108

 

hat er

 

 

a) wie im Fall 25 fahrlässig gehandelt.

 

 

b)

leichtfertig gehandelt.

 

 

c)

mit Eventualvorsatz gehandelt.

 

 

d)

absichtlich gehandelt.

 

Im Fall 27 a und b ist H wie im Fall 25 aus § 226 I zu bestrafen, aber ohne Strafmilderung

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aus §§ 21, 49. Bei der konkreten Strafzumessung ist gemäß § 46 II das „Maß der Pflicht-

 

widrigkeit“ zu beachten; also muss das konkrete Strafmaß in Var. b höher sein.

 

Im Fall 27 c ist H ebenfalls aus § 226 I zu bestrafen, denn für Abs. 2 genügt sein Vorsatz

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nicht. Das konkrete Strafmaß muss wiederum höher sein als in Var. b (§ 46 II: „Wille“).

 

Im Fall 27 d ist H strafbar aus § 226 Abs. 2; dort ist höhere Strafe angedroht. Innerhalb die-

111

ses Strafrahmens darf aber nicht mehr straferschwerend veranschlagt werden, dass H mit

 

Absicht gehandelt hat. Zwar ist die Vorsatzform (bloßer Eventualvorsatz oder sogar Ab-

 

sicht?) für die Strafzumessung relevant; die Abs. 1 und 2 des § 226 beweisen das ja gerade.

 

Aber eben weil die Absicht schon zum höheren Strafrahmen des Abs. 2 führt, darf inner-

 

halb dieses Strafrahmens nicht noch einmal veranschlagt werden, dass H sogar absichtlich

 

gehandelt hat (sog. Doppelverwertungsverbot, § 46 III).

 

2.

Weitere Sanktionen

 

Vermögensund Nebenstrafe (§§ 43a, 44)

112

Nebenfolgen (§ 45)

113

Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff.; lesen Sie davon §§ 61, 63, 64, 66 I

114

 

Nr. 1, 68 I mit 263 VI, 69 mit 316!)

 

V. Die Verfolgbarkeit einer Straftat

Die bisher behandelten Voraussetzungen sind Voraussetzungen für die materiell-rechtliche 115

Strafbarkeit. Daneben gibt es Voraussetzungen für die prozessrechtliche Verfolgbarkeit. Einige davon sind:

Strafantrag, §§ 77 ff.

Beispiele: § 123 I, II (reines Strafantragsdelikt); §§ 223, 230 I, 303, 303c (Strafverfolgung auch ohne Antrag möglich, nämlich bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses)

Keine Verjährung, §§ 78 ff.

Immunitätsaufhebung, Art. 46 II GG

Kein Strafklageverbrauch, Art. 103 III GG („ne bis in idem“)

Die Strafverfolgungsvoraussetzungen gehören genau genommen nicht mehr ins Gutachten, 116 wenn – wie fast immer – nur nach der Strafbarkeit gefragt ist. Aber trauen Sie weder der Aufgabenstellung noch Ihrem Prüfer! Es ist allgemein üblich, von Ihnen auch manche Ausführungen zur Verfolgbarkeit zu verlangen, sogar wenn in der Aufgabenstellung nicht da-

nach gefragt ist. Sie sollen nämlich immer erwähnen, ob für die Verfolgbarkeit ein Strafantrag erforderlich ist. Andere Verfolgbarkeitsvoraussetzungen sind dann zu thematisieren, wenn der Sachverhalt durch bestimmte Angaben die Prüfung nahe legt. Beispiele: Er erwähnt, dass die Tatbestandserfüllung vor acht Jahren stattgefunden hat – Sie sollen etwas zur Verjährung sagen; er schildert die Tat eines Bundestagsabgeordneten – Sie müssen zur Immunitätsaufhebung Stellung nehmen; er betont, dass der Täter einer inzwischen nach-

Stand: 17. Juli 2012

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