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Im Sog der Ereignisse unterbreitete Bundeskanzler Helmut Kohl am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas, der die Schaffung konföderativer Strukturen zwischen der DDR und der Bundesrepublik vorsah mit dem Ziel, in möglichst berechenbaren Zeiträumen die staatliche Einheit zu erreichen. Dieser zunächst kühn anmutende Plan war bereits Makulatur, bevor sein Inhalt in den Köpfen der Bürger ankam. Denn die Menschen in der DDR waren schon weiter. Ihre Demonstrationen in Dresden, Leipzig, Berlin, wo Hunderttausende zusammenströmten mit der Parole „Wir sind das Volk", wandelten sich mehr und mehr zu gigantischen Willenskundgebungen für die Wiedervereinigung: Beim Besuch des Bundeskanzlers am 19. Dezember 1989 in Dresden schallte es ihm zehntausendfach entgegen „Wir sind ein Volk".. Von da an jagten sich die Daten und Zäsuren wie im Zeitraffer. Am 18. März 1990 fand in der DDR die erste freie Wahl für die Volkskammer statt. Sie endete mit einem grandiosen Erfolg für die CDU und die mit ihr in der „Allianz für Deutschland“ zusammengeschlossenen Partner aus der Bürgerbewegung. Unmittelbar danach begannen zwischen Bonn und Ost-Berlin die Vorbereitungen für eine zur Mitte des Jahres zu realisierende Wirtschaftsund Währungsunion. Zugleich wurde die Wiederherstellung der staatlichen Einheit vorangetrieben. Nachdem das Ziel fixiert war, ergab sich der Weg automatisch: Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß Artikel 23 der Verfassung. Nach und nach erklärten die ehemaligen Alliierten ihr Einverständnis, zuletzt die Sowjetunion beim Besuch des Bundeskanzlers bei Gorbatschow im Kaukasus im Juli 1990. Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurde nach rekordverdächtiger Verhandlungszeit am 31. August 1990 unterzeichnet, nahm in den Wochen darauf die parlamentarischen Hürden und trat am 29. September 1990 in Kraft.

Texterläuterungen

Die CDU – die Christlich-Demokratische Union - Христианско-

Демократический Союз.

Merken Sie sich bitte die Rektion folgender Verben:

Etwas (Akk.) unterbreiten – представлять на утверждение что-либо, докладывать о чём-либо.

Etwas (Akk.) vorsehen – предусматривать, планировать. Der Plan sieht eine Verbesserung der Arbeitsorganisation vor. – План предусматривает улучшение организации труда.

Etwas (Nom.) wandelt sich zu (Dat.) – что-то изменяется, превращается во что-то.

Etwas (Nom.) endet mit (Dat.) – что-то кончается, оканчивается чем-то.

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Etwas (Akk.) vorantreiben – ускорять, форсировать (развитие чеголибо).

Was meinen Sie: Wie bewertet der Autor den Zehn-Punkte-Plan zur Überwindung der Teilung Deutschlands?

Überfliegen Sei bitte den Text 6 und schreiben Sie alle Schlüsselwörter heraus, die die Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands charakterisieren.

TEXT 6. DER PREIS DER WIEDERGEWONNENEN FREIHEIT

Am 3. Oktober 1990 wurde die staatliche Einheit Deutschlands wirksam, die DDR hörte auf zu existieren. Zwei Monate später wählte das deutsche Volk zum ersten Mal in Einheit und Freiheit gemeinsam einen Deutschen Bundestag. Diese kurze chronologische Zusammenfassung des knappen Jahres zwischen der Öffnung der Mauer und dem Tag der deutschen Wiedervereinigung lässt auch nicht annähernd j erahnen, welche Problemberge sich immer wieder auftürmten und welcher Anstrengungen es immer und immer wieder bedurfte, sie zu überwinden. Den politisch Verantwortlichen war damals auch durchaus klar, dass mit der Erledigung der formalen Erfordernisse erst der Anfang des Weges beschatten war. Die Vollendung der Einheit im Inneren musste naturgemäß länger dauern. Dass sie so schwierig und beschwerlich werden würde, hatte freilich niemand erwartet.

Heute werde ich oft gefragt, ob ich im Lichte der seither gemachten Erfahrungen den Einigungsvertrag in seinem Regelungsgehalt noch einmal so abschließen oder doch wesentliche Punkte ändern würde. Natürlich ist man hinterher immer klüger. Dennoch sage ich auch heute noch: Unter den damals obwaltenden Bedingungen halte ich den Vertrag für das Optimum des Erreichbaren. Gleichwohl ist mir heute klarer bewusst als 1990, dass die volle Wucht, mit der die Menschen in der DDR vom hochkomplizierten Rechtssystem der alten Bundesrepublik vereinnahmt wurden, zu schweren Verunsicherungen führen musste. Doch es ist müßig, darüber zu sinnieren, was man vielleicht hätte besser und anders machen können, da das Rad der Geschichte sich auch hier nicht zurückdrehen lässt. Insgesamt bin ich auf jeden Fall der Überzeugung, dass die Geschichte der Herstellung der deutschen Einheit eine Erfolgsgeschichte ist, die trotz aller fortbestehenden Probleme bei der Vollendung der inneren Einheit ihresgleichen sucht. Ganze Bibliotheken sind während der vergangenen 150 Jahre mit Folianten gefüllt worden, in denen der mehr oder weniger zwangsläufige Übergang vom Kapitalismus in den Sozialismus samt wirtschaftstheoretischem Rüstzeug behandelt wird. Der umgekehrte Fall

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hingegen hat, weil angeblich naturgesetzlich nicht vorgesehen, die Phantasie der Wissenschaft nicht sonderlich beflügelt. Aber genau diesen Fall haben die Deutschen und mit ihnen fast alle anderen ehemaligen Angehörigen des sozialistischen Machtblocks zu bewältigen. Das ergibt Parallelen, aber auch entscheidende Unterschiede. Die Parallelen: Der Zusammenbruch der Wirtschaft in den ehemals sozialistischen Ländern war total. Durch das Wegbrechen ganzer Märkte, die ohnehin nur deshalb existierten, weil sie mit einem gigantischen staatlichen Subventionssystem künstlich erzeugt worden waren, beginnt ihr Aufbruch ins marktwirtschaftliche Paradies zunächst mit einem Marsch durch eine ökonomische Wüstenei. Jedenfalls gemessen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Das Einüben von Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung, das Streben nach Wohlstand im Sinne von eigener Anstrengung, die Akzeptanz der Tatsache, dass im marktwirtschaftlichen System sich der Preis nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage reguliert - das alles muss in manchmal schmerzlichen Erfahrungsprozessen erst erlernt werden. Als Preis der wiedergewonnenen Freiheit ist es die Anstrengung aber allemal wert.

Die Unterschiede: Der Lebensstandard der Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten ist im Vergleich zu den westlichen Industriestaaten nach wie vor bescheiden. Dennoch sind die Menschen zum Beispiel in Polen, in Tschechien, in Ungarn zufrieden und optimistisch. Der Grund ist ebenso einfach wie einleuchtend: Der Pole in Danzig vergleicht seinen Lebensstandard mit dem Polen in Warschau oder in Krakau, der Tscheche in Eger oder in Karlsbad schaut auf den in Prag - kurz, in Polen, in Tschechien, in Ungarn geht es jeweils dem gesamten Volk gleich gut oder gleich schlecht. Die Gleichheit auf niedrigem Standard eint diese Völker ebenso wie die Aussicht auf kollektive Besserung. Das ist in Deutschland anders, und daraus erklären sich die meisten der Stimmungseinbrüche und Meckereien im Verlauf der vergangenen fünf Jahre.

Merken Sie sich bitte die Rektion folgender Verben:

Etwas (Nom.) hört auf ... zu+ Infinitiv – переставать, прекращаться. Etwas (Akk.) überwinden – преодолевать, побеждать

Etwas (Akk.) für etwas (Akk.) halten – считать, принимать за кого-либо,

за что-либо.

Führen zu (Dat.) – вести к чему-либо

Sinnieren über (Akk.) – раздумывать, быть в раздумье о чём-либо. Etwas behandeln – что-либо рассматривать, излагать, обсуждать.

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Etwas (Akk.) bewältigen – преодолевать что-либо, справляться с чемлибо.

Streben nach (Dat.) – стремиться к чему-либо; добиваться чего-либо. Etwas (Nom.) erklärt sich aus (Dat.) – объясняться чем-либо.

Bitte beantworten Sie mit Hilfe des Textes die folgenden Fragen!

1.Waren die Märkte in den sozialistischen Ländern mit einem gigantischen staatlichen Subventionssystem künstlich erzeugt worden?

2.Welche Eigenschaften fordert von einem Menschen die Marktwirtschaft?

3.Was meinen Sie, warum ist der Lebensstandard der Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten im Vergleich zu den westlichen Industriestaaten nach wie vor bescheiden? Wann hörte die DDR auf zu existieren?

4.Wann feiert man die deutsche Wiedervereinigung?

5.Türmten sich zwischen der Öffnung der Mauer und dem Tag der deutschen Wiedervereinigung große Problemberge auf?

6.Erahnten die politisch Verantwortlichen große Anstrengungen?

7.War die Erledigung der formalen Erfordernisse erst der Anfang des Weges der Einigung?

8.Musste die Vollendung der Einheit im Inneren länger dauern?

9.Hält der Autor den Einigungsvertrag für das Optimum des Erreichbaren?

10.Hat dieser Prozess zu schweren Unsicherungen geführt?

11.Kann man sagen: Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurück drehen?

12.Wie beurteilt der Autor die Geschichte der Herstellung der deutschen Einheit?

13.Wird der Übergang vom Kapitalismus in den Sozialismus samt wirtschaftstheoretischem Rüstzeug behandelt?

14.Hatten die Deutschen den umgekehrten Fall, d.h. den Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus bewältigt?

Unterstreichen Sie die Schlüsselwörter in der Überschrift des Textes 7 und formulieren Sie ihre Erwartungen an den Textinhalt!

Überfliegen Sie den folgenden Text, was war bereits bekannt/ was ist neu? Bitte teilen Sie den folgenden Text in Abschnitte ein! Formulieren Sie bitte die entsprechenden Überschriften!

Suchen Sie im Text die Schlüsselwörter und diskutieren Sie diese Schlüsselwörter!

TEXT 7. OPFER FÜR DIE VOLLENDUNG DER INNEREN EINHEIT

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Die Menschen in der ehemaligen DDR hatten bereits vor der Wende einen relativ höheren Lebensstandard als die Bevölkerung in den genannten Nachbarländern. Schon zu dieser Zeit und erst recht nach der friedlichen Revolution verglichen die DDR-Bewohner ihre Lage nicht mit den Menschen in Prag oder in Warschau, sondern mit den Landsleuten in Hamburg oder Köln. Der dabei sichtbar werdende eklatante Niveauunterschied erzwang politisch einen Parforceritt. Um den sozialen Frieden nicht zu gefährden, musste versucht werden, innerhalb kürzester Zeit eine weitgehende Angleichung der Lebensverhältnisse zu bewerkstelligen - und das bei einer ebenfalls auf weiter Front nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur, unzureichender Verwaltung und unterentwickelter Infrastruktur. Dass in einer solchen Situation trotz aller Anstrengungen nicht von heute auf morgen die Gleichheit der Lebensverhältnisse herzustellen ist, liegt bei realistischer Betrachtungsweise auf der Hand. Dennoch war dies Ursache verbreiteter Enttäuschung und Ernüchterung., Die „New York Times", Deutschland gegenüber nicht immer sehr freundlich eingestellt, hat das noch vor zwei Jahren als „Herkulesaufgabe" bezeichnet und angefügt: „Wer, wenn nicht die Deutschen, soll das überhaupt schaffen." Heute können wir feststellen: Trotz aller nach wie vor vorhandenen Mängel sind wir auf dem Weg, die materiellen und ökonomischen Verhältnisse zusammenzuführen, ein erhebliches Stück vorangekommen. Die neuen Bundesländer sind heute Europas Wachstumsregion Nummer eins. Den riesigen Finanztransfer von West nach Ost, jährlich rund 160 Milliarden Mark, habe ich bereits erwähnt. Das Gehaltsniveau der Arbeitnehmer in Ostdeutschland liegt nur noch geringfügig unter dem in Westdeutschland. Die Renten im Osten liegen nur noch zwanzig Prozent unter denen im Westen - schon das allein ist eine grandiose Leistung. All das wurde möglich durch privatwirtschaftliches Engagement und die Bereitschaft der Steuerzahler insgesamt, für die Vollendung der inneren Einheit auch finanzielle Opfer zu bringen. Dennoch bleiben Brüche übrig. Und die liegen nicht so sehr im materiellen, sondern im mentalen Bereich. Natürlich ist es wahr, dass der Bürger in Chemnitz, der seine Lebensumstände mit einem Stuttgarter vergleicht, auch heute noch feststellt, dass es ihm nicht so gut geht wie diesem. Aber der Optimismus, dass sich die eigene Lage kontinuierlich verbessert, hat in den neuen Bundesländern in der Breite zugenommen. Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass sich die Deutschen in Ost und West weiter auseinanderentwickelt haben, als es ihnen selbst bewußt war. Das meint Daniel Vernet, wenn er sagt, die Deutschen seien noch nicht vereint. Die Menschen in Ostdeutschland schlitterten nach dem Krieg nahezu bruchlos von einer Diktatur in die nächste. Unterdrückung und Gleichschaltung haben Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen.

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Wer wollte es ihnen verübeln, dass sie sich noch schwer tun mit der wiedergewonnenen Freiheit.

Im Osten Deutschlands gibt es in vielem eine andere psychologische Grundausstattung, die sich gerade in der gegenwärtigen Aufbauphase bemerkbar macht. Vor allem das bereits angesprochene Fehlen von Eigeninitiative, mangelnde Bereitschaft zu Selbstverantwortung, aber auch mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu delegieren, dies ist hinderlich in einer Zeit, in der genau das Gegenteil erforderlich wäre. Aber man kann es den Menschen nicht vorwerfen. Ihr Leben in der DDR war durch und durch obrigkeitsstaatlich reglementiert. Wie hätten sie da solche Fähigkeiten entwickeln sollen? Lothar de Maiziere, der erste und letzte frei gewählte Ministerpräsident der DDR, hat einmal davon gesprochen, das Problem für die Menschen in der ehemaligen DDR sei, dass das alte System im Grunde strafende und schützende Hand zugleich gewesen sei. Die strafende Hand sei weg, das sei gut so, das habe man gewollt. Aber die schützende Hand, die für alles gesorgt hat, und sei es noch so miserabel, die sei nun auch weg. Daraus erklärt sich das große Maß an Unsicherheit, das in den neuen Ländern nach wie vor besteht, auch manche Neigung zu nostalgischer Rückerinnerung an frühere Zeiten, auch wenn es kaum jemanden gibt, der sie sich tatsächlich zurückwünscht. Das macht es nicht leichter, mit jenem Problem fertig zu werden, das dem inneren Zusammenwachsen Deutschlands am sperrigsten entgegensteht: dem Umgang mit den politischen Lasten der Vergangenheit im SED-Staat. Er war ein Unrechtsstaat, in dem die Menschenrechte systematisch verletzt wurden. Das Ausmaß von Überwachung, Bespitzelung und Schikane übertrifft jedes Maß an Phantasie. Der SED-Staat griff gewaltsam in die Lebensplanung von Millionen von Menschen ein, er zerstörte Existenzen, er brachte die, die ihm entfliehen wollten, skrupellos zu Tode. Es war nur zu verständlich, dass nach der Wende die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollten.

Doch es ist nur in sehr engen Grenzen gelungen, erlittenes Unrecht zu sühnen. Die Gründe haben zu tun mit der Art und Weise, wie sich der Übergang vom alten SED-Regime bis zu den ersten freien Wahlen in der damaligen DDR vollzogen hat.

Es war eine unvollendete Revolution, denn es gab keinen wirklichen Umsturz, keine revolutionäre Erhebung. Zum Glück war es so, denn wäre Blut geflossen, hätte die Sowjetarmee wohl nicht tatenlos zugesehen. Statt dessen vollzog sich ein streng lega-listischer Übergang von der Diktatur zum Rechtsstaat. Das aber hat auch zur Folge, dass Unrechtstaten aus der Zeit der Diktatur nur insoweit verfolgt werden können, als sie bereits durch das zur Zeit der Tat geltende Recht mit Strafe bedroht waren. Damit sind

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einer juristischen Aufarbeitung des SED-Unrechts ganz enge Grenzen gesetzt.

Dennoch muss die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sein. Eine behutsame Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit in den neuen Ländern, der Verzicht auf Besserwisserei in der alten Bundesrepublik und Verständnis füreinander - auf diesem Nährboden kann das Bewußtsein, eine Gemeinschaft zu sein, am besten wachsen. Dieser Prozess wird wohl noch andauern, während die Landschaften in den neuen Ländern - wie versprochen - längst blühen. Der Weg zur inneren Einheit ist allerdings keine Einbahnstraße, auf der nur die Menschen aus dem Osten sich zu bewegen hätten. Auch die Westdeutschen müssen sich bewegen, mehr als ihnen be wußt ist. Es ist ein Irrtum zu glauben, die Wiedervereinigung sei nichts weiter gewesen als die Vergrößerung der alten Bundesrepublik. Zwar ist es richtig, dass die Menschen im Westen Deutschlands in ihren Lebensumständen von den Veränderungen weitaus weniger betroffen worden sind. Dennoch hat sich etwas verändert, etwas, was vielleicht auch ohne die Wiedervereinigung auf uns zugekommen wäre, was sich aber nun im Zuge der besonderen Herausforderungen auf dem Weg zur inneren Einheit um so nachhaltiger bemerkbar macht.

Die Menschen in der alten Bundesrepublik waren nach Jahren kontinuierlich wachsenden Wohlstands gewohnt, materielle Verteilungskonflikte immer aus dem gesamtökonomisch erwirtschafteten Zuwachs zu lösen. Es musste nie wirklich etwas vom Besitzstand wieder abgegeben werden. Daraus ist dann auch eine Mentalität entstanden nach dem Motto: Einmal mir, immer mir. Spätestens die Rezession, die uns zwei Jahre nach der Wiedervereinigung so schwer zu schaffen machte, hat dann schmerzlich bewusst gemacht, dass der Zwang zu Sparsamkeit nicht mehr nach der Methode ausgeübt werden kann, der andere möge bitte seinen Gürtel enger schnallen. Statt dessen wurde klar, dass das gesamte wohlfahrtsstaatliche System auf den Prüfstand muss, um seinen Kollaps zu verhindern. Solche Aussichten mobilisieren in einer wohlstandsverwöhnten Bevölkerung automatisch massive Abwehrreflexe. Die eigenen Besitzstände werden umso verbissener verteidigt, je geringer das Bewußtsein entwickelt ist, dass man Teil eines Gesamtorganismus ist. Veränderungsscheu, Beharrungstendenzen, diffuse Ängstlichkeiten, zunehmender Egoismus, Trägheit und Kleinmütigkeit - das ist die Kehrseite der Wohlstandsmedaille. Die Menschen in Westdeutschland sind immer stärker von materiellen Werten und immer weniger von ideellen Werten geprägt worden. Die Balance ist verlorengegangen, aber wir haben jetzt die Chance, durch die von der Wiedervereinigung erzwungenen Veränderungen auch dieses wieder ins Lot zu bringen.

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So gehört zur Vollendung der inneren Einheit eben auch, dass alle Deutschen sich wieder auf die Grundlagen ihrer Gemeinschaft besinnen. Denn die Herausforderungen lassen sich umso besser bewältigen, je fester gefügt das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist. Die Zeitenwende von 1989/90 und der Zusammenbruch des Sowjetimperiums haben uns weder den ewigen Frieden noch das Ende der Geschichte gebracht. Deutschland ist wieder an den historischen Platz mitten in Europa gerückt. Wir Deutsche wissen, dass uns diese geographische Lage mit dem Schicksal ganz Europas verbindet. Wir haben daher größtes Interesse daran, dass unserem alten Kontinent Frieden, Sicherheit und politische Stabilität erhalten bleibt. Das zwingt uns zu einer aktiv gestaltenden Rolle. Und diese Rolle können wir nur bei einem ausreichenden Maß an innerer Geschlossenheit erfolgreich wahrnehmen. Die einmalige historische Chance der Wiedervereinigung haben wir mit Mut und Umsicht ergriffen. Nur wir selbst können verhindern, dass die Geschichte der Einheit eine Erfolgsgeschichte wird.

Bitte beantworten Sie mit Hilfe des Textes folgende Frage!

1. Was ist die Kehrseite der Wohlstandsmedaille?

Bitte referieren Sie kurz über die Wiedervereinigung Deutschlands!

25 Jahre Deutsche Einheit

Am 3. Oktober 2015 feierte Deutschland den 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. Das Zusammenwachsen von Ost und West war und ist eine große Aufgabe, die die Menschen in Deutschland gemeinsam zu einer Erfolgsgeschichte machen.

Berichten Sie anhand folgender Kurztexte über den aktuellen Stand Deutschlands:

Politische Teilhabe.

Die Teilhabe an politischen Prozessen und Entscheidungen, für die die Menschen in der DDR auf die Straße gingen, ist im vereinten Deutschland eine geschätzte Selbstverständlichkeit. Und sie ist absolut notwendig. Denn Demokratie funktioniert nur mit persönlichem Einsatz, sie muss jeden Tag neu mit Leben gefüllt werden. Bürgerschaftliches Engagement und sozialer Zusammenhalt sind deshalb für die Zukunft unerlässlich.

Berlin wurde 1990 deutsche Hauptstadt. Bonn, bisher Hauptstadt der Bundesrepublik erhielt den Titel ,,Bundesstadt“. Per Gesetz haben bis heute einige Ministerien und Bundesbehörden ihren Hauptsitz in Bonn.

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Wirtschaftliche Vielfalt.

Regionale Unterschiede zwischen Ost und West gibt es nach wie vor, das gilt vor allem für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und das Lohnniveau. Insgesamt aber hat die ostdeutsche Wirtschaft seit der Wiedervereinigung an Fahrt gewonnen. Das Bruttoinlandsprodukt in den neuen Bundesländern hat sich zwischen 1992 und 2014 in etwa verdoppelt, zudem ist die ökonomische Landschaft deutlich vielfältiger als noch vor 25 Jahren.

Angleichung der Einkommen.

Der Abstand zwischen West und Ost ist beim verfügbaren Einkommen je Einwohner-das für den privaten Konsum zur Verfügung stehtinzwischen deutlich geringer, eine Lücke gibt es aber noch.

Ökologischer Schatz.

Veraltete Produktionsanlagen hatten schwerwiegende Folgen für Natur und Umwelt in der ehemaligen DDR. Inzwischen wurden viele Altlasten beseitigt und die Weichen für ein umweltverträgliches Wirtschaftswachstum gestellt. Durch die deutsche Teilung entstand allerdings auch ein ökologischer Schatz: das ,, Grüne Band“. Auf dem früheren Grenzstreifen konnten sich Tiere und Pflanzen fast ungehindert entfalten.

Tragendes Netz.

Das Verkehrsnetz in den neuen Bundesländern wurde nach der Wiedervereinigung deutlich ausgebaut. So gelang es, Lücken in der Infrastruktur Ostdeutschlands selbst sowie in der Verbindung von Ost und West zu schließen. Die Strelasundbrücke etwa erleichtert den Verkehr zwischen der Insel Rügen und dem Festland. Früher standen Reisende lange im Stau, seit 2007 ist das Geschichte. Auch das deutsche Schienennetz und die Wasserwege wurden nach 1990 gestärkt.

Deutschland ist seit der Öffnung des europäischen Binnenmarkts 1993 Transitland Nummer eins des Kontinents. Der Aufbau einer modernen Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern hat eine Schlüsselrolle für die Wirtschaft.

Solidaritätszuschlag.

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Alle Steuerzahler in Deutschland beteiligen sich seit Mitte 1991 mit dem Solidaritätszuschlag am Aufbau Ost. Er beträgt heute 5, 5 Prozent des Steuerbetrags. Über die Einnahmen verfügt der Bund.

1991Mrd. Euro 5,4. 2013-14,4 Mrd. Euro.

Bevölkerungsentwicklung

Deutschland ist heute vielfältiger als im Jahr der Wiedervereinigung. Es gilt inzwischen als zweitbeliebtestes Einwanderungsland: Mit rund 400000 dauerhaften Zuwanderern 2012 stand Deutschland erstmals in der OECD direkt hinter den USAund vor Kanada und Australien.

1990 : Gesamtbevölkerung – 79,7 Mio; Zahl der Ausländer-5,3 Mio. 2014: Gesamtbevölkerung – 81,1Mio; Zahl der Ausländer -8,1 Mio.

Beliebte Reiseziele

Für zahlreiche Regionen in Ostdeutschland erwies sich nach der Wende auch der Tourismus als Chance, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Faszinierende Naturlandschaften wie der Spreewald, traditionsreiche Städte wie Dresden und klassische Seebäder wie Binz auf Rügen ziehen viele Besucher an. Die Zahl der Übernachtungen in Hotels und Herbergen der neuen Bundesländer hat sich zwischen 1993 und 2013 mehr als verdoppelt.

Literatur

Schäuble W. Deutschlands Weg zur inneren Einheit/ W. Schäuble// Deutschland.-1995.- №6.-S.46-49

Magazin Deutschland. D 2/ 2015. Forum für Politik, Kultur und Wirtschaft. www.deutschland. de

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