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Lesen und interpretieren. Analysen, Kommentare und Interpretationshilfen

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Bestätigung eines für die Frau auf der Hand liegenden Beweises gewertet werden, wenn nicht noch zwei weitere Sätze des dritten Absatzes der Kurzgeschichte mit diesem «Und» eingeleitet würden. In dieser Häufung verweist das «Und» auf die Unsicherheit und

Ratlosigkeit der Frau angesichts des sie um Brot betrügenden Mannes, den sie zwar durch die Indizien für überführt halten muß, es jedoch nicht kann oder will. So sieht sie von dem Teller weg. Der Mann beginnt zu sprechen: «Ich dachte, hier wäre was» und sieht in der Küche umher. Dieses gespielte Umhersehen entlarvt ihn als einen im Grunde hilflosen Lügner. Diese Hilflosigkeit ihres Mannes wird es sein, die die Frau antworten läßt: «Ich habe auch was gehört».

Das vom Manne mißbrauchte Vertrauen ist der Auslösungsfaktor für das schonungslose, aber doch noch Verstehen zeigende gegenseitige Sichbetrachten der Eheleute. Es verdeutlicht den Krisenpunkt ihres neununddreißigjährigen Zusammenseins eindringlich. – In die Stille des

Raumes spricht die Frau ein erstes Wort. Es ist ein Wort der fürsorglichen Treue: «Du hättest Schuhe anziehen sollen. So barfuß auf den kalten

Fliesen. Du erkältest dich noch». Freilich vermag sie den Mann dabei nicht anzusehen. «Weil sie es nicht ertragen konnte, daß er log».

Die ganze Unsicherheit des Mannes gegenüber der Frage, ob seine Frau ihn als Brotdieb entlarvt hat oder nicht, wird erkennbar in der unmotivierten Wiederholung seiner Begründung dafür, daß er um halb drei nachts in der Küche angetroffen wird. Hingegen führt die Enttäuschung der Frau darüber, daß ihr Mann seine Verfehlung nicht einfach eingesteht, zu der für sich selbst sprechenden Zweideutigkeit ihrer Rede und des die Rede begleitenden Handelns. «Ich hab' auch was gehört. Aber es war wohl nichts.' Sie stellte den Teller vom Tisch und schnippte die Krümel von der Decke». Diese zweideutige Verquickung von Aussage und Handlung, wobei die Aussage von der Handlung der Redenden in Frage gestellt wird, läßt den Mann vollends unsicher werden. Diese Unsicherheit fängt Borchert mit der charakteristischen Verbalform «echote» ein. Es ist überhaupt ein Qualitätsmerkmal Borchertschen Sprachschaffens, mit knappsten und lapidar klingenden Sprachgebärden – oft der einfachsten Umgangssprache – einen psychologischen Tiefenblick zu eröffnen.

Die Frau kommt ihrem Mann «zu Hilfe». «Komm man. Das war wohl draußen». Es ist bemerkenswert, daß ab hier in der Kurzgeschichte der Mann nur die Äußerungen seiner Frau nachspricht, um durch das bloße und gedankenlose Sprechen seine leidige und ihn beschämende Lage erträglich zu halten. Er bestätigt, daß das

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Geräusch wohl draußen gewesen sein muß, er bestätigt, daß der Wind wohl die Dachrinne zum Klappern gebracht hat. Dieses Verfahren des

Bemäntelns eines eigentlich offen zutage getretenen Tatverdachts macht natürlich seine Stimme unecht. – Die Frau, deren leidvolle und opferbereite Haltung Borchert immer nur mit kargen Strichen bei diesem Scheingespräch skizziert, spricht: «Es ist kalt, ich krieche unter die Decke. Gute Nacht». Wieder nimmt der Mann ihre Äußerung inhaltlich kopierend auf. «Dann war es still». Erneut lenkt das Wort «still» die Spannung der Handlung. «Nach vielen Minuten hörte sie, daß er leise und vorsichtig kaute». Jetzt ist der Beweis letztgültig erbracht! Jetzt ist die Handlung des Mannes erst vom Dichter aufgedeckt, die zur Handlung der Frau den Anlaß gab. Diese Handlung der Frau wird mit einer überraschenden Geste zum Abschluß geführt. Sie schiebt ihrem Mann am nächsten Abend vier Scheiben Brot hin, eine mehr als sonst. Diese selbstverleugnende Geste erntet den verdienten Lohn, denn jetzt gesteht der Mann seine Schuld; lautlos, indem er sich tief über den Teller beugt. «In diesem Augenblick tat er ihr leid». Diese Aussage Borcherts hat keinen Anflug von Ironie. Die reuige Scham des Mannes bezeugt sich darin, daß er auf seinen Teller spricht: «Du kannst doch nicht nur zwei Scheiben essen». Diese Scham nötigt die Frau – wenn auch erst nach einer Weile –, sich «unter die Lampe an den Tisch» zu setzen.

Die Kurzgeschichte unterliegt einer dreifachen Gliederung. Die Exposition bietet der Abschnitt eins bis «sein Atem fehlte». Der Abschnitt zwei stellt die Problematik dar bis zu der Stelle «Aber sein Kauen war so regelmäßig, daß sie davon langsam einschlief». Der Abschnitt drei, der den Ausklang bringt, geht bis zum Ende der Kurzgeschichte. Am besten liest man die Kurzgeschichte im Seminar in diesen drei Abschnitten und regt nach der Lektüre jedes Abschnitts die Studenten an, sich zu dem Gelesenen zu äußern. – Nach der Lektüre von Abschnitt eins ist die Frage geboten, wie das Geschehen weiterlaufen könnte. – Nach dem Lesen von Abschnitt zwei erbittet die Lehrperson eine Nacherzählung der Darstellung. Es ist anzunehmen, daß die Studenten dabei in eine verkürzende Inhaltsangabe ausweichen. Dies sollte Anlaß sein, die Studenten ständig zu fragen, wie es denn wohl der Schriftsteller ganz genau geschrieben habe und warum er es wohl so geschrieben habe. Solche Fragen, deren Beantwortung die Studenten mit Hilfe des Lehrers und nach dem Text versuchen können, lassen sie möglicherweise erkennen, mit welch einer durchdachten Schilderung Borchert das Versagen des Mannes und die Opferbereitscbaft der Frau sprachlich faßt.

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Diese Fragen machen aber auch das deutlich, was der Dichter bewußt nicht schreibt. Es zu erkennen ist sehr wichtig. Borchert erzählt nicht den Diebstahl selbst. – Er kennzeichnet zwar das Versagen und die Opferbereitschaft von Menschen angesichts des Hungers. Das Wort Hunger kommt aber in der Kurzgeschichte nicht vor. – Schließlich sagt Borchert auch etwas über den Wert des Brotes aus; obwohl er – paradoxerweise – nichts davon direkt schreibt. Mit solch einer Methodik kann man den Studenten gut den sprachkünstlerischen Wert der «Aussparung» erhellen. Sie ist einer der wichtigsten Wesenszüge Borchertschen Prosastils. Durch diese «Aussparung» wird die Problematik des Dargestellten erst recht pointiert hervorgehoben. – Abschnitt drei gibt nach der Lektüre Anlaß zu einer Wertung des Verhaltens des Mannes und der Opferbereitschaft der Frau durch die Studenten.

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2.2. Marie Luise Kaschnitz. Christine

Analyse

Thema

«Auch das Schöne muß sterben!» sagt der klassische Dichter.

Schorsch könnte seine Trauer mit den beiden anderen Versen aus Schillers «Nänie» ausdrücken:

«Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle, Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt».

Das Thema dieser Kurzgeschichte ist so alt wie die Menschen, seit sie den Traum vom Schönen und Vollkommenen träumen. In dem klassischen Gedicht dienen Beispiele aus der griechischen Mythologie zur Veranschaulichung des Satzes, in einer modernen Kurzgeschichte nimmt die Dichterin Charaktere und Situation aus dem alltäglichen Leben. Sie verschärft wie Schiller das Problem, indem das Vollkommene grausam und mit Gewalt angegriffen und zerstört wird. Das Sinnlose wird bei Kaschnitz dadurch betont, daß ein Wahnsinniger die Tat begeht. Allmählich wird dieses eigentliche Thema der Geschichte enthüllt. Vorläufige Erklärungen für das Verhalten Schorschs stellen retardierende Momente dar, die dazu dienen, die Charaktere und die Situation zu verdeutlichen. Eine juristische oder moralische Schuld liegt nicht vor, wenn Schorsch auch von Schuldgefühlen geplagt wird. Weder diese noch die geschlechtlichen Triebwünsche bestimmen sein Verhalten. Seine Frau versteht ihn vordergründig zunächst aus solchen Beweggründen, erkennt dann aber als Liebende den tieferen Grund: die Trauer

«über den Wahnsinn und die Unvollkommenheit der Welt». Ihre Geste zum Schluß und des Mannes Reaktion deuten auf eine mögliche

Abwendung von der unfruchtbaren Trauer durch die Zuwendung zum wirklichen Leben. Philosophisch ließe sich sagen, daß die Charaktere den Gegensatz von Idealismus und Realismus verkörpern, der in einem zehnjährigen Entwicklungsprozeß ausgetragen wird und zum liebenden Verstehen der gegensätzlichen Charaktere und Auffassungen führt.

Darstellung

Die Geschichte ist eine Ich-Erzählung, zugleich auch ein innerer Monolog und ein Dialog der Erzählerin mit dem Leser. Frau Bornemann wendet sich direkt an den Leser: «was Sie jetzt glauben», oder sie beantwortet mögliche Fragen, Einwürfe, Zweifel und Bedenken des Lesers, die sie vermutet. Auf diese Weise ist die Ich-Erzählung im Zusammenhang mit der spannungsreichen Entfaltung des Themas in

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einem konkreten Stoff und anschaulicher realistischer Sprache von lebendiger Wirkung. Anfang und Schluß spielen in der Gegenwart. Dazwischen erzählt Frau B. in Rückblenden und Überlegungen das

Schicksal ihres Mannes, wie es sich im Lauf von 10 Jahren zeigte.

Zum Unterricht

Die Geschichte ist für Jugendliche schwer zu verstehen. Die Schwierigkeiten liegen im Thema, den Charakteren und in der Erzähltechnik. Das eigentliche Thema wird durch den Realismus der Vorgänge und die Verhaltensweisen aller Personen eher verdeckt als aufgehellt. Darüber hinaus ist das Thema von der «Anmut und Schönheit an sich», von der Spannung Ideal und Wirklichkeit ein schwieriges philosophisches Problem, aber auch eine Aufgabe, die jeder Mensch zu bewältigen hat. Der Lehrer muß daher von den eignen Erfahrungen der Studenten ausgehen und sie Beispiele aus ihrem Leben erzählen lassen, von denen aus sich der Zugang zur Geschichte ergibt.

Vorschläge für Aufgaben 1. Stoff und Erzähltechnik

Erzähle den Hergang in chronologischer Reihenfolge und vergleiche damit den Gang der Darstellung in der Geschichte.

2. Thema

Was will Frau B. als Erzählerin und damit auch die Dichterin dem

Leser eigentlich vermitteln? Zur Beantwortung ziehe folgende Stellen heran:

а) «dumme Gedanken»

b)«verrückt vor Liebe»

c)Aussehen seiner Frau und Kinder

d)Die Stelle von der Anmut und der Schönheit, vom Traum und der Trauer

e)Den Satz: «Ich sehe ihn an und habe ihn so lieb wie nie im Leben, auch in den ersten Jahren unserer Ehe nicht».

Zusatzfrage: Wie wird die Liebe in Stelle b) und e) aufgefaßt?

3. Man könnte sagen, daß der Mann ein Idealist, die Frau und die

Kinder Realisten sind. Diskutiere diese These.

4. Erkläre die folgenden zeitkritischen Beobachtungen und Bemerkungen, indem du fragst, welche Bedeutung sie für das Verständnis der

Geschichte haben:

a)«... ich bin keine von den Frauen ...»

b)«... so einer Armeleute-Villenkolonie ...»

c)Verhalten der Kinder beim Planen einer Ausfahrt

d)Karrieremachen und Konsumverhalten

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2.3.INTERPRETATIONSHILFEN

2.3.1.Siegfried Lenz. Die große Konferenz

Kommentar

Die Erzählung «Die große Konferenz» von Siegfried Lenz ist der

bekannten Sammlung masurischer Geschichten entnommen, die 1955 unter dem Titel «So zärtlich war Suleyken» herausgegeben wurde. Hier werden Jugenderinnerungen in einer besonderen Form dargeboten. Weder die Personen noch geographische Einzelheiten sind authentisch. Der Autor zeichnet nur bestimmte, typische Wesenszüge seiner früheren Landsleute in überspitzter und humoriger Art und Weise nach. Der Reiz dieser Geschichten wird nicht in erster Linie durch ihren Inhalt bestimmt, sondern hauptsächlich durch die Sprache, in der dieser uns vermittelt wird. Nicht Lebensproblematik, sondern Freude am fröhlichen Fabulieren prägt den Charakter dieses Werkes, auch wenn hier und da ein ironisch kritischer Unterton hörbar wird. Bei der Betrachtung der Erzählung wollen wir diese Überlegungen beherzigen und die Schwerpunkte im

Unterrichtsgeschehen dementsprechend setzen. Wir schlagen hier drei

Schritte vor, die im einzelnen erläutert werden.

Interpretationshilfen

1. Lesen

Man macht häufig die Erfahrung, daß humorvolle Texte, besonders wenn sie von Jugendlichen gelesen werden, nicht eine adäquate

Resonanz in dem Seminar hervorrufen.

Wir sollten die Studenten also entsprechend vorbereiten, wenn wir die Erzählung vorstellen, deren Sprache für viele eher fremd als fröhlich ist. Das kann dadurch geschehen, daß wir die Geschichte vorweg als fröhlich charakterisieren, und schließlich sollte der Lehrer sie so vorzulesen versuchen, daß der Zugang zum Heiteren in der Sprache und in der Handlung erleichtert wird. Danach erst werden die Studenten aufgefordert, die Erzählung, wenn möglich ihrem Stimmungsgehalt entsprechend, vorzutragen.

2. Handlungsverlauf

Es wird den Studenten wenig Schwierigkeiten bereiten, den Ablauf der Geschichte nachzuskizzieren. Das Geschehen beinhaltet einen fast simplen Gedankengang, der relativ leicht stichwortartig zusammengefaßt werden kann. Die Konferenz, schon durch die Überschrift als zentrale Situation in der Erzählung gekennzeichnet, sollte uns in ihrem Ablauf etwas genauer beschäftigen. Hier können wir der Gruppe zwei Aufgaben stellen, die durch Partnerarbeit gelöst werden mögen:

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1.Die Strategie des Hamilkar Schaß

2.Die Strategie des Edmund Piepereit

Beide führen einen «Kampf» als Repräsentanten ihres Heimatdorfes. Die Rechtslage bleibt bis zum Schluß ungeklärt. Keiner der beiden kann offensichtlich wirklich begründete Besitzansprüche stellen. Daher ist zu verstehen, daß beide aufs «Argumentieren» verzichten. Nur Taktik bestimmt das Duell, und die Tugend der Ausdauer entscheidet letztlich.

3. Sprache

Diesen Teil wollen wir unter der Leitfrage behandeln: Welche sprachlichen Mittel verwendet der Autor, um seine Erzählung humorvoll zu gestalten? Es überwiegen hier deutlich Merkmale, die in enger

Verbindung zu mundartlichen Eigenarten stehen, die ganz allgemein gesehen ein Sprachwerk verlebendigen. Im Dialekt wirkt vieles deftiger, farbiger und gleichzeitig gemütlicher.

1. Namen:

Das beginnt bereits bei der Auswahl bestimmter Bezeichnungen und Eigennamen, die eine schrullige Gemütlichkeit ausstrahlen (Poggenwiese [Froschwiese], Schissomir, ... ).

2. Schlußsilbe «chen»:

Daß dieses Stilmittel eines der wichtigsten in unserer Erzählung ist, läßt sich schon aus der Häufigkeit ableiten, mit der es verwendet wird (Häuschen, Weibchen, Gärtchen, Bänkchen, Ritterchen, Großväterchen, Erpelchen etc.). Wir werden dieser Stilart nicht ganz gerecht, wenn wir sie nur als Verkleinerung bezeichnen. Es handelt sich um liebevolle Koseformen, wie sie im östlichen Sprachraum häufig zu finden sind, die Begriffe verharmlosen (Ritter – Ritterchen) und die der Sprache aggressive Momente nehmen. Diese Formen bilden durch ihre augenzwinkernde Gemütlichkeit eine ideale Grundlage für humorige Gedankengänge.

Man möge zur Verdeutlichung Wortpaare wie Vater – Väterchen,

Ritter – Ritterchen, Erpel – Erpelchen etc. zur Diskussion stellen und Textstellen vortragen, in denen man die Formen mit -chen durch

Grundwörter ersetzt.

3. Satzbau

a) Wir finden sehr häufig das Stilmittel der Inversion. Hier wird es nicht verwendet, um bestimmte Wörter dadurch hervorzuheben, daß sie an ungewohnter Stelle stehen, sondern in erster Linie, um der Sprache einen mundartlichen Tenor zu geben, der durch seine

Umständlichkeit erheiternd wirkt.

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b) Eine Verlangsamung des Sprachtempos wird durch zahlreiche

Einschübe erreicht. Es werden Floskeln verwendet, die den Eindruck des breit angelegten mündlichen Erzählens vermitteln (wenn man so sagen darf, sagen wir mal, wie man sich denken kann etc.). Auch hier wird durch Umständlichkeit der mundartlichen Sprechweise ein humoriger Ansatz zur Charakterisierung der beschriebenen Bevölkerung gegeben.

4. Koppelung von Substantiven

Besonders lustig wirken die aufeinanderfolgenden gegensätzlichen Substantive, mit denen die Ausrüstung des Hamilkar Schaß beschrieben wird (Kniestrümpfe aus Schafwolle und Briefmarken,

Rauchfleisch und Sicherheitsnadeln etc.).

Es wird den Studenten Vergnügen bereiten, sich darin zu versuchen, einen Text zu erfinden, der primär dieses Stilmittel verwendet.

5. Übertreibung

Hamilkar Schaß wird als Schriftgelehrter charakterisiert, oder seine Ausrüstung füllt ungefähr zwei Fuhrwerke. Diese Beispiele zeigen, daß eine belustigende Wirkung durch Übertreibung erzielt werden kann. Hier empfiehlt sich der Hinweis auf andere schwankartige

Erzählungen, die ihre Lustigkeit primär durch dieses Stilmittel gewinnen (z. B. Münchhausen, Schildbürgerstreiche).

Abschließend sollen die Studenten erkennen, daß hier eine sinnvolle Einheit von Sprache und Inhalt erreicht wird. In den beiden unterschiedlichen Teilbereichen strebt der Autor das gleiche an, nämlich spezifische Handlungsweisen und Sprachgewohnheiten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe humorvoll und überspitzt zu charakterisieren. Dieses geschieht nicht, um Lebenssituationen zu problematisieren, sondern nur, um humorvoll zu unterhalten.

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2.3.2. Ilse Aichinger. Das Fenster-Theater

Interpretationshilfen

I. Hinweise zum Textverständnis

In dieser Erzählung geht es um zwei unterschiedliche menschliche Verhaltensweisen:

1.um die Sensationsgier einer gelangweilten Frau und

2.um die Freude eines alten Mannes am kommunikativen Spiel mit einem Kind. Die Autorin läßt diese beiden Möglichkeiten des Verhaltens aufeinandertreffen und zeigt bei dieser Konfrontation, daß es unmöglich ist, sie miteinander zu verbinden.

I. Sensationsgier der Frau

In den Einleitungssätzen ihrer Kurzgeschichte charakterisiert die Autorin die Frau als jemanden, der begierig nach Neuem und so erfüllt ist von Sensationslüsternheit, daß er nicht einmal vor dem Gedanken zurückschreckt, sich der Abwechslung halber einen Unfall vor der eigenen Haustür zu wünschen... Sprechen Sie weiter zu diesem Thema!

1.1 Zur sprachlichen Gestaltung

Daß die Autorin das Verhalten der Frau negativ sieht (und nicht etwa als Sorge um den alten Mann), geht aus deren Charakteristika hervor. Finden Sie sie!

Das Verhalten der neugierigen Frau wird als «normal» akzeptiert. Beweisen Sie das!

2.Freude am kommunikativen Spiel

Das Verhaltensmuster, das Ilse Aichinger dem scheinbar so «normalen», unoriginellen, passiven entgegensetzt, zeigt sich in ... (mit dem Titel der Erzählung wird der Schwerpunkt darauf gelegt).

2.1 Zur sprachlichen Darstellung

Während die Autorin bei der Darstellung der ersten Verhaltensweise (Frau, Polizisten) auch sprachlich im Rahmen des «normalen»

Erzählstils bleibt, findet sie in der Beschreibung der zweiten Verhaltensweise (alter Mann, Kind) ungewöhnliche, geradezu poetische Formulierungen und Bilder. Welche?

Während die Frau charakterisiert ist durch eine Wartehaltung (sie «lehnt», sie «bleibt» und wird erst bei der scheinbaren Sensation lebendig), erscheint der Mann gleich zu Beginn voller Leben. Er ... . Die Stellung der Autorin wird also bei der Betrachtung ihrer sprachlichen Mittel ganz deutlich: Sie bejaht das Komische, Originelle, Aktive (das eigentlich «Normale») und entlarvt mit ihm ein langweiliges Verhalten (das nur scheinbar «Normale»), dessen Verstehenshorizont auf die eigene Person eingeschränkt bleibt.

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II. Hinweise zur Behandlung der Erzählung im Unterricht

l. Didaktische Überlegungen

Den Studenten sollte folgendes klarwerden:

1.Mit der Darstellung ergreift die Autorin (und mit ihr der Leser)

Partei für das Verhalten des Mannes

Er wirkt ... ... , während die Frau ... .... erscheint.

2.Die Abwartehaltung der Frau vertieft ihre Einsamkeit

a)Sie wartet, daß ... .... , und merkt nicht, daß in ihr Haus ein Kind einzieht, zu dem sie ja auch Kontakt hätte knüpfen können.

b)Sie sieht nur das Absonderliche im Verhalten des Mannes, nicht aber seine ... ... .

3. Das Spiel des Mannes verleiht ihm Kontakt zu seiner Umwelt

Das nicht an starre Normen gebundene Verhalten des Mannes steht im Kontrast zum Verhalten der Frau. ... .... .

2. Methodische Überlegungen

l. Vor der Lektüre: Wie verstehen die Studenten den Begriff Theater? Welche Rolle hat das Spiel im Leben der Menschen?

2.Man liest die Erzählung vor.

3.Untersuchung des Verhaltens der Frau (und der Polizei)

Leitfragen:

a)Welche Funktion hat der erste Abschnitt?

b)Wie reagiert sie auf das «Fenster-Theater»?

c)Zu welchem Zeitpunkt und warum ruft sie die Polizei?

d)Wie verhält sich die Polizei?

e)Vergleich zwischen dem Verhalten der Frau und dem der

Polizei

4. Untersuchung des Verhaltens des Mannes

Leitfragen:

a)Wie charakterisiert die Autorin ihn? (Sprachanalyse seines Tuns und seines Aussehens)

b)Welche Funktion hat der letzte Abschnitt?

c)Was bewirkt der Mann mit seinem Spiel?

5. Vergleich der Darstellung der Personen

Auf welcher Seite steht die Autorin? Was erreicht sie durch die Wahl ihrer sprachlichen Mittel?

6. Kritische Überlegungen der Studenten

Leitfragen:

a)Was haltet Ihr vom Verhalten des Mannes?

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